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Alt 10.11.2009, 22:51
Hope80 Hope80 ist offline
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Registriert seit: 19.03.2009
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Standard AW: Gibt es überhaupt Überlebende?

Hallo,
ich danke Euch allen für Eure liebe Anteilnahme. Ich konnte das Ganze bisher leider noch garnicht auf mich wirken lassen, da ich gestern meine letzte Prüfung für mein Staatsexamen hatte. Noch nie in meinem ganzen Leben ist mir das lernen so schwer gefallen. Ich war am Ende total erschöpft. So erschöpft, dass ich nicht einmal mehr aufgeregt war, aber nun ist diese ganze Tortur vorbei und ich habe bis zum 1.Februar Zeit, mich voll und ganz auf die Trauer einzulassen.
Wir haben den Computer meines Bruders auf den Kopf gestellt und haben so erfahren, dass er bereits vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus Anfang Februar geahnt hat, dass er Krebs hat. Zwar nicht dass er DIESEN Krebs hat, aber immerhin, dass er überhaupt Krebs hat. Aber er hat nie auch nur ein Wort mit uns darüber geredet. Er hat auch in den letzten Monaten nicht mit uns geredet. Ok, am Ende hatte er natürlich auch keine Luft mehr zum reden. Vermutlich hat er auch erst dann kapiert, dass es zu Ende geht. Aber er hat auch sonst nichts hinterlassen, was für uns etwas Klarheit in sein Verhalten bringt. Er hat seinen Freunden im Chat oft geschrieben, dass er uns alle nicht leiden kann - meine Eltern noch weniger als mich. Meine Mutter leidet sehr darunter. In seinen Chat-Verläufen ist sogar von Hass die Rede. Aber in den letzten Tagen und Wochen hat er sich für jeden kleinen Handgriff bedankt, und ich denke, dass das ein Zeichen dafür war, dass er seine Meinung über uns geändert hat. Ich hoffe es.
Ich habe Kontakt zu einer Freundin von ihm, und wir reden viel miteinander über meinen Bruder. Und sie sagte, dass er am Ende keinen Hass mehr empfand. Das versuche ich auch meiner Mutter klar zu machen.
An dem Tag an dem er starb, war ich untröstlich, aber auch erleichtert. Denn ich musste mir keine Sorgen mehr machen. Ich dachte eigentlich, dass ich mir nach der endgültigen Diagnose, dass er sterben wird, auch schon keine Sorgen mehr gemacht hatte, weil da eh schon alles zu spät war. Aber wie sehr mich das belastet hat, merkte ich erst, als er gestorben war. Ich war an dem Tag unheimlich erleichtert. Ich hoffe, ihr versteht das jetzt richtig, weil man auch den Eindruck bekommen könnte, ich wollte dass mein Bruder stirbt. Das war nicht so. Aber er hat so unglaublich gelitten in der letzten Nacht. UNd es wäre ja nicht mehr besser geworden...
Jedenfalls ist von dieser Erleichterung nicht mehr viel übrig. Momentan fühle ich mich einfach nur leer.
Aber ich wünsche jedem Betroffenen viel Kraft für den Kampf und die Trauer.
Vielleicht gibt es ja irgendwann einmal eine Möglichkeit, diesen Krebs zu heilen. Wollen wir es hoffen...
Liebe Grüße
Hope
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