Einzelnen Beitrag anzeigen
  #7  
Alt 15.03.2002, 10:27
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Wer kann mir helfen?

Hallo, Ihr Lieben,
Heute morgen habe ich als Erstes ins Forum gesehen und mich über die neue "Post" von Karin und Birgit gefreut. Nun sitze ich mit meinem "Kaffeepott" hier und versuche meine Gedanken zu ordnen.Gestern abend habe ich schon mal einen halben Roman eingetippt, bin dann aber auf eine falsche Taste geraten und weg war alles. Den PC hat mir mein Mann noch kurz vor Bekanntwerden seiner Krankheit gekauft und ich noch kaum Zeit mich mit ihm richtig vertraut zu machen. Ich hatte immer gesagt, daß ich kein Internet brauche, aber mein Mann sagte damals, dann bist du nicht so allein wenn ich nicht da bin. Wie wahr das sein würde, ahnten wir Beide nicht, denn er meinte die Zeit wenn er auf Arbeit ist.

Ja, nun zu der Frage, warum habe ich keine Freunde?
Es gab auch mal eine andere Zeit, denn ich bin eigentlich sehr kontaktfreudig und lustig.
Meine Familie habe ich schon vor über 30Jahren wegen meinem Stiefvater verloren. Zu meiner 80jährigen Mutter habe ich nur hin und wieder telefonischen Kontakt. Meine Tochter ist kurz nach ihrer Geburt gestorben, aber das ist lange her und tut nicht mehr weh.

Freunde hatten wir früher ziemlich viele. Am Stadtrand von Dresden hatten wir ein großes Einfamilienhaus mit großem Garten. Außerdem hatte ich eine Hundezucht, woraus sich auch viele Freunschaften ergaben. Fast alle unsere Freunde wohnten mitten in der Stadt und kamen am Wochenende gern zu uns ins Grüne. Bei uns war es auch immer sehr lustig, da mein Mann sich immer etwas einfallen ließ. Da wir auch ein Gästezimmer hatten, brauchte niemand nach Hause fahren wenn wir gefeiert hatten.
Wir Beide hatten das große Glück, auch nach der Wende nicht arbeitslos zu sein. Deshalb fiel es uns auch nicht schwer, unsere Freunde auch in dieser Zeit einzuladen. Alles änderte sich, als im April 96 bei mir die Leukämie festgestellt wurde. Auf einmal gab es kaum noch Freunde. Nicht weil ich gejammert hätte oder Mitleid wollte. Im Gegenteil, ich sagte allen, noch lebe ich ja und gedenke dies auch noch einige Jahre zu tun. Offensichtlich kamen die Meisten damit nicht klar, sie wunderten sich darüber, daß ich trotzdem lachen konnte.
Allerdings war ich auf Anraten der Ärzte sofort in Rente gegangen. Das bedeutete auch für uns einen großen finanziellen Einschnitt. Bestimmte Großzügigkeiten konnten wir uns nun auch nicht mehr leisten. So war es im Sommer 96 schon recht einsam um uns geworden. Andererseits merkten wir, daß wir Beide uns auch genug waren. Wir bemühten uns nicht um neue "Freunde"
Als sich im Frühjahr 99 meine Krankheit doch verschlechterte, beschloß mein Mann mir zuliebe, unser Haus, in dem er aufgewachsen war, zu verkaufen. Ich konnte es kräftemäßig nicht mehr schaffen, alles in Ordnung zu halten.
Wir kauften uns von dem Erlös des Hauses ein kleineres Grundstück 40Km entfernt von Dresden und ließen darauf unser kleines Traumhaus bauen. Pfingsten 2000 konnten wir einziehen. Wir waren glücklich wie zwei Kinder. Nun wohnten wir mitten in einem kleinen Dorf, umgeben von Wäldern, Wiesen und Feldern. Bald hatten wir Hühner, Enten,Kaninchen und Katze zu unseren 3 Hunden angeschafft. Nette Nachbarn hatten wir auch, mit denen wir ab und zu mal feierten wie es eben auf dem Dorf üblich ist. Ansonsten blieben wir für uns, denn von "Freunden" hatten wir genug.
Immer waren wir davon ausgegangen, daß ich meinen Mann über kurz oder lang allein zurücklassen muß, obwohl ich 13 Jahre jünger war. Er war sehr traurig wenn wir doch mal auf das Thema zu sprechen kamen. Deshalb beschloß er, seine geliebte Arbeit bald aufzugeben, damit wir die uns verbleibende Zeit so intensiv wie möglich miteinander verbringen können. Seit September 2000 ging er in Altersteilzeit. So mußte er nur noch eine Woche um die andere arbeiten. Ab September diesen Jahres wäre er Rentner geworden...
Wir hatten für diese Zeit so viele Pläne. Meine Krankheit hatte sich in den letzten 2Jahren so stabilisiert, daß ich keine Chemozyklen mehr brauchte und nur monatlich zur Kontrolle mußte.
Bis am 13.11.01 durch die Diagnose unsere kleine, heile Welt völlig zerbrach.

Nun bin ich dabei unseren kleinen Traum zu verkaufen und habe mir zum 1.Mai eine Wohnung in Dresden gemietet. Wie ich den Umzug allein bewältigen soll, weiß ich allerdings noch nicht. Aber vielleicht fällt es mir dort leichter über alles hinwegzukommen. Alles hier erinnert mich auf Schritt und Tritt an meinen geliebten Mann. Ich will und werde ihn ja sowieso niemals vergessen, aber hier zerreißt es mich fast.
Eigentlich bin ich nicht hysterisch, aber ich habe es jetzt schon 2mal fertiggebracht, in Panik mit meinem Dackel ins Auto zu steigen und nach Dresden zu fahren. Dort habe ich in einem Hotel übernachtet, denn wo soll ich hin? Nur nicht abends allein in diesem Haus sein!

Ach, Ihr Lieben, Ihr habt selbst viel durchgemacht und seit damit noch nicht fertig. Aber wann hört dieser grausame Schmerz auf oder läßt wenigstens ein bisschen nach?
Ich will ja stark bleiben, schon weil mein Mann immer so stolz auf "seine starke Frau" war, aber es fällt von Tag zu Tag schwerer.
Essen mag ich fast nichts mehr, habe 19Kg abgenommen, worüber ich unter anderen Umständen froh gewesen wäre.Raucher bin ich schon immer, aber jetzt "qualme" ich wie ein Fabrikschlot.
Ich weiß einfach nicht mehr richtig weiter. Mir fehlt so sehr ein lieber Mensch zum anlehnen, wenn ich denke es geht nicht mehr!

So, nun habe ich genug gejammert. Laßt bitte bald von Euch hören, Ihr helft mir wirklich sehr damit.

Wer will, kann auch direkt an mich schreiben
Meine E-Mail: christiane.feustel@freenet.de

Ich umarme Euch. Bis bald

Christiane
Mit Zitat antworten