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Geliebter Schatz, auch wenn ich weiß, dass Du es nie mochtest, über Gefühle öffentlich zu reden, möchte ich hier und heute von Dir erzählen.
Als ich Dich kennen lernte, warst Du der bewunderte große Bruder meiner besten Freundin. Ich fand Dich mit meinen 17 Jahren gar nicht so aufregend, sondern dachte nur, hey, der Typ ist verheiratet, hat vier Kinder mit seiner Frau---gähn wie langweilig. Okay.
Ich machte dann Abi und wir sahen und oft bei Conny.
Dann hatte ich ne Zeit keinen Kontakt mit ihr und erfuhr dann, dass sich Deine Frau umgebracht hatte und Dich mit den kids alleine gelassen hatte. Du hast mir leid getan, aber ich war mitten im Studium und Beziehungskisten, Auswanderungsplänen und dachte mir nur, okay, der packt das schon irgendwie. Zwischendurch sahen wir uns immer mal und DU hast irgendeine Fazination auf mich ausgeübt und umgekehrt. Wir haben immer extrem geflirtet, aber passiert ist nichts, denn entweder hatte ich jemanden oder Du.
Irgendwann hatten wir beide keine Beziehung und sind dann öfter was trinken gegangen. Und irgendwann hast DU mich dann geküsst und oh boy ich habe Sterne funkeln gesehen. Da wusste ich, dass ist es, mit dem Typ willst Du alt werden.
DU hast mir dann gesagt, dass Du sterilisiert bist und ich teilte Dir mir, dass ich Kinder wollte und was hast Du gemacht. Du hast es rückgängig machen lassen und wir arbeiteten dann aufs Ziel Babys hin, was aber leider lange nicht klappte. Ich weiß, dass DU mir damit einen großen Liebesbeweis gegeben hast.
Du hast mir in den Examenszeiten geholfen und irgendwann verloren wir uns aus den Augen. Ich war mit der Erziehung Deiner großen Söhne vollkommen überfordert und auch mit Haushalt und so und DU hast mich da schon ein Stück alleine gelassen und hast Dir dann, um den Problemen und meiner Zickigkeit zu entgehen jemanden gesucht. Ich habe es aber nicht gemerkt, so gefangen war ich in meiner Welt.
Irgendwann habe ich auf die Kritik einer Freundin hin in mich hineingehört und wir fanden wieder zueinander. Kurz nach unserer Aussprache und Versöhnung wurde ich mit Victoria schwanger und dann kam 15 Monate später auch Belinda auf die Welt und alles war eigentlich perfekt.
Dann hast Du Dich irgendwann mit diesem Wichser selbständiggemacht, um Deine Altersversorgung zu regeln und er hat Dich, um Deine gesamten Ersparnisse gebracht. Bingo.. Danach wurdest Du irgendwie resigniert, langweilig, farblos und inaktiv. Ich habe versucht zu reden und Dich aufzumotzen, aber irgendwie passierte nichts und Du hast nur noch auf der Couch gelegen. Wolltest nicht mehr weggehen, nicht mehr in Urlaub fahren, nicht mehr reden, sondern nur noch Computerspielen und schlafen., Ich habe es nicht verstanden und mir dann halt jemanden gesucht, aber auch nicht für lange Zeit, denn irgendwie warst/bist Du doch der Beste gewesen. Irgendwie haben wir dann zueinander gefunden, obwohl ich Deine Inaktivität und Trägheit nicht nachvollziehen konnte.
Klar, jetzt weiß ich, es war dieser Scheiß-krebs, der Dich voll gelähmt hat und Dich so auszehrte.
Du und ich, wir haben es auf Dein Älterwerden geschoben und ich habe mir immer wieder gedacht, okay, hättest halt doch nicht so nen alten Mann heiraten sollen. Aber trotz allem warst Du liebevoll und immer für mich und die kids da….Und ich liebte/liebe Dich.
Dann die Diagnose und innerhalb von 10 Wochen warst Du tot.. Es ging so schnell und ich merke jeden Tag mehr, dass Du mir fehlst, dass DU mich so beschützt hast und dass DU das Beste in meinem Leben warst.
Klar, es war wohl auch zwangsläufig klar, dass sich all die Verletzungen in Deinem Leben auf die Seele und den Körper schlagen mussten.
Als Du 4 warst hat Deine Mama Deinen Vater verlassen und Deine Schwester mitgenommen. DU hast nichts mehr von ihnen gehört, bis Du 18 warst und zu Deiner Oma fahren konntest. Vorher hat es Dein Vater verhindert, der jeden Kontaktversuch unterbunden hat und auch die Briefe und Päckchen nicht an Dich weiterleitete sondern zurücksandte. Aber Deine Oma hat sie alle für Dich aufgehoben gehabt. Dein Vater hat Dich ob Deiner Ähnlichkeit mit Deiner Mutter mit der Hundeleine verprügelt und auch Deine Stiefmutter sorgte mit Ihrer „netten“ Art dafür, dass Du so schnell wie möglich von zu Hause weg wolltest. Deswegen bist Du dann zur See gefahren und warst mit 21 Jahren Bootsmann, der jüngste, den die URAG damals hatte. Darauf warst Du superstolz.
Dann lerntest DU Deine erste Frau kennen, die schon zwei Kinder hatte. Die hast Du adoptiert und bekamst mit ihr noch Deine beiden Söhne, die Dir sehr ähnlich sind und auf die Du auch sehr stolz bist. Nach ihrem Freitod ist wieder ein Stück von Dir, so wie damals beim Weggang Deiner Mutter gestorben, aber Du hast Dich um die kids gekümmert. Keines kam in ein Heim und alle haben Abi, ne Ausbildung und nen Job. Hey, das habe ich bewundert. Du hast immer weiter gemacht und Dich um alles gekümmert.
Nur Deine Gefühle hast Du nie rausgelassen. Wolltest Du auch nicht, außer bei mir und wir haben uns beide oft verletzt.
Versöhnlich stimmt mich an Deinem Tod, dass wir beide zusammen gefunden haben und dass Du gestorben bist in dem Bewusstsein, dass ich Dich liebe. Du hast mir soviel gegeben und ich denke ich Dir auch. Aber Schatz, ich weiß dass Du mit mir zusammen glücklich warst, aber Du bist so oft verletzt worden, dass wohl irgendwann Dein Körper nicht mehr konnte.
Schatz, Du warst/bist ein großartiger Mann und ich liebe Dich.
Deine Nina