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Alt 27.03.2006, 12:54
Dieter1712 Dieter1712 ist offline
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Standard AW: Ich habe gestern meine liebe Frau beerdigt!

Hallo Andrea,
schön, dass Du nachfragst, ich hätte mich aber auch in den nächsten Tagen wieder gemeldet.

Wie es mir geht?

Am Besten schreibe ich mal Auszüge aus meinem Tagebuch, ich habe gemerkt, dass mir das Schreiben ganz gut tut, obwohl ich nicht sagen kann, dass es mir gut GEHT!
Es ist ein ziemliches auf und ab!

14.03.2006
Gestern gings mir ziemlich besch....! Das Loch wurde immer tiefer, konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Bin morgens schweissgebadet aufgewacht, habe wohl heftig geträumt, kann mich aber an nichts erinnern, vielleicht zum Glück.
Dieser unbekannte Traum muss mich wohl den ganzen Tag verfolgt haben.

Heute morgen, trotz wenig Schlaf ( habe bis 2 Uhr geschrieben ) wie neugeboren aufgewacht, Stimmung ein "na ja geht ja ganz gut"! Habe festgestellt, dass mir das gut tut!

Marina ist heute vor genau 8 Wochen gestorben, komisch diese Dienstage tun nicht weh.
Psycho-Doc: er hilft mehr sehr, bringt immer wieder neue Aspekte und Erkenntnisse, merke sie aber erst später.
Arbeit ging locker von der Hand!

Später dann Trauer-Café: fühle mich ganz wohl hier und angenommen, wieder ein paar neue Leute dabei.
Anschliessend Trauer-Gruppe 1. Treffen: auch hier angenehm, kann mich auf die Menschen einlassen, kennenlernen, sympatisch, freue mich auf das nächste Mal in 2 Wochen.

15.03.2006 Zukunft
"Die Vergangenheit ist unwiederbringlich, aber die Gegenwart ist euch überantwortet, und sie gleicht den ungeordneten Bausteinen, die zu Füßen eines stümperhaften Baumeisters liegen: An euch ist es, daraus die Zukunft zu gestalten." (Antoine de Exupéry)

Dieses Zitat beschreibt meine Situation und meine "Aufgabe"!
Meine Zukunftsperspektive mit Marina "alt werden" liegt wie ein Scherbenhaufen vor mir.Ich muss mir aus diesen Scherben eine neue zusammenbauen und es wir eine andere sein.


16.03.2006 Schöne Erinnerungen
Gestern war ich an Marinas Grab, musste mal wieder dorthin. Es ist ein Ort der Ruhe unter den vielen - leider noch kahlen - Bäumen. Hoffentlich wird es bald wärmer, damit dort viele bunte Blumen wachsen können.
Ich bin froh, dass ich diese Stelle gefunden habe, dass ich einen Platz gefunden habe, an dem ich mich mit Marina wohlfühle.
Ich habe heute gerne an sie gedacht, es tat auch nicht weh, es kamen viele schöne Erinnerungen an sie und ich bin froh, dass ich so viele schöne Jahre mit ihr verbringen konnte und durfte.

Es ist ein warmes Gefühl in meinem Herzen

18.03.2006 Marinas Kleider
Der Tag fing ganz gut an bis auf den leichten Brummschädel, war vielleicht ein Wein zuviel gestern! Dafür habe ich endlich mal bis 9.00 Uhr geschlafen.
Schönes Frühstück mit Tochter Jule und Anno!

Heute Nachmittag waren dann Marinas Mutter und Schwester da, um Marinas Kleidung auszusortieren. Es ist so unendlich viel! Sie haben 7 Müllsäcke voll mitgenommen und noch immer sind die Schränke voll. Marina hatte, was Kleidung angeht, wohl etwas Messi-haftes. Hoffentlich nehmen Jules Freundinnen viel mit, ich möchte am liebsten nichts wegwerfen oder Fremden geben.
Das Aussortieren war sehr anstrengend, sowohl pysisch als auch psychisch. Viele Sachen habe ich wiedererkannt und sie erinnerten mich an bestimmte Situationen, in denen Marina sie anhatte.
Schade, keiner meiner Freunde hat jetzt Zeit. Könnte jetzt ein wenig Ablenkung gebrauchen. Aber ich werde den Abend schon gut überstehen, auch mit den Schönen Erinnerungen an Marina.
Und werde noch ein bisschen an der HP schreiben.


Sch..., Marina fehlt!!!!
Ihr Lachen fehlt!!!


19.03.2006 Nachhänger
Der gestrige Tag hängt mir nach!
Die schönen Erinnerungen, die gestern beim Aussortieren von Marinas Kleidung da waren, tuen heute weh! Auch kommen die Bilder von Marinas Leiden wieder!
Ich vermisse Marina so sehr!
Ich möchte, dass sie da ist!
Ich bin traurig!
Ich weiss nicht, was ich heute machen soll!

Heute Mittag werde ich mit meinem Freund einen Spaziergang machen - hoffentlich wird das Wetter besser, im Moment ist alles grau in grau: ich will Sonnenschein!!!
Heute Nachmittag bin ich auf eine Geburtstagsfeier eingeladen. Ich weiss nicht, ob ich hingehen soll. Ich kenne zwar viele Leute, habe sie aber seit Marinas Tod nicht mehr gesehen. Was passiert? Ich glaube ich habe nicht die Kraft, mich dieser Situation zu stellen: Angesprochen werden auf Marinas Tod. Ich möchte Anteilnahme, aber kein Mitleid!
Oder fahre ich später am Abend hin?
Ich weiss es nicht!
Ich muss auch noch ins Büro, ein bisschen arbeiten.
Oder besuche ich jemand anderen?
Chaos im Kopf!! Bin unruhig, find keine Ruhe.
Möchte, dass der Tag vorbeigeht!

Marina du fehlst mir!
Ich weiss, dass Du nicht zurückkommst, aber trotzdem, mein Gefühl möchte was anderes.

20.03.2006 Ich bin traurig!
Ich bin traurig!

Ich bin traurig!

Ich bin traurig!

22.03.2006
Ich war gestern noch an Marinas Grab! Viele bunte Blumen, wie sie es mochte.
Mir geht es besser, bin eher melancholisch, mir fehlt das Kuscheln mit Marina. Ich werde mich jetzt im Bett einmummeln.

23.03.2006 Stich ins Herz
Ich war gerade in der Küche und habe die Spülmaschine leergeräumt. Als ich "Marinas Tasse" in den Schrank räumte wurde mir wieder mal bewusst, dass sie nie wieder aus dieser Tasse trinken wird. Die Bilder von Marinas Leiden und Tod kamen ganz plötzlich und mir mir blieb einen Moment das Herz stehen. Ich fühlte den Schmerz körperlich.

In den letzten Tage erlebe ich oft ähnliches, ich sitze im Büro und habe den Impuls, Marina mal eben anzurufen - so wie ich es oft getan habe -, habe auch schon den Hörer in der Hand gehabt... Oder ich komme nach Hause und denke, dies oder jenes muss ich unbedingt Marina erzählen oder das muss ich Marina mal fragen ,... Jedesmal spüre ich diesen Stich in meinem Herzen.

Hinterher klopft mein Herz ganz fest.

Und ich bin traurig!


24.03.2006 Wochenende: soll ich mich darauf freuen?
Was liegt an?
Eigentlich zu viel, oder doch zu wenig!
Noch nichts geplant.

-Fenster putzen
-Wohnung putzen
-Bügeln
-Auto endlich sauber machen
-Ikea fahren
-Papiere ordnen (Schublade läuft über!)
-Keller aufräumen
-Einkaufen
-Flur putzen
-Stadt gehen, bummeln

Samstag oder Sonntag:
-2tes Mal Marinas Kleidung aussortieren,
-mit Kalle Essen gehen,
-Thomas besuchen,
-mit Wolfgang Fahrrad fahren, wenn das Wetter gut ist und möchte abends gerne mit ihm ein bisschen rausgehen
-für mich sein
-Roni besuchen
-...

Möchte ALLES machen, aber auch gar nichts.

Mal sehen, was ich davon geregelt kriege.
Irgendwie machen die Wochenenden Angst, andererseits freue ich mich drauf, habe viel Zeit, aber nicht genug!?
Was mache ich mit meiner Zeit?
Ich will Alles auf einmal!

5 Wochen bis zum Urlaub! FREU, freu!!!!

25.03.2006 Fensterputzen und Nagellack
Gestern habe ich die Fenster geputzt! (Erfolgserlebnis!). Leider regnet es heute, ich hätte gerne die Sonne ungehindert in die Wohnung strahlen lassen!
Marina und ich haben es meistens gemeinsam mit viel Spass gemacht, gestern habe ich es alleine gemacht.
Wie viele Situationen gibt es, die noch erleben muss, die mich an diesen Verlust erinnern?

Gestern abend haben meine Tochter Jule und ihre Mutter Marinas Kosmetikschrank ausgeräumt. Zuletzt war Marinas "aktueller" Schminkkoffer dran. Jule sagte: "Das ist der Nagellack, mit dem ich Marinas Fingernägel das letzte Mal lackierte habe, als sie es nicht mehr alleine konnte."

Ich konnte mich gut an diese Situation erinnern:

Die Ärzte hatten versucht, Marinas Darmverschluss zu operieren. Sie konnten aber wegen der heftigen Verwachsungen nichts tun und haben sie "wieder zu gemacht". Sie sagten, dass sie nichts mehr machen könnten und Marina bald sterben würde. Marina hatte von der OP und dem Tag davor nichts mitbekommen, da sie wegen der heftigen Schmerzen sehr viel Morphium bekommen hatte. Nach der OP war sie 2 Tage nicht ansprechbar. Als sie dann am 2. Tag langsam zu sich kam, fragte sie, was passiert sei. Ich sagte ihr, dass die Ärzte versucht hätten, sie zu operieren, dass es nicht gelungen ist und dass wir nur noch wenig Zeit miteinander haben würden. Sie fragte: „Muss ich jetzt sterben?“ Ich sagte: „Ja, die Ärzte können nicht mehr tun.“ Ihre Reaktion: „Scheisse!“ Dann haben wir erstmal gemeinsam geweint.
Marina wollte einen Spiegel, den ich ganz schnell besorgte. Sie nahm ihn und sagte:“ Ich sehe ja aus wie ein Elefant!“ und lachte (Sie hatte eine Magensonde gelegt bekommen und der Schlauch kam aus ihrer Nase). „ Und meine Augenbraunen sehen auch Scheisse aus. Die muss mir Jule morgen zupfen, und dann kann sie mir auch gleich die Fingernägel lackieren“.
Am anderen Morgen zupfte Jule ihr die Augenbraunen und lackierte ihr die Fingernägel mit dem Nagellack, den sie gestern abend in der Hand hielt.

Marina wird nie mehr diesen oder einen anderen Nagellack brauchen.

26.03.2006
Der Tag gestern lief dann doch noch ganz gut, obwohl "der Nagellack" noch nachhing.
Ich habe noch ein paar Blümchen für die Fensterbank gekauft, Auto gewaschen und war in der Stadt bummeln.
Abends war ich noch mit Kalle schön essen und auf ein Bier.

Heute Nachmittag startet die 2. "Kleidung-Aussortierung". Ich hoffe, es geht mir besser als letztes Mal.

Schade, dass es wieder regnet, hätte gerne noch einen Spaziergang bei Sonne gemacht.

21:30 Uhr

Die "Aussortier-Aktion" hat 4 Stunden gedauert, und wieder ist ein Teil von Marina weg. Es geht immer mehr von ihr! Auf der einen Seite bin ich froh, andererseits tut es weh!


Mache ich das Alles zu schnell? Muss ich mir damit mehr Zeit lassen?

Aber ich brauche den Platz, ich will Platz haben für mich! Warum tut das so weh! Hoffentlich hört das bald auf!
Ich will nicht mehr, dass es weh tut!


Heute habe ich mir erstmal "frei" genommen.


Liebe Grüße

Dieter
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