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Alt 28.10.2009, 12:27
A.J. A.J. ist offline
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Standard AW: Krebs als Chance

Hallo Anett,

seit ich in diesem Forum unterwegs bin, "stolper" ich immer wieder über den Thread Deines tapferen Ritters und seiner Burg. Er ist schwer zu lesen, beansprucht Kraft und berührt sehr. Aber die Berührungen sind für mich gesprochen nicht unangenehm oder abstoßend, sie sind einfach nur voller Wärme und Hoffnung.

Ich bin betroffener Sohnemann einer sehr liebenden Mutter und eines überaus liebenden Vaters. Hätte ich eine so prächtige Burg wie Dein geliebtes Kind, wären meine Eltern Burggraben, Wehrmauer und Burgfried in einem. Ich bin erwachsen, lebe ein eigenständiges Leben, bleibe aber immer in Reichweite der schützenden Burg. Jeden Tag kämpfe ich mit mir, wie weit ich meine Eltern mitnehmen kann. Wieviel Kampf ich ihnen aufbürden kann, weil ich die schöne Burg nicht beschädigt wissen will. Sie strahlt soviel Sicherheit aus, wie ein Fels in der Brandung weiß ich immer, wo ich Halt finde und dieser Halt ist die Basis meines Lebens. Schwäche ich die Burg, schwäche ich meine Eltern und letztlich auch mich.

Threads wie Deiner sind für mich eine Hilfe, eine Chance. Ich kann mir die Seite anschauen, in die ich mich nie hineinfühlen könnte. Einen klitzekleinen Einblick gewinnen und versuchen mich daran zu orientieren. Denn dies haben wir alle gemeinsam: Angehörige, Betroffene und Hinterbliebene. Wir sind orientierungslos, blind, in dieser sonst so stark strukturierten und reglementierten Welt.

Es gibt keinerlei Sinn in dem Tod Deines Ritters und auch nicht in meiner Erkrankung. Es gibt nichts daran zu verstehen, denn irgendwie "ist es einfach so". Auch wird kein Thread und keine Trauer jemals einem Verlust wie den Deines Ritters irgendeine Sinnhaftigkeit verleihen. Aber Du hilfst mir mit Deiner offenen Trauer, auch wenn es beschämend wirkt sich an Deinem Leid zu orientieren. Chancen können wir uns alle nur gegenseitig geben und dankbar dafür sein. Deine verlassene Burg liegt im Norden, das Schlachtfeld Deines Ritters davor. Die vielen anderen Burgen, Schlösser und Häuser säumen den Weg, Schlachtfelder gibt es so viele. Aber eben auch Licht. Denn Ritter hinterlassen Spuren und die die diese Spuren pflegen zeigen wo sie sind. Nicht jeder hat die gleichen Chancen, jeder verleiht seinen Belangen das meiste Gewicht, aber Dein Licht hilft mir täglich, meine Belange besser zu bewerten.

So taper ich also blind und orientierungslos umher und stoße mich an einem verloren gegangenem Schwert, hier und da an einem verbrauchten Schild, sehe irgendwo eine Burg und hoffe nur, irgend etwas richtig zu machen. Denn eines möchte ich niemals, die Burg meiner Eltern beschämen oder beschädigen. Manch eine Trauerleistung gibt mir die Hoffnung, dass ich nicht allzuviel kaputt machen kann, wieder andere zeigen eine heruntergebrannte Ruine, in der nie wieder etwas beherbergen wird. Was sich Dein Ritter gewünscht hat weißt Du bestimmt, ich auch, denn ich treffe jeden Tag die selbe Wahl. Da bin ich mir ausnahmsweise mal sicher, denn ich hatte und habe die Chance mehr zu sehen.

Um mehr geht es eigentlich nicht, wer die Chance hat, ist letztlich egal, auch ihre Wertigkeit. Wichtig ist, dass überhaupt welche da sind. Hättest Du die Chance gehabt Deinem Ritter die Last zu nehmen, seine Schlachten zu schlagen, hättest Du sie ergriffen. Ich habe die Chance die Schlacht für meine Burg zu schlagen, auch wenn ich sie mir nie gewünscht habe. Aber denke ich an die Burg aus der ich komme bin ich ein wenig stolz darauf. Meine Schwester und auch mein Bruder werden immer auf ihren Schutz vertrauen können, denn sie wird da sein. Sie können ihre Sicherheit nutzen. Das ich den Krieg wohl gewinne ist purer Zufall. Würde es anders ausgehen wäre ich nur froh, wenn ich auch solch ritteliche Spuren hinterlassen habe und meine Burg sie anständig pflegen, so wie Deine. Mit Stolz und Liebe, damit andere die Stärke und Sicherheit nutzen können, die mich so erfüllt hat und mir erlaubt, aufrecht durch die Schlacht zu ziehen. Die Fahne meiner Burg ganz oben.

Dein Ritter hat sehr schön beleuchtetet Spuren!
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Viele Grüße
Stefan
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