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Alt 08.07.2005, 01:11
Gast
 
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Standard egoist und feigling

Hallo Ulli!

Klar gibt´s hier Leute, die deinen Beitrag lesen und dir sicher auch noch antworten werden. Und du musst dir keinerlei Sorgen machen, wie verworren oder konfus dein Beitrag ist. Schreib dir ruhig alles von der Seele, das hilft schon erstmal einen Schritt weiter.

Hm, das allererste was ich dir raten möchte ist, dich nicht als Feigling und Egoist zu sehen. Es ist völlig klar, dass du mit dieser Situation erstmal überfordert bist und völlig instinktiv dich versucht zurückzuziehen. Aber du brauchst keine Angst zu haben, da macht dir keiner einen Vorwurf. Ich hab vielleicht manchmal leicht reden, weil ich selbst Krankenschwester bin und mit der ganzen Situation bei meiner Oma (vor zwei Monaten im Magenkrebs im Endstadium diagnostiziert)dadurch etwas leichter umgehen kann und halt auch weiß, was man machen kann und wo man Hilfe bekommt. Daher schreib ich dir jetzt einfach mal, was ich machen würde und wie ich eure/deine Situation einschätze.

Vorher hab ich noch eine Frage. Du schreibst von deinem Bruder und seiner Familie, die auch in Nürnberg wohnen. Verstehst du dich gut mit ihm und wie ist sein Verhältnis zu euren Eltern? Hat er zeit sie zu unterstützen oder sind sie eher auf sich allein gestellt? Musst du auch nicht beantworten, wenn du nicht magst.

Wenn dein Vater Knochenmetastasen an Wirbelsäule und Rippen hat, hat er ja sicher auch starke Schmerzen, oder?
Vermutlich bekommt er dagegen dann auch starke Medikamente, die dann ihn dann natürlich auch etwas schachmatt setzen und das Reaktionsvermögen herabsetzen (z.B. Autounfall). Sicher belastet es deinen Vater auch psychisch sehr stark, dass er einfach nicht mehr so stark ist und so kann wie früher. Dazu weiß er, dass er sich ja auch noch um seine Frau kümmern müsste, aber es vermutlich einfach nicht mehr schafft. Da deine Mutter ja schon sehr lange ein Pflegefall ist, ist sie vermutlich auch eingestuft? Falls nicht, dann beantragt dies umgehend bei der Krankenkasse. Ich denke mal nicht, dass es dein Vater schafft, sie weiterhin alleine zu versorgen, nachdem er selbst ja auch schwer krank ist. Habt ihr irgendwelche Pflegehilfsmittel daheim? Du schreibst, dass die Hand deines Vaters auch nicht voll ausgeheilt ist. Frag doch mal beim Arzt oder der Krankenkasse nach, wie es da mit Einstufung oder Unterstützung im Haushalt ausschaut, zumindest für die Zeit der "Behinderung". Hab ich schon öfters erlebt, dass so etwas geht. Aber man muss öfters hartnäckig bleiben. Von alleine bekommt man gar nichts. Immer wieder nachfragen, nachhacken und Widerspruch einlegen, wenn was abgelehnt wurde.

Um deinen Vater zu entlsten, würde ich mich in Nürnberg mal mit einem Pflegedienst / Sozialstation in Verbindung setzen. Das geht auch am Wochenende, da muss zumindest ein Anrufbeantworter laufen, da kannst dud ie Situation ja kurz schildern und kurz um Rückruf beten, damit du die Sache am Wochenende klären kannst. Normalerweise können die dich auch in Sachen Einstufung, Hilfsmittel etc. beraten. Zumindest ist das bei unserer Sozialstation so. Außerdem hätte so deine Mutter auch täglich Unterhaltung, wenn der Pflegedienst kommt und dein Vater könnte sich mal zurückziehen.

Ich helfe dir sehr gerne weiter, wenn du noch was wissen möchtest. Frag einfach!

Und mach dir keine Vorwürfe, weil du die Zeit vordrehen möchtest. Das Gefühl kennen ich. Ich stecke eigentlich mitten im Prüfungsstress und manchmal wäre es mir auch am liebsten, wenn meine Oma das alles überstanden hätte. Und dann möchte ich sie am liebsten gar nicht loslassen und meine Mutter so oft wie möglich unterstützen. Aber irgendwo muss man auch schauen, dass man selbst nicht untergeht. Nur das eine guten Mittelweg zu finden, ist sehr schwer. Irgendwie macht man sich doch ständig Vorwürfe. Kannst du wenigstens mit deinem Mann über deine Situation reden oder mit guten Freunden? Mir hilft das sehr. Ansonsten, wenn es dir wirklich sehr schlecht geht und du gerne mit anderen Betroffenen über deine ituation reden möchtest, erkundige dich doch mal nach einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Krebspatienten. Gibt´s in Köln sicher, sowie vermutlich auch einen Hospizverein? Da kannst du auch mal anrufen und nach Hilfsangeboten für dich fragen!

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für das kommende Wochenende! Lass den Mut nicht sinken, sondern such dir Hilfe, dir und deinen Eltern!

Liebe Grüße aus Bamberg!

Julia
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