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Alt 18.05.2009, 19:19
Polyglotte Polyglotte ist offline
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Standard Puisque tu pars...

Liebe Brigitte,
fast ein halbes Jahr ist es nun her, dass ich Dir zuletzt hier geschrieben habe. Ich habe andere Wege gefunden, mit Dir zu sprechen und manchmal, vorsichtig, zaghaft, bilde ich mir ein, Du antwortest mir. Ich hoffe dem ist so. Ich brauche Dich, weißt Du?

Heute vor sechs Monaten bist Du von uns gegangen. Es scheint mir eine unfassbar lange Zeit und zugleich ein Bruchteil einer Sekunde. Ich war dem Frühling so böse - wie kann die Welt einfach ihren gewohnten Gang fortsetzen?? - bis Peter mir sagte, er täte ihm gut. Welchen Vorwurf kann ihm da noch machen? Etwas Wichtigeres als dass es denen gut geht, die Du liebst, kann es nicht geben.

Mit Peter habe ich vorgestern noch gesprochen. Weißt Du, wie lieb ich ihn habe? Doch, ich glaube das weißt Du, denn ich spüre Dich ganz nah bei uns, wenn wir uns sehen, von Dir erzählen. Im August werde ich wieder in Deutschland sein, werde ihn ganz fest in den Arm nehmen.

Ich wünschte so sehr, das könnten wir auch noch mal machen. Uns noch einmal so fest drücken wie wir es uns geschrieben und gesagt haben. Du fehlst so unendlich: Deine Stimme, Dein Humor, Deine Emails, die zu jeder Tageszeit (meistens morgens um fünf!) in meiner Inbox landeten, dieses Funkeln in Deinen Augen...

Und nun stehe ich vor der Klasse, komme mir klein und unbeholfen vor, weiß, dass die Schüler denken, ich habe als "Erwachsene" Ahnung vom Leben, merke zunehmend, dass ich nicht weiter weiß. Und es dennoch irgendwie klappt. Denn es muss ja weitergehen und ich möchte so gerne das an meine Schüler weitergeben, was ich von Dir gelernt habe. Pardonne-moi si je ne suis pas à la hauteur. J'essaierai d'y arriver, je te le promets.

Ich habe so viele Deiner Bücher gelesen in den letzten Wochen und Monaten. Bücher, die Du mir empfohlen hattest, Bücher, die Peter mir mitgegeben hat. Wie gerne hätte ich über so vieles noch mit Dir gesprochen. Ich kann es noch immer nicht wirklich glauben, dass Du, die diese Leidenschaft fürs Französische in mir hast gedeihen lassen, nun nicht mehr da bist, dass ich all das, was ich neu entdecke, nicht mit Dir teilen kann. Es kann nicht sein und es darf nicht sein. Aber es ist. Goldmans Worte treffen es genau:
Puisqu'il faut apprendre
A défaut de le comprendre
A rêver nos désirs et vivre des "ainsi-soit-il"


Ach Brigitte, ich höre dieses Lied und muss weinen. Ich vergrabe diese Traurigkeit so tief in mir, dass sie mich fast erschreckt, wenn sie wieder aus mir herausbricht. Ich widme sie Dir nun, diese Zeilen Goldmans, die mich schon immer berührt haben, wenn auch noch nie so wie heute. Denn niemand hat es besser als Du verstanden zu leben, diesem oft so ungerechten Leben in jeder Sekunde noch etwas abzugewinnen. Tu l'avais, cette force de penser que le plus beau reste à venir. Du hast mir oft gesagt, der Krebs sei hinterhältig. Und das ist er gewesen. Aber er soll nicht Recht behalten. Das, was Peter und Eure Söhne auf die Trauerkarte haben drucken lassen stimmt in jedem Augenblick: "Du bist nicht mehr da, wo Du warst, aber Du wirst immer da sein, wo wir sind."

Et loin de nos villes
Comme octobre l'est d'avril
Sache qu'ici reste de toi comme une empreinte indélébile


http://www.youtube.com/watch?v=n9lxHogrhe4

Je t'aime et je t'embrasse plus fort que jamais.
Sarah
__________________
Je t'aimais, je t'aime et je t'aimerai
http://www.youtube.com/watch?v=85lKsSCZm4k
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