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Alt 20.10.2013, 17:12
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Sternschnubbe Sternschnubbe ist offline
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Standard AW: Mami! Warum? Du fehlst mir!

Hallo liebe Forum-Leser,

auch wenn ich nun schon paar Einträge hier geschrieben habe. Vor einigen Tagen begann ich mit der gesamten Geschichte, aber wie ihr gleich sehen werdet, ist die trotz der „nur“ 4 Wochen sehr lang und habe somit paar Tage gebraucht, alles zusammen zu schreiben. Denn Tränen hielten mich ab. Aber ich wollte für interessierte Leser einfach einen zusammenhängenden Text über „meine“ Geschichte schreiben. Verzeiht mir die vielen Worte, aber ich sprudle nur so vor Worten und möchte der ganzen Welt mitteilen, was mit meiner Mama - meinem Ein und Alles – dem besten Menschen auf der Welt – geschah.

Meine Mama ist ein wunderbarer Mensch gewesen und sie war stark und immer für jeden da. Leider wurde sie im Sommer immer schwächer und wir fragten uns, warum? Die Hausärztin kam leider auch nicht gleich drauf, so dass weitere 2 Wochen vergingen (26.08.13) bis Mama ins Krankenhaus kam, wo dann Leukämie (AML) diagnostiziert wurde. Das war ein sehr großer Schock für uns und wir kamen die ersten Tage überhaupt nicht klar. Unsere Mama, der Beste Mensch der Welt kann so etwas doch gar nicht bekommen. Durch ein Gespräch mit dem behandelnden Oberarzt wurden uns unsere Ängste aber schnell genommen, so dass wir positiv nach vorne blickten und nur an das gute Ende glaubten und sehr viel Hoffnung hatten. Mama ging es auch innerhalb von Tagen besser.
Da ich eigentlich in Berlin wohne, wurde ich krankgeschrieben um bei meiner Mama in der Heimat zu sein. Selbst meinen Urlaub habe ich abgesagt um jeden Tag bei meiner Mami zu verbringen. Es war auch auf eine gewisse Art eine sehr schöne Zeit. Mama hat sich wohlgefühlt. Endlich war sie behütet und umsorgt, denn sonst war es ja ihre Aufgabe. Mama überstand die Chemo soweit gut, aber ihre Werte erholten sich nicht. Trotzdem machte Mama einen fitten Eindruck und sagte oft genug selbst, dass sie sich nicht krank fühle. Die Worte taten gut. Wir haben auch sehr viel gelacht und ganz viele Pläne geschmiedet für die Zeit, wenn sie wieder gesund ist. Sicherlich gab es auch schlechtere Tage, wo sie schwächer war. Aber in der Erinnerung bleibt ihr Lachen und ihr starker Wille! Sie sagte immer, dass sie 90 werden will und es auch wird!
Mama und Papa hatten am 16.9. ihren 35. Hochzeitstag und sie war so glücklich, denn auch die Liebe ist irgendwie neu entfacht.
Am nächsten Tag fing dann ihr Fieber an. Die Ärzte wussten nicht, wo es herkam und glaubten an die letzten Auswirkungen der Chemo. Sie bekamen das Fieber kurzfristig runter, doch leider stieg es immer wieder auf 39 und sogar 40 Grad Fieber.
Am Donnerstagabend hieß es dann plötzlich – zum Glück war ich da – dass Mama auf Intensivstation soll. Aber nur prophylaktisch. Also einmal ne Runde Nährstoffe und am nächsten Tag wieder auf Station zurück. Ich durfte sie nochmal auf ITS besuchen. Hier stellte sich leider schnell raus, dass es nicht nur bei einer Nacht bleibt, denn sie hatte eine kleine Lungenentzündung. Aber ich hatte mir keine Sorgen gemacht, denn mit solchen Komplikationen hatten wir ja irgendwie gerechnet.
Mama warf noch das Wort „Sepsis“ in den Raum. Zu dieser Zeit wusste ich aber nicht, was das heißt. Irgendwie hatte ich dann schon sehr viel Angst, wie Mama da wieder lag mit all den Schläuchen und auch der Beatmungsmaske, da sie eine schlechte Sauerstoffsättigung hatte. Aber da sich Mama sicher war, dass sie das schafft und so äußerte, glaubte ich an sie.
Am nächsten Morgen fuhr ich mit Papa ins Krankenhaus. Die Ärztin empfing uns mit den Worten: „Wir mussten sie ins künstliche Koma legen und es sieht schlecht aus!“. Ich musste sofort anfangen zu weinen. Aber ich dachte mir immer noch. Gut, dann machen sie Mama nun gesund. Im Koma konzentriert sich der Körper auf das Wichtigste: Gesund werden und nicht um Angst oder andere Gefühle. Es war schrecklich, wie Mama da mit den Maschinen lag und schlief. Ich bat dann um ein Gespräch mit dem Oberarzt. Das war um 12 Uhr. Hier wirkte er sehr bedrückt und wusste selbst nicht so ganz. Er war offensichtlich selbst vom Verlauf schockiert. Mama hatte eine schwere Sepsis. Vermutlich durch Darmbakterien verursacht. Und ohne Abwehr, kein Gegner! Lunge, Leber und Niere angegriffen. Wir bejahten noch am Leben erhaltende Maßnahmen, denn Mama wollte Leben! Er sagte, dass das Wochenende entscheidend ist, wenn sie es überlebt. Ich konnte nicht mehr und musste nur noch weinen. Aber ich glaubte an Mama und die Kraft ihres Willens.

Danach waren meine Schwester und ich allein bei ihr, denn meine Tante und Papa sind nach Hause. Wir wussten ja nicht, dass alles schnell geht. Es war so grausam in diesem Iso-Raum mit all den Geräten und dem Monitor. Da lag sie und schlief und irgendwie auch nicht. Meine Schwester saß auf der rechten Seite und hielt ihre Hand. Ich ging erst an die linke Seite, aber da von dort die ganzen Schläuche kamen, stellte ich mich ans Fußende und berührte ihren Fuß. Der war kalt, trotz dessen dass sie starkes Fieber hatte, aber das ist wohl so im Koma. Ach man, da lag sie also und wir starten auf den Monitor. Meine Schwester meinte immer wieder, dass der Blutdruck sinkt. Ich verneinte es. Aber es fiel mir auch so schwer, mir die Zahl zu merken um dann Minuten oder gar nur Sekunden später zu vergleichen. Im Nachhinein habe ich kein Zeitgefühl mehr. Irgendwann wurde mir dann aber doch klar, dass der Blutdruck sank. Er erreichte Werte, eigentlich hätte es mir klar sein müssen, dass es zu Ende geht. Aber ich bin ja kein Arzt und hatte sehr große Hoffnung. Also standen wir an ihrem Bett und haben uns unterhalten. Wir haben mit Mama gesprochen und auch miteinander über Mama. Wir sagten ihr, dass Lydi doch zwei Tage später Geburtstag hat und das schönste Geschenk wäre, wenn sie wieder wach wird!

Und zwischendurch war immer wieder dieses Piepen des Monitors. Meist war es dann die Sättigungsanzeige, die ein Fragezeichen zeigte. Ich dachte es läge an der Maschine, aber ich glaube es lag wirklich an der nicht vorhandenen Sauerstoffsättigung, weil einfach kein Blut ankam. Das muss man sich mal vorstellen. Da ist das vergiftete Blut – die Organe warten darauf, dass sie ernährt werden und stattdessen kommt dieses Blut mit Bakterien. Das fressen die Organe auch und auf einmal merken die Organe, dass sie damit nicht weiterarbeiten können und versagen. Damit auch die Lunge… und dann kann auch die Lunge kein Sauerstoff, trotz Beatmungsgerät nicht mehr geben bzw. nimmt das Blut einfach nicht genügend auf und am Ende der Kette steht das Fragezeichen auf dem Monitor. Das Fragezeichen, welches mir mit dem PIEP Angst und Schrecken und Panik einjagte.

Aber dann – ich erinnere mich verschwommen und doch klar und irgendwie auch nicht – ich weiß es nicht – ich höre nur noch mehrere Pieptöne des Monitors. Schaue nach draußen auf den Gang und warte auf Hilfe. Die Schwester guckt auch auf den Monitor und läuft den Gang nach links. Ich denke, sie holt einen Arzt. Aber es kommt keiner. Stattdessen schaue ich auf die Herzfrequenz. Die gesunde Kurve wird schwächer. Die Zahl daneben sinkt. Aufatmen, sie steigt kurz wieder. Nein, sie sinkt wieder. Sie sinkt weiter. Oh nein, die Zahl, wo eben noch eine 120 stand, da steht nun eine 90. Und ich renne, oder auch nicht, im Zimmer, auf und ab. Ich schaue nach draußen. Warte auf einen Arzt. Spreche mit meiner Schwester. Spreche zu Mama. Ich schreibe Mama an. Ich halte ihren Fuß nicht mehr. Mir wird kalt und heiß. Ich habe Angst. Mein Herz stockt…. Die Linie der Herzfrequenz ist gerade. Der Ton eintönig. Kurz vorher ist so ein Spucken von Mama, bzw. des Beatmungsgeräts erkennbar. Und dann die Frage im Kopf: „Sie ist doch nicht? Sie ist doch nicht? Nein, sie kann doch nicht?“, “Wann fängt die Scheiß-Linie wieder an Kurven zu schlagen?“… und die Schwester kommt rein und meinte nur „Sie haben ja gesehen, was passiert ist!“. Ich habe nur noch geschrien, gebrüllt, MAMA gerufen, NEIN… ich schmiss mich auf den Boden, ich brach in mich zusammen!

Da war nun das Unfassbare, das NIE Vorstellbare, das Unbegreifliche geschehen. Mama’s Herz, das doch eigentlich als stark und unverwundbar galt, hörte in dem Moment einfach auf zu schlagen. Sie verließ einfach die Erde und stieg als Engel auf. Weißt du Mama, dass die Sonne schien und es zugleich regnete. Irgendwo gab es deine Himmelsleiter – ein Regenbogen, der dich nach oben begleitete. Aber Mama, wieso bist du überhaupt ins Licht?

Immer wieder frage ich mich, warum? Einfach nur warum? Warum bist du gegangen? Warum konntest du nicht einfach bleiben? Warum waren unsere Worte, mein Flehen nicht stark genug? Warum? Tausendmal WARUM???

Mama, ich vermisse dich so unendlich sehr. Komm doch bitte wieder!
Heute bist du nun genau einen Monat nicht mehr unter uns und es kommt mir vor, als war deine Diagnose vorgestern und gestern bist du ins Licht. Die Welt steht quer, bitte hilf mir doch!!!

Zum Abschied noch ein Lied für dich Mama - http://www.youtube.com/watch?v=YsBJ3...rpYwoTgnMf3Scj ... ich finde es sehr schönes und passendes Lied. Und ich hoffe wir werden uns wiedersehen....

Ich habe dich so unendlich lieb und bin so unendlich traurig
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Die Trauer hört niemals auf,
sie wird ein Teil unseres Lebens.
Sie verändert sich und wir verändern uns mit ihr.


Mami
am 06.02.1958 geb.
Diagnose Leukämie: am 26.08.2013
ein Engel seit dem 20.09.2013

Papi
am 06.03.1956 geb.
tödlich verunglückt und
ein Engel seit dem 03.02.2014

Ihr fehlt mir

Geändert von Sternschnubbe (20.10.2013 um 17:14 Uhr)
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