Einzelnen Beitrag anzeigen
  #3  
Alt 29.05.2006, 03:13
chaosbarthi chaosbarthi ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 08.12.2005
Ort: Ort bei Kiel
Beiträge: 402
Standard AW: HNPCC-wie geht es weiter?????

Bisher wurden sechs Gene (MLH1, MSH2, MSH6, PMS1, PMS2, MLH3) identifiziert, deren Keimbahnmutationen für das Auftreten von HNPCC verantwortlich sind. Alle diese Gene kodieren für sogenannte DNA-Reparatur-Enzyme, deren Aufgabe es ist, bei der Zellteilung entstandene falsche Basenpaarungen zu korrigieren. Zur Tumorentstehung kommt es, wenn neben der in allen Körperzellen vorliegenden Keimbahnmutation in einem Allel durch ein zufälliges Mutationsereignis in einer Zelle auch die zweite Kopie funktionslos wird. Durch den Ausfall des DNA-Reparatursystems in dieser Zelle kommt es zur Anhäufung von genetischen Veränderungen und somit unter Umständen zur malignen Entartung der Zelle. Die fehlerhafte DNA- Reparatur in der Tumorzelle spiegelt sich in einer Instabilität der DNA wider und wird als Mikrosatelliteninstabilität (MSI) bezeichnet. Mikrosatelliten sind repetitive DNA-Sequenzen, die über das ganze Genom verteilt vorkommen. Bei HNPCC-Patienten lässt sich ein Unterschied der Mikrosatellitenmarker zwischen der Tumor-DNA und der DNA aus gesundem Gewebe nachweisen. Findet man im Tumorgewebe eines Patienten, der die Bethesda-Kriterien erfüllt, eine MSI, so ist das Vorliegen eines HNPCC-Syndroms sehr wahrscheinlich. Ein weiterer starker Hinweis auf den Ausfall eines DNA-Reparaturgens ist der immunhistochemische Nachweis eines Expressionsverlustes des entsprechenden Proteins in den Tumorzellen. Die endgültige Diagnose erfolgt durch den Nachweis einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Reparaturgene.

Klinische und molekulargenetische Abklärung eines HNPCC-Syndroms
HNPCC-Familien können entweder über Tumorpatienten und deren betreuende Ärzte in der Klinik und im niedergelassenen Bereich erfasst werden oder über ratsuchende Familienmitglieder, die sich in einer humangenetischen Beratungsstelle vorgestellt haben.

Die HNPCC-Abklärung sollte folgende Schritte umfassen:
1. Ärztliches Beratungsgespräch über die risikoadaptierte Tumor-Vor- und -Nachsorge.
2. Humangenetisches Beratungsgespräch über das persönliche Erkrankungsrisiko, Erläuterung einer genetischen Disposition sowie der Möglichkeiten molekulargenetischer Diagnostik.
3. Erstellung einer möglichst umfassenden Familienanamnese.
4. Überprüfung der vorgegebenen Eingangskriterien zur HNPCC-Abklärung.
5. Mikrosatellitenanalyse von Tumormaterial erkrankter Familienmitglieder (eingefrorenes Frischgewebe oder paraffineingebettetes Tumormaterial).
6. Mutationsanalyse der Reparaturgene bei Erfüllung der Amsterdam-Kriterien oder Nachweis von Mikrosatelliteninstabilitäten oder Nachweis eines immunhistochemischen Expressionsverlustes eines DNA-Reparaturproteins. Die Mutationsanalyse wird nur an Hand der Blutprobe eines betroffenen Familienmitgliedes sowie bei Vorliegen einer schriftlichen Einverständniserklärung durchgeführt.
7. Beratungsgespräch mit den Betroffenen oder anfragenden Familienmitgliedern nach Abschluss der molekulargenetischen Untersuchung.
8. Angebot eines psychoonkologischen Beratungsgespräches.

Bedeutung der Diagnose eines HNPCC-Syndroms
Wird in einer Familie entsprechend den Amsterdam-Kriterien ein HNPCC-Syndrom diagnostiziert und ist die krankheitsverursachende genetische Veränderung nicht nachweisbar, haben alle Familienmitglieder entsprechend ihrer Wahrscheinlichkeit, die Anlage geerbt zu haben, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Diesem Risiko sollte im Rahmen eines intensivierten Früherkennungsprogramms Rechnung getragen werden.
Ist die genetische Veränderung hingegen bekannt, besteht die Möglichkeit einer prädiktiven genetischen Analyse und das Angebot des intensivierten Früherkennungsprogramms für Anlageträger. Aufgrund des autosomal-dominanten Erbganges besteht für alle erstgradig Verwandten eines Anlageträgers ein 50%iges Risiko ebenfalls Mutationsträger zu sein. Für Familienmitglieder, die die Anlage nicht geerbt haben, ergibt sich kein erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung und somit keine Notwendigkeit für ein intensiviertes Früherkennungsprogramm.
Der Nachweis einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Reparaturgene bei einem gesunden Familienmitglied muss nicht zwangsläufig zu einer Tumorerkrankung führen. Das Erkrankungsrisiko für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms bis zum 80. Lebensjahr beträgt jedoch etwa 80 Prozent. Da die Mutation in allen Körperzellen vorliegt, kann es auch in anderen Geweben zur Tumorentstehung kommen. Der Nachweis einer Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied bedeutet immer auch ein erhöhtes Risiko für weitere Neoplasien, sowohl im Kolorektum als auch im Endometrium, Dünndarm, in Nierenbecken/Harnleitern, im Magen und in anderen Organen.

Ist in einer Familie auf klinischem und/ oder molekulargenetischem Wege der dringende Verdacht auf oder die Diagnose HNPCC gestellt worden, sollten folgende Punkte Beachtung finden:

1. Notwendigkeit erweiterter und lebenslanger Früherkennungs- oder Nachsorgeuntersuchungen für den tumorerkrankten Patienten.
2. Neben Einhaltung der etablierten Richtlinien der Onkologie und onkologischen Chirurgie gegebenenfalls präventive Erweiterung der Operation in Abhängigkeit von pathologischen Befunden (Polypen im Restdarm) und nach individueller Aufklärung (Risiko für ein Zweitkarzinom).
3. Ausweitung der Früherkennungsuntersuchungen auf die Familienmitglieder (autosomal-dominanter Erbgang mit ungefähr 80-prozentiger Penetranz).
4. Bei Nachweis einer Mutation im DNA-Reparaturgen bei einem Betroffenen: Angebot einer molekulargenetischen Familienuntersuchung zur Erkennung der Anlageträger und Einschluss von Anlageträgern in ein erweitertes Früherkennungsprogramm. Bei Ausschluss der Genmutation ist kein spezielles Früherkennungsprogramm erforderlich.

Früherkennungsprogramm für HNPCC-Patienten und ihre Familien
Den HNPCC- Patienten und ihren Familien wird ein spezifisches Programm zur Krebsfrüherkennung empfohlen. Dieses umfasst die nachfolgend benannte Untersuchungen ab dem 25. Lebensjahr (bzw. 5 Jahre vor dem frühesten Erstmanifestationsalter in der Familie):

1 x jährlich: körperliche Untersuchung, Abdomensonographie, komplette Coloskopie, Gynäkologische Untersuchung auf Endometrium- und Ovarialkarzinom einschließlich transvaginaler Sonographie, Urinzytologie, Ösophago- Gastro- Duodenoskopie (nur bei familiär gehäuften Magenkarzinomen)

Quelle: http://www.hnpcc.de/ (Verbundprojekt familiärer Dickdarmkrebs/Dt. Krebshilfe)

Wenn man weiß, dass für HNPCC-Patienten, bzw. HNPCC-Familien, auch ein erhöhtes Risiko für andere Krebsarten besteht, möchte man auch gerne wissen, was denn noch alles passieren könnte. deshalb hier nochmal die Häufigkeiten für andere unschöne Geschichten:

Tumorlokalisation und -häufigkeit bei HNPCC-Familien

Kolon/Rektum 63%
Endometrium 28% bei Frauen
Magen 6%
Mamma 6% bei Frauen
Hepatobiliär 4%
Ovar 3% bei Frauen
Urothel 2%
Sarkome 2%
Haut 2%
Dünndarm 1%
Lunge 1%
Sonstige 8%

(Quelle: http://www.krebsinfo.de/ki/empfehlung/gastro/S13.html )
Diese Zahlen sind evtl. nicht korrekt... meine Onkologin stützte sich auf andere und ging z.B. von einer 60%-igen Wahrscheinlichkeit für ein Endometriumkarzinom aus.

Und denn gibt es für allgemeine Infos und für die humangenetische Untersuchung etc. noch einen sehr informativen Link zur TU München:

http://www.lrz-muenchen.de/~tumorgen/index.html

Nun ja, als Betroffene bin ich mittlerweile Dipl.-Patientin. Sollten also noch Fragen zu diesem Thema aufkommen, darfst du sie mir gerne stellen.

LG chaosbarthi

PS. Ich hänge noch ein Vorsorge-Posting an.
PSS: Eine Ergänzung für HNPCC-betroffene Frauen (haste Schwein gehabt, Andy): Wenn ein HNPCC vorliegt, beträgt das Risiko für ein zusätzliches Endometriumkarzinom zwischen 42 und 60%. Also immer gut untersuchen lassen!

Geändert von chaosbarthi (29.05.2006 um 03:20 Uhr)
Mit Zitat antworten