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Alt 09.02.2012, 15:32
susaloh susaloh ist offline
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Standard AW: spielt euere Prognose bei der weiteren Lebensplanung wirklich keine Rolle?

Liebes Frollein,
erstmal: den Spruch "Wenn es eine schafft, den Krebs zu besiegen, dann du", möchte ich noch erwähnen, mag ich überhaupt nicht. Dabei wird so getan, mangels besseren Wissens, als hätten wir alle die gleichen Ausgangsbedingungen. Das wäre fast, als wollte man sagen, "Wenn einer es schafft, diesen Autounfall zu überleben" ... Was für eine Verantwortlichkeit wird uns da zu geschoben. Es gibt schließlich auch sowas wie persönliches Pech, wenn man z.B. so einen heimtückischen, schwer zu diagnostizierenden BK hat wie ich, der so oft erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt werden kann.

Ich wollte aber eigentlich sagen, dass ich deinen Beitrag auch sehr schön und zutreffend finde.
Ich glaube auch, man muss den Hang sich zu vergleichen, überwinden lernen. Ich meine jetzt mit Einzelpersonen im Alltag, nicht in solchen theoretischen Diskussionen wie dieser hier. Denn Vergleichen macht nicht glücklich, wie Suze schon sagt, das stimmt einfach.

Ansonsten hat jeder Mensch wohl seine persönliche Meinung und seinen persönlichen "Reife"grad, der ja, wie man bei dir sieht, Frollein, einfach auch schicksalsabhängig ist, also ob man z.B. schon mit 9 Jahren gezwungen ist, bestimmte Dinge akzeptieren zu lernen. Das hat alles Vor- und Nachteile....Und an sich selbst zu reifen, heißt doch auch, sich über die mangelnde Reife anderer Leute nicht zu sehr aufzuregen und dadurch zuviel Energie wegfließen zu lassen, wie du so schön sagst. Das will ich mir mal merken, für wenn ich mich mal wieder über irgendeinen Schxxxx aufrege!

Um aber doch noch mal ganz allgemein zu vergleichen: Ich sehe, zumindest bei mir selbst, einen Riesenunterschied zwischen meiner Lebensperspektive nach der Erstdiagnose, als ich doch immer noch mit 70% Heilung rechnen durfte, und der Situation jetzt mit Metas. Natürlich verliert man bei der Erstdiagnose seine Unbeschwertheit bis zu einem gewissen Grad, setzt sich mit der Endlichkeit seines Seins auseinander, etc. Aber, wenn man Glück hat, findet man mit der Zeit zum Teil dahin zurück, man kann ja doch sehr hoffen, nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein.

Bei der Diagnose von Metastasen ist es aber ganz anders: Nur bei 1% gibt es da noch Heilung, da muss man schon sehr optimistisch sein. Verdrängen liegt mir dabei leider!!! gar nicht, und so hat mich dieser plötzliche Perspektivwechsel auf mein ganzes Leben fast ein Jahr großen Schmerzes und Trauerarbeit gekostet. Die Trauer um meine Aussichten meine Enkelkinder kennen zu lernen, die Trauer, dass meine Kinder doch mit so hoher Sicherheit in noch jungen Jahren keine Mutter mehr haben werden, an die sie sich wenden können, die Trauer um meinen Mann, der alleine zurück bleiben wird, um all die schönen Dinge und Abenteuer, die wir geplant oder einfach so im Hinterkopf hatten, für später. Und die Trauer einfach um mich selbst, das völlig veränderte Bild meiner Zukunft, dassich von mir erstmal bekommen und verarbeiten musste.

Inzwischen habe ich diesen Perspektivwechsel so halbwegs vollzogen, obwohl es bestimmt immer noch schmerzhafte Schritte geben wird, aber in der jetzigen Situation tut es wenigstens nicht mehr pausenlos weh.

Darüber hinaus stelle ich bei mir persönlich gegenüber den weniger Betroffenen und anderen Menschen oft eine große Zeitknappheit fest, einen starken Drang, schneller zu leben, intensiver. Vielleicht stehe ich damit eher alleine? Ich habe z.B. keine Zeit für eine gemütliche Erholung wie nach der ersten Erkrankung. Darum arbeite ich ja jetzt z.B. während der Chemo, ich will einfach keinen Tag verlieren, an dem ich noch dazugehören und mitmischen kann. Oder auch vor der Chemo, da brauchte ich gar nicht mehr soviel Selbstdisziplin z.B. zum Joggen. Mir war immer klar, es kann jeden Moment damit - für immer! - vorbei sein, also bin ich Joggen gegangen und habe es jedes einzelne Mal genossen. Auch Entscheidungen treffe ich jetzt prompter, ich will alles JETZT.....

Ist das verständlich?

Ergänzung: Line 78, dein berührender Beitrag hat sich mit meinem überschnitten - Deine Mutter war eine Heldin!

Geändert von susaloh (09.02.2012 um 15:39 Uhr)
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