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Alt 23.02.2007, 00:06
Benutzerbild von carola1972
carola1972 carola1972 ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Auch ich weiß, wie hart die Zeit des Sterbeprozesses ist. Ich habe meinen Vater intensiv seit dem Spätsommer 2006 täglich betreut und gepflegt. Mein Vater hat täglich um eine Genesung gebetet. Aber ich bin sicher, er wußte ganz genau, dass der Tag X nicht mehr weit entfernt ist.

Im November ist er zum letzten Mal ins Krankenhaus gekommen. Mein Vater hatte 40 Fieber und eine starke Lungenentzündung bekommen. Der behandelnde Arzt meinte, dass es sich nur noch um Tage oder Stunden drehen würde. Mein Vater hat aber mit den letzten Reserven die er hatte hart gekämpft.

Wir wurden gefragt, ob Papa im Krankenhaus oder zuhause sterben sollte. Wir alle hatten uns einheitlich für zuhause entschieden. Gott sei Dank, hatten wir alle erdenkliche Hilfe geboten bekommen. Von seiten des Hausarztes, Krankenkasse aber auch vom Pflegedienst, die vier bis fünf mal am Tag gekommen waren. Mein Papa war so unendlich Dankbar. Okay es schämte sich sehr, von seiner Tochter die Windel gewechselt zu bekommen. Für mich war es sicher auch am Anfang unangenehm. Aber ich wußte zu diesem Moment das es richtig war, dies zu tun. Wir alle haben versucht ihm dies letzten Tage bzw. Wochen so schön wie nur möglich zu gestalten. Wir haben ihm alles gebracht was er wollte. Das Weihnachtsfest, was uns klar war, dass es sein letzter sein wird, wurde mit viel Liebe organisiert. Papa hatte immer seinen künstlichen Tannenbaum mit viel Liebe aufgebaut. Ihm war dieser Glanz immer superwichtig. Also haben wir Kinder ihm in diesem Jahr eine echte Nordmanntanne aufgestellt. Dann ging es ans aufbauen. Klar jedes Kind weiß, wie ein Tannenbaum geschmückt wird. Aber nein, ich habe meinen Papa in diese Arbeit mit einbezogen, sodaß er sagte konnte, dass es geholfen hatte. Paps war so stolz...Ohja das war er.

Ab Silvester wurde es kontinuierlich immer schlechter. Papa hatte sich sehr vom Wesen her verändert. Was aufjedenfall auf seinen Hirntumor zurückzuführen ist. Es wurde sehr aggressiv und vorallem fühlte er sich von allen und jedem betrogen. Es war leider zum Schluss so schlimm, sodaß wir ihn Medikamentös ruhig stellen mussten. Es ging leider nicht anders.

Die letzten Tage hat er nur geschlafen. Kurzzeitig war er zwar wach, von den Augen her, aber trotzdem schlief er. Zumindestens hatte ich diesen Eindruck. Mein Paps verweigerte eine Woche vor seinem Sterben sämtlich Medikamente. Ich sagte ihm zwar, dass er dann schneller sterben wird, aber ich glaube ihn interessierte dies nicht mehr. Oder er hat mich nicht ernst genommen. In meiner Verzweifelung fragte ich den Arzt was ich tun sollte. Schließlich war ich täglich für seine Medi`s verantwortlich. Also lag dies in meiner Hand. Der Arzt meinte, dass wir den Papa endlich gehen lassen sollten. Das alles andere ihn nur quälen würde. Glaubt mir, mir ist es so schwer gefallen, zu wissen, dass ich seinen Tod beschleunige, indem ich seinen Wunsch respektiere. Also eine superschwere Last lag auf meinen Schultern. Das einzige was ich für ihn tun konnte, war es seine Schmerzen zu nehmen. So bekam er von mir sein Fentanyl-Plaster und bei Bedarf seine Morphin-Spritze. Ich glaube, dass das Morphin letztendlich ihn so fertig gemacht hat.

Zwei Tage vor meinem Papa seinem Tod kam Mutti ins Krankenhaus mit Verdacht auf einen Herzinfakt. Nun galt es schnell eine Lösung zu finden. Da ich alleinerziehende Mama bin, war es mir leider nicht möglich Tag und Nacht zu bleiben. Also hatten wir mit dem Pflegedienst vereinbart, dass sie ihn aufgrund der Situation 24 h pflegen. Und ich halt immer dazu komme. Am Mittwochabend, also der abend vor seinem Tod war ich nochmal bei meinem Paps, dies war das letzte Mal, dass ich ihn Lebend gesehen habe. Paps war in einem dellirium Zustand. Er hat mich nicht wahrgenommen. Und trotzdem nahm ich seinen Rosenkranz und betete für ihn, mit ihm. Auch wenn er im schlafzustand war. Ich glaube, er hat meine Worte sehr wohl gehört. Ich sagte in meinem Gebet: Lieber Gott, hilf meinem Papa loslassen zu können. Er hat es verdient.

Mir sind diese Worte so unendlich schwer gefallen. Hey ich bat darum, dass mein Papa stirbt. Ich seine Tochter. Klar im Herzen wollte ich ihn behalten. Mein Verstand sagte mir aber etwas anderes. Der Tag X war nun da. Und ich nicht bei ihm. Den Vormittag hatte ich genutzt, um Reserve für seine Pflegemittel zu besorgen. Also war ich erst beim Hausarzt und dann in der Apotheke. Und irgendwie wußte ich mein Papa stirbt gerade heute. Ich wußte es ganz genau. Ich sagte sogar dem Apotheker, dass ich nicht wüßte, ob wir all dies überhaut noch bräuchten. Kaum gesagt klingelte mein Handy. Meine Schwester war dran. Sie weinte, und sagte, Caro Paps ist gestorben. Ich war geschockt, obwohl ich doch wußte dass es passieren wird. Also rannte ich so schnell ich konnte zu ihm. Paps, war noch warm. Er sah sehr friedlich aus. Als ob er nur schlafen würde. Aber er atmete nicht mehr. Er war weg, obwohl seine Hülle, sein Körper noch in seinem Pflegebett lag. Ich war so böse mit ihm. Ich hatte ihm immer gesagt, dass ich bei ihm sein werde. Aber er hat nicht gewartet. Offensichtlich hatte er gewartet bis keiner, absolut keiner im Raum war, um endlich gehen zu können.

Noch immer, und mittlerweile ist Paps seit fast 6 Wochen Tod, quält es mich, dass ich ihn vielleicht noch einpaar Tage länger hätte Leben lassen können, wenn ich darauf bestanden hätte, dass er seine Medi`s nimmt. War es falsch von mir??? Irgendwie habe ich zugesehen, ohne was zu verhindert, dass Papa stirbt. Meine Geschwister waren in der Beziehung zu feige, diese Verantwortung zu übernehmen. Also musste ich es übernehmen. Warum fühlt es sich so beschissen für mich an. Ich weiß der Krebs hat ihn getötet, aber warum fühle ich mich für seinen Tod so verantwortlich.

Paps, es tut mir leid. Ich liebe Dich. Du fehlst mir so sehr. Jeder Tag ohne Dich ist unerträglich. Bitte verzeihe mir, für dass war ich falsch gemacht habe. Ich hatte wirklich nur, zu Deinem Wohl entscheiden wollen. Ich hoffe dass Du es weißt.

In liebe Deine Caro
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Und die Welt dreht sich weiter, und das sie sich weiterdreht, ist für mich nicht zu begreifen merkt sie nicht dass einer fehlt. * HALTET DIE WELT *

Ja mein Papa fehlt. *12.10.1935 gest. 11.1.07
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