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Alt 22.02.2014, 18:22
Stoerchin Stoerchin ist offline
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Standard AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister

Liebe SiS,

auch an Dich ein herzliches Willkommen hier bei uns, wenn auch bei Dir aus so traurigen Anlass, und mein ganz herzliches Beileid zum Tod Deiner Schwester. Mensch, sie war ja mit 25 Jahren wirklich noch sehr, sehr jung, dies tut mir besonders leid. Melde Dich bitte immer, wenn Du Dir irgendetwas von der Seele schreiben möchtest, wir werden Dich verstehen können.

Liebe Birgit,

die Gedanken mit dem Alltag, von dem wir auf keinen Fall wollen, dass er Normalität vermittelt, kenne ich nur allzu gut. Immerhin kann ich sagen, dass mir die Arbeit (wenn nicht gerade mega-Stress herrschte) eher gut tat und tut. Man besteht irgendwie nicht nur aus Trauern, sondern das eigene Leben, und wenn es auf der Arbeit ist, ist doch noch zu etwas gut. Außerdem sieht man, dass man noch nicht verrückt geworden ist und noch gut denken kann. Deine Schwester muss für Dich wirklich wie eine beste Freundin gewesen sein, der Du alles erzählen konntest. Bei meinem Bruder war es irgendwie noch etwas anderes; dadurch, dass er ein Mann war, haben wir natürlich nicht alles miteinander besprochen, aber ich war immer so mega-stolz auf ihn, ich war stolz darauf, dass es mich auch als Mann gibt (kling wahrscheinlich jetzt irgendwie bescheuert) und es war für mich etwas ganz Besonderes, einen Bruder zu haben; wenn ich schon keine Mutter mehr hatte, dann wenigstens einen Bruder (mir fällt gerade beim Schreiben selber auf, dass ich irgenwie mehr Frauen kenne, die eine Schwester als einen Bruder haben). Und stolz wie Oskar war ich immer dann, wenn mich andere regelrecht zu einem tollen Bruder beglückwünschten- ja, das habe ich erlebt. Versteht mich nicht falsch, auch meine Schwester, die ich Gott sei dank noch habe, ist mein Ein und Alles.

Birgit, Du schreibst, Du könntest uns heute keinen Trost spenden, das macht doch nichts. Das hast Du so oft getan, im Gegensatz zu mir, daher habe ich mir für heute mal vorgenommen, zu versuchen, Euch mit ein paar tröstenden Gedanken, die mir immer etwas geholfen haben, etwas Mut zu machen. Sie stammen alle aus meinem kleinen Notizbuch, in das ich seitdem hin und wieder ein paar Gedanken eintrage.

- Unsere Geschwister sind, auch wenn natürlich viel zu früh, dahin gegangen, wohin wir eines Tages alle gehen, es gibt keine Geschwister, die nicht sterben werden
- Unsere Geschwister haben jetzt keien Schmerzen mehr und mögliche weitere lange Leidenswege sind ihnen und uns erspart geblieben
- Wir leben in Deutschland, wo wir sicher sein können, dass alles erdenklich Mögliche für unsere Lieben getan wurde. Wenn ihnen hier nicht geholfen werden konnte, dann nirgends auf der Welt. Wie muss es sein zu wissen, dass derjenige woanders geheilt werden könnte, aber das Geld dafür fehlt? Diese armen Angehörigen, sie müssen sich doch mitschuldig fühlen.
- Unsere Geschwister sind nicht durch Fremdverschulden ums Leben gekommen, weder hat sie ein Herrscher in einem totalitäten System noch ein betrunkener Autofahrer auf dem Gewissen sondern "nur" ihre "eigene" Krankheit (für die sie aber natürlich überhaupt nichts konnten und selbst wenn jemand krebsfördernd gelebt hätte, wer tut das nicht auch und bleibt trotzdem gesund?) Gedanken, die Angehörige von Unfallopfern haben müssen ("derjenige war gesund und könnte noch leben, wenn er/sie 5 Minuten später aus dem Haus gegangen wäre") brauchen wir uns nicht zu machen
- unsere Geschwister fühlten sich mit Sicherheit sehr geliebt, wenn wir ihnen unsere Liebe so vermitteln konnten, wie wir hier liebevoll von ihnen schreiben
- unsere Geschwister sind gegenüber anderen Verstorbenen nun nicht mehr benachteilgt, waren es aber gegenüber lebenden Gesunden

So, meine Lieben, vielleicht können meine Gedanken dem/der einen oder anderen ja etwas helfen. Mer mag, möge die Liste gerne ergänzen.

Eine Frage habe ich noch an Euch: wie gut könnt Ihr Euch Fotos angucken? Ich habe vor 2 Tagen meine ganze Fotokiste nach Fotos von ihm durchgeguckt und mir einige von der Zeit kurz vor seiner Krankheit, auf denen er so gesund und kräftig und so, wie ich ihn gerne in Erinnerung behalten möchte, aussah, hingestellt und wupp - 2 Nächte kaum geschlafen deswegen. Fotos von Verstorbenen oder zumindest welche, die man lange nicht mehr gesehen hat, haben es irgendwie in sich, kennt Ihr das?

Liebe Grüße mit dicken Kraftpaketen an alle,
Störchin

Geändert von Stoerchin (22.02.2014 um 18:33 Uhr) Grund: Ergänzung
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