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Alt 13.09.2002, 08:06
Gast
 
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Standard Angst und Neid

Hi Frank,
ich glaube, da ist alles da, also Angst, Hilflosigkeit und Neid.
Ich schreib Dir mal so meine Gedanken dazu auf, okay?
Also Angst erst mal haben wohl alle. Angst UM Rene. Angst VOR der Krankheit und was sie alles anstellen kann. Angst davor, selber krank zu werden. Angst davor, vielleicht nicht alles "richtig" zu machen. Angst vor dem Helfen, weil man nicht weiss WIE ...
Die Hilflosigkeit unterstützt noch diese ganze Angst.
Und dann kommt eben der Neid. Der Neid auf Renes Situation (nicht seine Krankheit), dass er nun im Mittelpunkt steht. Dass er nun plötzlich das Recht zu haben scheint, verwöhnt und umsorgt zu werden. Und dann vielleicht noch der Neid auf DICH, Deine Frau, Deine Ma, ... da Ihr doch anscheinend einfach REAGIERT, HANDELT und alles richtig zu machen scheint. Aber SO richtig macht Ihr es vielleicht in den Augen Deiner Brüder DOCH nicht, denn vielleicht tut Ihr ZU VIEL für Rene. Also bringen sie eigene Vorschläge (zur Behandlung) - sie wollen ja AUCH helfen, sie sind ja keine Unmenschen - aber da DU, Deine Frau, Deine Ma das "Zepter" schon in die Hand genommen habt, ... bleibt ihnen - in ihrer eigenen Hilflosigkeit - eigentlich gar nichts anderes mehr übrig als "bloss" noch Vorschläge zu bringen!

Hm, kann es sein, dass Rene vielleicht von Eurer Ma schon immer ein bisschen bevorzugt wurde? Damit meine ich, bevorzugt "bemuttert"? Weil Rene ja, wie Du mal erwähnt hast, schon vorher so eine EGAL-Einstellung hatte?
Sowas könnte da nämlich in der jetzigen Situation schon zu mehr Neid führen. Naja, diesen typischen Geschwister-Neid eben.

Aber wenn ich Deine Zeilen so lese, kommt mir nämlich auch noch die folgende Idee, Frank. Was hältst Du davon, wenn Ihr eine "Aufgaben-Aufteilung" innerhalb der Familie plant und genau so durchführt? Stell die Frage in die Runde: "Was will und kann jeder einzelne von Euch tun, um Rene zu helfen? Macht Eure Vorschläge!"
Naja, vielleicht ist der eine Bruder ein "Hirsch" im recherchieren von Behandlungsmethoden? Vielleicht ist der andere Bruder mehr gewandt im Telefonieren, im verbalen Kommunizieren? Und vielleicht ist der dritte eher "bloss" der Bastler der Familie, der aber für Rene wahnsinnig gerne eine Überraschung bastelt, ihm somit eine Freude bereiten kann?
Jeder hat ja so seine Stärken, aber so hätte jeder auch das Gefühl, gebraucht zu werden, etwas Richtiges zu tun, ... und für Neid bleibt dann nicht mehr so viel Zeit übrig.
Und so gesehen bekommst auch Du und Deine "kleine Familie" nicht so den Eindruck, alles alleine machen zu müssen. Mit der Zeit wird das nämlich bestimmt sehr belastend. Ich finde, das kannst Du Deinen Brüdern schon zugestehen.

Ah ja, und vielleicht kannst Du sie, falls sie wieder mal mit "Krankheits-Vergleichen" kommen (wie zum Beispiel wegen dem Kalziummangel, und dass sich DARUM auch keiner in der Familie kümmert), direkt mit der Frage konfrontieren:
"Sag mal, bist Du etwa neidisch auf Renes Krankheit?" oder "Willst Du Deinen Kalziummangel etwa mit Renes Krankheit vergleichen? Willst du mit ihm tauschen?"
Mach es ihnen "bewusst", dass es ihnen doch eigentlich GUT geht. Immer wieder.

Ich als Krebsbetroffene bin immer ganz sprachlos, wenn mir Leute von IHREN Krankheiten erzählen, nachdem ich ihnen von meinem Krebs erzählt habe. Da wird sogar ein Hühnerauge zum absoluten Renner, und macht meinen Krebs zur harmlosesten Krankheit!
Zudem fühlt man sich als Krebsbetroffener dann überhaupt nicht mehr ernst genommen. Das "Ernst-nehmen" ist aber ein ganz wichtiger Punkt.

Ich bin mir nicht so sicher, ob Rene WIRKLICH alles so egal ist. Vielleicht will er nur stark sein, stark wirken vor seiner Familie. Damit er Euch nicht so belastet. Damit Ihr Euch nicht solche Sorgen macht. Weil er eben weiss, wie es in der Familie so läuft.

Was meinst Du so zu meinen Gedanken, Frank?
Muss jetzt leider los, hab selber noch einen Arzttermin! Bis dann, ja?
Liebe Grüssli
von Brigitte
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