Einzelnen Beitrag anzeigen
  #16  
Alt 18.04.2005, 14:54
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Pflegende Angehörige

Hallo Natascha,

meine Mutter wurde aus dem Krankenhaus entlassen, da ging es ihr noch den Umständen entsprechend gut. Sie konnte aufstehen und alleine laufen. Sie hatte zwar Probleme im Bein, weil der Tumor die Nerven abklemmte, aber sie konnte mit einem Handstock alleine laufen. Man hatte uns gesagt, das es nur noch ein paar Wochen dauern würde bis sie sterben würde. Das war für uns unbegreiflich, den es gab ja gar keine sichtbaren Unterschiede zu vorher. Sie fuhr ins Krankenhaus, um ihre Chemo zu bekommen und kam wieder und sollte auf einmal sterben. Wir brauchten also am Anfang gar keinen Pflegedienst und meine Mutter wollte auch niemand Fremdes mehr sprechen. Sie sagte aber zu uns, das wir gerne bei Omega eV anrufen sollten, sie hatte davon in der Zeitung gelesen, sie selbst wollte mit niemandem sprechen, aber sie fände es gut, wenn wir das täten. Wie gesagt mein Vater hat sich geweigert.

Ihr Zustand blieb vier Wochen unverändert. Dann wollte sie eines morgens nicht mehr aufstehen, um ins Bad zu gehen. Mein Vater fuhr los und besorgte eine Bettpfane. Es gibt auch spezielle Toilettenstühle, aber die müssen bei der Krankenkasse bestellt und genemigt werden, das dauert ein paar Tage, genau wie spezielle Matratzen gegen das Wundliegen. Zwei Tage später hat sie angefangen sich zu verändern, sie hat zwar noch mit uns gesprochen aber ihre Antworten pasten nicht mehr zu dem was wir ihr gesagt haben. Sie hat angefangen sich zu verabschieden, von Reise und Kofferpacken gesprochen, wie man das auch bei Kübler Ross und ähnlichen Autoren nachlesen kann. Wir hatten schwierigkeiten sie zu bewegen beim Waschen zum Beispiel, weil wir ja die richtigen Griffe nicht kannten, wir hatten Angst ihr weh zu tun. Am Abend ist sie ins Koma gefallen und zwei sehr lange Tage und Nächte später gestorben. Meine Mutter ist an Nierenversagen gestorben, dabei versagen durch Vergiftung langsam die Organe. Das hat uns der Hausarzt aber erst hinterher erklärt. Vorher hieß es im Krankenhaus, sie würde einfach einschlafen. Unter einfach einschlafen verstehe ich etwas anderes. Aber im Hospitz zum Beispiel würde man entsprechend Medikamente geben können, um es leichter zu machen, davon ist der Arzt im Krankenhaus bestimmt ausgegangen.
Die Möglichkeit habt ihr allein zu Hause nicht. Normale Hausärzte haben keine Erfahrung mit sowas, in Deutschland sterben weniger als 5% der Menschen zu Hause und da sind noch die plötzlichen Herzanfallpatienten mit eingerechnet. Ein Hausarzt ist in der Regel keine große Hilfe und kommt auch nur zwischen den Sprechzeiten und ganz bestimmt nicht mitten in der Nacht. Er wird auch nicht bei euch bleiben, weil er zurück in die Praxis muß oder seine Freizeit nicht bei euch verbringen will. Einen ehrenamtlichen Sterbebegleiter kannst du rund um die Uhr im Notfall anrufen. Du glaubst gar nicht wie oft ich mitten in der Nacht zur Notdienstapotheke gefahren bin, weil das der einzige Ort war wo ich überhaupt Hilfe finden konnte.

Kuck mal in die gelben Seiten unter dem Stichwort Hospizdienst und versuch einen Termin mit einem ehrenamtlichen Sterbebegleiter zu machen. Omega eV gibt es zum Beispiel Deutschlandweit. Das ist kostenlos und du kannst einmal über alles sprechen, es ist ok, wenn deine Mutter mit niemandem sprechen will, aber du solltest die Hilfe annehmen. Es hilft schon, nur sprechen zu können und dann hast du im Notfall jemanden, den du anrufen kannst. Niemand kann euch sagen, was passieren wird und es ist besser auf alles vorbereitet zu sein.

Die Krankenkassen bieten auch Kurse an, für Angehörige, die zu Hause pflegen. Wenn ihr die Zeit habt, könntet ihr sowas auch machen.

Ich würde das immer wieder so machen, meine Mutter zu Hause pflegen, aber ich würde von Anfang an jede Hilfe in Anspruch nehmen, die es gibt. Und ich würde auch gegen den Willen meiner Mutter handeln, weil sie gegangen ist und ich mit den Folgen leben muß. Damals konnte ich das natürlich auch noch nicht.

Lieben Gruß

Tanja
Mit Zitat antworten