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Alt 13.06.2008, 03:00
hadsi hadsi ist offline
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Registriert seit: 28.05.2008
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Standard AW: Hochdosischemo mit Ifosfamid..

1

Ich stehe auf dem oberen Deck des Schiffs und blicke hinaus auf das Meer.
Wir sind schon weit hinausgefahren, es ist kein Land in Sicht, keine Insel, kein Fels, nur Wasser und der Himmel. Es ist still um mich herum.
Das Meer ist wunderschön, es erstaunt mich aufs Neue. Wenn ich das Meer sehe denke ich oft an den Tod. Ich denke darüber nach wie es wohl ist hier draussen zu sterben und ob es ein guter Tod ist. Umgeben von nichts außer dieser unüberschaubaren Masse salzigem Wassers. Ein guter Tod, ja, mit Sicherheit kein leichter Tod, aber ein guter. Ein hart erkämpfter. Ich stelle mir vor wie ich es einige Zeit aushalte und noch zu hoffen wage gerettet zu werden. Wie es ist in der ersten Nacht, wenn am Himmel keine Wolke ist und ich über mir ein weiteres Meer sehe, voll von Sternen. Wie ich versuche kein Wasser zu trinken und in der Dämmerung wieder auf Rettung hoffe. Ich stelle mir vor mich in mein Schicksal zu fügen einfach aufzuhören und mich sinken zu lassen, kurz, um dann mit aller Macht dem Wunsch nach Leben nachzugeben in aller Panik, unkontrollierbar. So stelle ich mir den ersten Tag vor, an dem ich versuchen werde an Land zu schwimmen.
Dann kommt die zweite Nacht. Sie ist nicht so still wie die erste, ein Sturm zieht auf, mit Wellen die meterhoch sich auftürmen und die Angst die mich umgibt, denn da sind keine Sterne mehr am Himmel. Ich fühle mich furchtbar hilflos und das bin ich, denn ich bin sehr klein und trinke nun auch von dem Wasser. Was sollte ich auch tun. Ich spüre meine Erleichterung als der Sturm weiterzieht und die Sterne wieder am Himmel zu sehen sind, ich höre mich reden und beklagen das ich viel weiter vom Land enfernt bin als zuvor. Von welchem Land? Hier ist nichts.
Am Tage gebe ich ein erstes Mal auf. Ich trinke begierig, der Hunger ist nicht so schlimm, aber dieser schreckliche Durst. Ich trinke und trinke und übergebe mich, und ich trinke weiter. Ich versinke immer wieder und will mich sinken lassen, aber ich kann es nicht, so schwach bin ich. Die Sonne kann sehr heiß sein hier draussen. Dann verliere ich mein Gefühl für die Zeit, ganz plötzlich, ich weiß den Tag nicht mehr. Die Halluzinationen fangen an. Und ich glaube ab hier wird es leichter.
Ab hier muss ich mich nicht mehr bemühen. Irgendwann werde ich ein letztes Mal untergehen und das Bewusstsein verlieren, das ist der Trick. So trickse ich meinen Körper aus.
Ja, ich denke das ist ein guter Tod. Kein leichter, aber ein guter. Ich hätte ihn mir ehrlich verdient. Ich schaue weiter aufs Meer hinaus und beginne zu ahnen was diese Erleichterung ist die mich erfüllt, die mich so erregt und verwirrt. Die Erkenntnis der Bedeutungslosigkeit, der eigenen, der eines jeden anderen angesichts dieser Unendlichkeit, sie ist es die eine Last von mir nimmt. Kein Glaube mehr, keine Verpflichtung mehr bedeutsam zu sein, außergewöhnlich. Fast lacht das Meer mich an, mit nicht zu wenig Hohn in diesem Lachen. Schau an, sagt es, er hat es verstanden. Wer auch immer du warst, oder meintest zu sein, komm in meine Arme. Ich zeige dir deinen Platz.
Ich gehe zur Reling. Das Schiff ist sehr groß, ich bin hoch über der Wasseroberfläche. Mich ängstigt die Höhe, ich halte mich an ds Geländer geklammert. Ich wage einen Blick hinüber und schaue mir die Gischt an die von den Seiten schäumt. Vom Heck des Schiffs kommen Geräusche, der große Kran der sich dort befindet scheint seine Arbeit aufgenommen zu haben. Ich laufe zum hinteren Teil des Decks von wo aus ich das Heck sehen kann. Es ist wirklich der Kran.
Er läßt einen Sarg hinab ins Wasser, einen mit Löchern durch die das Wasser eindringen soll damit er nicht zu lange oben schwimmt, damit der Verwesung einhalt geboten werden kann.
Auf den Sarg ist ein Name graviert und ich lese ihn und mich überkommt tiefe Traurigkeit.


2

Ich erwache schweißgebadet und in vollkommener Dunkelheit. Das atmen fällt mir schwer. Ich habe meine Decke auf dem Gesicht, sie ist ebenfalls naß, daher kommt ihr plötzliches Gewicht. Sie schmeckt nach Salz und Tang und nach Meer. Moment. Ich öffne die Augen und sehe nichts, die Welt liegt da in völliger Dunkelheit. Ich bin nicht in meiner Kabine, ich liege auf Deck und ein Schwall Wasser folgt dem nächsten und klatscht auf mein Gesicht, auf meinen Mund. Es ist kalt. Ich richte mich auf und presse mich in eine Ecke und hoffe nicht von Bord gespült zu werden.
Ein Sturm tobt und das Schiff schwankt fürchterlich, aber ich spüre keine Angst. Es kracht und donnert und der Wind heult, aber ich spüre keine Angst. Nur Kälte und unheimliche Leere. Die Schwärze ist vollkommen.
Würde nun sich ein Meeresgott mit feuriger Krone erheben um über mich zu richten, wer könnte es ihm verdenken. Fast wünsche ich es mir.
Ich bin allein. Ich kauere in totaler Finsternis und um mich herum versinkt die Welt, und ich spüre das Gewicht der Schuld auf meinen Schultern. Würde er nur kommen um über mich zu Gerichte sitzen.
Ein lautes Donnern ertönt gefolgt von einem Krachen, und ich ahne das er wirklich kommt. Ich ahne das er auf mich herabsieht und mit seiner Faust ausholt zum Schlag. Ich ahne es, ich sehe es nicht, und dann spüre ich es, wie sie mich trifft, und eine Dunkelheit weicht der nächsten.

Als ich meine Augen wieder öffne ist er bereits Tag und die Sonne steht im Zenit. Ich liege auf dem Deck, nackt, in einer großen Lache von frischem Blut. Ich betaste meinen Schädel und bin nicht verletzt. Es ist nicht mein Blut. Keines aus meinem Körper.
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