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Alt 05.03.2013, 19:06
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Liebe Nina,

ich finde es gut, dass der Hausarzt mit dir den Befund deines Papas durchgehen wird und bereit ist, dir alles zu erklären. Ich hoffe, dass du dann versichert sein kannst, dass dein Papa nicht leiden musste. So, wie du es beschrieben hast, hört es sich so an, als sei dein Papa friedlich eingeschlafen, habe nichts mehr von Luftnot gespürt und konnte in dem Moment loslassen, als die Zeit dafür gekommen war. Einige haben dir ja bereits geschrieben, dass Menschen sich dafür entscheiden, diesen letzten Schritt allein zu gehen. Vielleicht, weil sie ihre Lieben schützen wollen oder weil es ihnen womöglich leichter fällt, diese Welt zu verlassen, wenn wir nicht bei ihnen sind, ihre Hand halten. Mein Vater ist auch gegangen, als ich schlief. Ich denke mir, er hat es so gewollt, denn als wir immer bei ihm wachten und ihn hielten, da konnte er wohl nicht den Übergang nehmen.

Das Alles zu verstehen, im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, das dauert. Anfangs hat man das Gefühl, es wäre gar nicht wahr und ich dachte auch immer, mein Vater läge noch in seinem Bett... All die formellen Dinge habe ich geregelt, vieles gemeinsam mit meiner Mutter, vieles auch allein und ich war fast froh, dass ich das alles erledigen konnte. Denn als nichts mehr zu tun war, da hatte ich das Gefühl, in ein Loch zu fallen. Da war plötzlich keine Aufgabe mehr und ich fühlte mich geradezu unnütz. Meine Welt war ziemlich finster und mir ging es genau wie dir... Auf der Arbeit nervte mich die Banalität des Alltags, alles ging so weiter, als sei nichts geschehen. Dabei war meine Welt nicht mehr so wie zuvor. Und die Beileidsbekundungen fand ich persönlich ganz furchtbar... Ich mag das Wort überhaupt nicht. Ich weiß auch gar nicht, was das bedeuten soll. Wie kann man denn beileiden?!

Wundere dich nicht, dass du nun nicht unentwegt weinst oder tieftraurig sein kannst. Du musst letztendlich ja funktionieren, da das Leben tatsächlich weiter läuft. Ganz unbarmherzig. Ich hatte mir vor einem Jahr gewünscht, ich könne einfach daheim bleiben und hätte die Zeit, die ich benötigte, um um meinen Vater zu trauern. Heute denke ich, dass es gut war, dass ich Aufgaben hatte. So konnte ich mich ganz gut über die Tage retten, sie hatten eine vorgegebene Struktur und innerhalb dieser konnte ich mich sicher bewegen. Nur abends, wenn ich zur Ruhe kam, dann kam meine Trauer. All die Gedanken, die in meinem Kopf wirbelten. Ähnliche Gedanken, wie du sie beschreibst.

Liebe Nina, ich kann dir als Außenstehende nur sagen, dass ihr alles richtig gemacht habt! Ihr seid immer für deinen Papa da gewesen, habt die gemeinsame Zeit genutzt, euch alles gesagt, was wichtig war, euch eure Liebe gezeigt und für deinen Papa gesorgt. Ihr habt ihm diese so schwere Zeit so schön gestaltet, wie es möglich war. Und in diesem Wissen ist dein Papa euch vorausgegangen. Er hätte nicht gewollt, dass ihr bei ihm im Krankenhaus übernachtet. Wenn ja, dann hätte er euch sicherlich darum gebeten. Diesen allerletzten Schritt wollte er wohl allein gehen. Ganz still und in Frieden. Er wusste ja, dass ihr später kommen würdet... Und ich glaube, dass er sich noch von euch ganz leise verabschiedet hat. (Solltest du dir Sorgen machen, dass dein Papa ganz allein war, als er starb, dann tröstet es dich vielleicht zu wissen, dass Elisabeth Kübler-Ross der Auffassung ist, dass wir nie allein sind. Unser Schutzengel oder Geistführer ist immer bei uns und besonders in der Zeit. Er hilft uns beim Übergang. Mich hat das sehr beruhigt, denn ich hatte eine geradezu panische Angst, dass mein Papa so allein sein müsste...)

Ich möchte dir damit nur sagen, dass ihr nichts anders hättet machen können und sollen. Alles war gut, wie ihr es getan habt. Und du hättest leider nichts am Verlauf ändern können in dieser Nacht! Niemand hätte das vermocht. Ich denke, insgeheim weißt du das, Nina, doch es schmerzt so sehr und wir wünschen uns ja nichts sehnlicher, als dass wir den Tod hätten aufhalten können. Zu akzeptieren, wie es ist, das fällt unendlich schwer. Ich wünsche dir von Herzen, dass du das für dich zu erkennen vermagst. Und sei geduldig mit dir! Ich kann im nachhinein sagen, dass es viele, viele Monate gedauert hat, bis ich dort bin, wo ich heute stehe. Es war ein anstrengender und steiniger Weg, doch ich habe es geschafft und du wirst das auch schaffen.

Ganz liebe Grüße
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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