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Alt 25.06.2007, 14:49
ani ani ist offline
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Standard AW: Die Einsamkeit

Hallo Wolfgang

Man sagt, "die Zeit heilt alle Wunden".... aber das glaube ich nicht mehr. Ich kann Dir gut nachfühlen. Ich vermisse meine Tochter. Sie fehlt, und fehlt und fehlt. Das ewige auf und ab.
Meine Tochter sagte mir in ihren letzten Tagen: "Geniesst euer Leben". Das klang fast wie ein Auftrag. Sie hat mit 18 erkannt, wie wertvoll das Leben ist. Unser aller Leben. In den ersten Monaten erschrak ich, wenn ich feststellte, dass es doch noch Dinge gibt, die ein Gefühl der Freude in mir auslösen können, hatte Angst, ich könnte sie dadurch mit der Zeit sogar vergessen...
Aber ich werde nie vergessen! Der Schmerz zeigt sich nicht mehr in so heftigen Ausbrüchen wie am Anfang, er ist bloss eine Schicht tiefer gerutscht. Für die Umgebung nicht mehr so offensichtlich...
Aber ich versuche, ihrem Wunsch gerecht zu werden, und das Leben wieder etwas zu geniessen. Sicherlich in einer anderen Form... dankbarer... bewusster. Mich wieder unter die Lebenden mischen, mich freuen, dass wenigstens mein Sohn noch da ist. Annehmen, wenn mein Partner mir was Gutes tun möchte. Ich sehe, wie meine Nächsten leiden, wenn ich mich ihrem Mitgefühl verschliesse. Ich habe kein schlechtes Gewissen mehr, mich an etwas zu erfreuen. Ich weiss, Sabrina hätte nicht gewollt, dass ich mich nur noch in der Trauer bewege. Sie hätte gewollt, dass ich meine Zeit nutze, welche mir noch bleibt, um mir und anderen Freude zu bereiten. Damit diese Zeit nicht nutzlos verstreicht. Auch unsere Tage sind schliesslich gezählt. Wer weiss schon, was wirklich geschieht, wenn wir sterben? Vielleicht warten sie ja tatsächlich auf uns? Und falls ja, möchte ich meinen Auftrag in der Zwischenzeit so gut wie möglich erledigen. Sie konnte nämlich sehr direkt sein, und ich würde von ihr nichts anderes erwarten. - Falls nicht, konnte ich vielleicht wenigsten jemand anderem meine Unterstützung zukommen lassen, und das ist doch auch was...

Wolfgang, ich wünsche Dir, dass du zur Lebensfreude zurück findest, weil sie uns fröhlich und zuversichtlich am meisten geliebt haben.

Ani
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