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Alt 16.03.2007, 23:55
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spectatres spectatres ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

hm...ich finde die Gemeinsamkeiten zwischen euren Berichten und dem was ich vom Sterben meiner Mama sagen kann sehr groß.

Es ist jetzt schon fast 6 Jahre her aber trotzdem noch sehr präsent. Es waren unglaubliche Monate, voller Verzweiflung und Hoffnung. Am schlimmsten war für mich diese absolute Hilflosigkeit.

Meine Mutter hatte Magenkrebs, genauer gesagt, ein Siegelringkazinom und Krukenberg Tumor am Eierstock.

Etwa 14 Tage bevor sie gestorben ist hatte sie eine Kriese, wo ihr Hausarzt zu uns meinte, sie würde an jenem Wochenende sterben. Sie hatte hohes Fieber, ihr Puls raste, sie schwitzte stark und war nicht ansprechbar. (Sie hat überhaupt in den lezten Wochen viel geschlafen und schien in einer anderen Welt zu sein) Ich saß zusammen mit einer Dame von einem ambulanten Hospizdienst an ihrem Bett, den ganzen Nachmittag und hab sie gestreichelt. Ich hatte so eine Schei... Angst vor dem Moment des Sterbens. Ich fragte mich auch ständig, woran sie eigentlich sterben würde? Ersticken? Organversagen? Niemand konnte mir das sagen. Gegen Abend aufeinmal wurde sie ruhiger, die Atmung wurde wieder regelmäßiger und plötzlich war sie wieder wach und auch ansprechbar. Nur: unendlich traurig. Diese Kriese war erst mal überstanden.
Ca eine Woche vor ihrem Tod, sie war wieder in so einem komischen komatösen Zustand und konnte u. a. auch nicht aufstehen und zur Tolette gehen, weshalb der Arzt ihr einen Blasenkatheter gelegt hat. Als sie wieder aufwachte war sie darüber total sauer und aufgebracht. Ich war total baff, woher sie aufeinmal die Energie nahm. Sie ist allein aufgestanden und lief schimpfend auf uns in der Wohnung umher. Sie empfand die Situation als entwürdigend und entmündigend. Ich konnte damit überhaupt nicht umgehen und musste mich erst mal 5 min in den Garten verziehen. Als ich wieder nach oben kam, saß meine Mum mit meiner Schwester auf dem Sofa und hat Kartoffeln geschält!! Die Frau, die lt. Hausarzt schon vor über einer Woche hätte sterben sollen saß da und schälte Karoffeln!! Es war wohl das sogenannte Aufbäumen vor dem Sterben.
Kurz danach ging es ihr sehr schlecht. Sie hat angefangen Stuhlgang zu erbrechen und das ungefähr jede Stunde. 5 Tage vor ihrem Tod, an einem Donnerstag, kam sie in ein Hospiz. Dorte wurde erst mal die künstliche Ernährung eingestellt, was dann sehr schnell eine Verbesserung des Allgemeinzustandes brachte, da sie nicht ständig erbrechen musste. Auch wurden die Medikamente entsprechend eingestellt. Ich war die ganze zeit bei ihr, durfte sogar in ihrem zimmer schlafen. Tagsüber habe ich vorgelesen und Geschichten erzählt und dabei ihre Hand gehalten. Sie gestreichelt. Ich wollte ihr das Gefühl geben, das sie nicht allein ist. Manchmal, wenn sie nicht schlief saß sie im Bett und schaute an einen bestimmten Punkt im Garten. Als würde sie da etwas unglaublich interessantes sehen. Am Sonntag vor Ihrem Tod war unglaublich schönes Wetter. Wir saßen alle zusammen im Garten des Hospiz. (Meine Schwester, Mein Freund, meine Tante, ihr Mann und ich) Meine Mama lag zwischen uns ich hielt ihre Hand und habe ihr ab und an gefrohrenen Fruchtsaft gefüttert. Das schien ihr sehr gut zu tun. Was mir nicht gefiehl war diese Unruhe an ihr. sie hatte so Zuckungen im Gesicht und sah so aus als wollte sie etws sagen und hat manchmal auch versucht zu sprechen. Wenn ich nur wüsste was sie sagen wollte.
Auf die Reise gegangen ist meine Mama dann ganz allein. Am Montag Morgen ist sie gegangen, es passt irgendwie zu ihr das sie das allein gemacht hat. Wahrscheinlich wollte sie uns mal wieder schonen. Die Schwester rief mich Montag Morgen seher früh an, es könne sein, das meine Mum jetzt bald geht. Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, da erhielt ich den Anruf das sie gestorben ist.
Die Schwester die bei ihr war erzählte mir, das sie im Bett saß, kurz vorher Mama Mama gesagt und sich dann hingelgt hat und aufgehört hätte zu atmen. Mir gefällt die Vorstellung das meine Mama von ihrer Mama abgeholt wurde und das sie deshalb Mama gesagt hat.
Als ich sie dann gesehen habe, sah sie sehr ruhig und friedlich aus, was ich sehr beruhigend fand.
Schade das ich nicht bei ihr war, aber wahrscheinlich wollte sie es so.
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