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Alt 07.01.2009, 19:59
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Hallo Susanne,

Zitat:
Zitat von Susanne85 Beitrag anzeigen
Wie geht es dir jetzt? Wie fühlst du dich? Kannst du es schon begreifen?
Im Moment geht es mir so gut, dass es mir fast schon peinlich ist. Denn "eigentlich" sollte ich ja gerade nur trauern und mit Leichenbittermiene rumlaufen.

Tue ich aber gerade nicht. Denn bei allem Leid und aller Trauer: wir haben da einen absolut erstklassigen Abgang hingelegt. Das soll uns erstmal einer nachmachen. Meine Frau sitzt da oben, und meine Schwägerin und ich haben zu ihr gesprochen und gesagt: "Na, Christel, wie haben wir das gemacht?" Und sie hat geantwortet: "Super. Genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Ein dickes Sonderlob für euch." Und in diesem Bewusstsein haben meine Schwägerin und ich uns umarmt, uns gegenseitig auf die Schulter geklopft und uns im Gedenken an meine Frau Montag abend so richtig einen auf die Lampe gegossen (ein Privileg der Lebenden: wer weiss schon, ob meine Frau da, wo sie jetzt ist, noch ihren geliebten Remy trinken darf - und wenn sie richtiges Pech hat, herrscht im Jenseits vielleicht sogar Rauchverbot )

Die Tage vom Sterben meiner Frau bis zur Abholung der Leiche gestern früh waren halt extrem anstrengend. Ich hatte von Freitag früh bis Sonntag früh nicht geschlafen, die Wochen vorher auch nur mit mehreren Unterbrechungen die Nacht, und die Tage danach wegen Stress auch nicht richtig. Und dann natürlich xxx-mal telefoniert, am So und Mo die Freunde empfangen, die meine Frau nochmal sehen wollten, usw. Als dann Dienstag früh der Bestatter zum Abholen kam und wir das Hoftor hinter dem Leichenwagen geschlossen haben... da kehrte erstmals seit Tagen Ruhe ein.

Und seither bin ich ziemlich gelöst, befreit und auch recht zufrieden. Denn, bei aller Tragik: meine Frau ist so gestorben, wie sie und ich es uns gewünscht haben. Aus der Klinik raus, rechtzeitig zu Weihnachten. Zuhause, mit Weihnachtsbaum, Ehemann, Hund und Katze. Sie hat Mutter, Schwester, Bruder und die wichtigsten Freunde noch treffen und von ihnen Abschied nehmen können. Sie hat nicht viel gelitten. Sie war die letzten 14 Tage Zuhause schmerzfrei (das Wichtigste überhaupt!), geistig wach und recht guter Dinge (wenn auch oft sehr müde und erschöpft). Sie lag nur die letzten 2 Tage lang wirklich hilflos im Bett, mit Blasenkatheter und Windeln. Und sie ist überraschend schnell und friedlich eingeschlafen. Vom ersten "Atemrasseln" bis zum letzten Atemzug verging kaum eine Viertelstunde. Sie war bereit, zu gehen - in Frieden und im Einklang mit sich. Und ich durfte sie dabei bis zuletzt begleiten.

Insofern fühle ich mich im Moment fast glücklich. Weil mir klar ist, welche Gnade uns erteilt wurde. Meine Frau durfte so sterben, wie sie sich das gewünscht hat. Und ihr diesen Wunsch erfüllen zu können, erfüllt mich mit Zufriedenheit. Wenn ich daran denke, was in den letzten Wochen alles hätte schiefgehen können... Dann mache ich drei Kreuze, dass letztendlcih doch alles so "schön" geklappt hat. Und ich weiss, dass meine Frau da, wo sie jetzt ist, das ganz genau so sieht. Es hätte - wenn man schon sterben muss - gar nicht besser laufen können. Dafür sind wir Zufall / Schicksal / Fügung / liebem Gott / wem-auch-immer zutiefst dankbar.

Zitat:
Kannst du es schon begreifen?
Schwer zu sagen. Im Moment bin ich erleichtert, dass dieses schwere Kapitel des Sterbens, Aufbahrens und ersten Abschied nehmens abgeschlossen ist.

Das Begreifen und die tiefe Trauer werden noch kommen. Meine Frau war oft genug für längere Zeit weg. Ob mit Freunden im Urlaub, in Klinik oder Reha. Und nach etwa einer Woche ohne sie fange ich seit Jahren an, sie schmerzlich zu vermissen. Und wie es dann sein wird, wenn ich sie nicht mehr anrufen kann und ihr sagen "Du fehlst mir so. Komm doch schnell wieder nach Hause, ich freue mich schon darauf." Und wenn ich dann tagtäglich be-greifen muss, dass sie tatsächlich nie mehr nach Hause kommt...

Wie sich das anfühlt, frag' mich in 1-2 Wochen nochmal. Ich weiss es noch nicht. Aber ich habe schon jetzt eine Scheiss-Angst davor, weil ich es mir so ungefähr vorstellen kann. Soviel Angst, wie ich sie mein Leben lang nicht gehabt habe. Und würde am liebsten meine Sachen packen und gleich abhauen. Irgendwohin, wo ich mich selbst und meine Gefühle nicht mitnehmen muss.

Das Begreifen wird mit der Trauer und der Verzweiflung schon kommen. Sich feige Verkrümeln geht halt nicht - wir müssen irgendwie weiterleben. Und ich WILL das auch. So, wie meine Frau das für mich auch will. Also ist es beschlossene Sache: wir werden das schon irgendwie schaffen

Zitat:
3 Tage hätte ich das wohl nicht ausgehalten. Denn das Aussehen verändert sich ja scheinbar fast stündlich. Ich bewundere dich und deine Schwägerin dafür. Es fordert viel Kraft.
Die 3 Tage Aufbahrung Zuhause hat meine Frau so gewollt, und ich auch. Das war sehr richtig und wichtig, aber auch anstrengend. Wobei ich seit langem der Meinung bin, dass die unausweichlichen Schwierigkeiten im Leben so oder so kommen, früher oder später. Vielleicht kann ich im Moment einen Bogen darum machen. Aber dann begnet mir genau dieses Problem halt später. In diesem Zusammenhang: ja, wir hätten es uns jetzt im Moment leichter machen können. Aber ich bin überzeugt davon, dass uns dieses nicht sofort "abgeladene Gewicht" dann halt irgendwann viel später auf die Füße gefallen wäre. Und dann wäre es noch viel schwerer und schlimmer gewesen als jetzt. Jetzt haben wir uns dieser Sache gestellt und sie bewältigt. Und können diese Erfahrung "reinen Herzens" und ohne Reue "abhaken".

Was die 3 Tage Aufbahrung Zuhause betrifft, sehe ich das inzwischen aus Erfahrung etwas differenzierter. Einfach, weil sich der Körper halt zersetzt, und weil damit (ganz unterschiedlich; hängt nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch vom Individuum und wie / woran dieser Mensch gestorben ist) nach gewisser Zeit ein merkwürdiger Geruch entsteht, Flüssigkeiten austreten, sich die Haut pellt, Finger und Lippen blau werden, Leichenflecken entstehen usw. Das war für meine Schwägerin und ich am dritten Tag schon ziemlich eklig und eine echte Überwindung. Selbst jetzt habe ich manchmal noch kurzzeitig das Gefühl, dass ich den Leichengeruch mit mir rumtrage. Aber auch das ist nur kurzzeitig. Zumindest wissen meine Schwägerin und ich jetzt für später: wenn es bei uns mal so weit ist - 2 Tage Aufbahrung reichen, mehr möchten wir den Hinterbliebenen nicht zumuten.

Viele Grüße,
Stefan
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