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Alt 27.09.2008, 18:44
sonjaM sonjaM ist offline
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Standard AW: Entlassung nach erfolgreicher Liposarkom-OP

Hallo Zusammen,

ja, ich habe mich langezeit nicht gemeldet. Ihr wisst, dies bedeutet hier meistens nichts Gutes. Meine Mama ist am 06.09. in der Nacht im Krankenhaus verstorben. Sie kam am 26.08. aus Freiburg nach Hause, außer einem Stent wurde nichts gemacht. Die Untersuchungen haben sich endlos hingezogen, alleine für die Entscheidung einen Stent zu setzen wurden fast 2 Wochen verschwendet. In der dieser Zeit wuchs der Tumor explosionsartig. Ich holte Mama Di aus der Klinik, gegen den Rat der Ärzte, die wollten noch überwachen, ob sie auch keine Infektion bekommt. So ein Quatsch. Wir wussten, wenn wir niemanden finden, der operiert oder Chemo gibt, wird sie schnell sterben. Mi waren wir dann wieder in der Uniklinik in HD, die sich die aktuellen Bilder ansehen wollten und eine OP bzw. Chemo prüften. Mama sollte sich Mo in der Amulanz der Chirurgie noch mal vorstellen. Sa begann jedoch schon ein permanentes Erbrechen. Es kam mehr raus als überhaupt rein kam. Alles wurde sofort erbrochen. So fuhr ich sie in die Notaufnahme der Uniklinik. Sie bekam eine Sonde durch die Nase in den Magen, was zumindest sofort von dem Erbrechen befreite. OP wurde jedoch sofort zu 90% abgelehnt, da viel zu viel Bauchraum betroffen war. Sie kam auf die Tumorstation und dort wurde im Tumorboard noch mal alles besprochen. Am Do die niederschmetternde Nachricht. Keine OP, keine Bestrahlung und keine Chemo mehr möglich. Das Ende des Weges war nach 3 Jahren hartem Kampf erreicht. Für meine Mama und mich brach alles zusammen. Ich hatte solange mit ihr gekämpft. 8 Spezialkliniken in dieser Zeit einbezogen, dadurch hat sie zumindest über 2 Jahre länger gelebt, als man ihr gesagt hat. Als am Do dann noch die Frage nach einer Hospizaufnahme kam, brach für meine liebe Mama jede Hoffnung weg. Sie meinte sofort, dass sie jetzt sterben will. Kein Leiden mehr, keine Schmerzen. Ohne Hoffnung, auch kein Leben mehr. Sie bekam Do mittags minimal Morphium, um den Druckschmerz aus dem Bauch zu nehmen. Die funktionierte sofort, da sie ja bisher so gut wie nie Schmerzmittel nahm. Meine Mama war hart im nehmen, sie ertrug viel und nahm Schmerzmittel nur in größter Not. Dies hat sich jetzt bezahlt gemacht. Do abends schon schlief sie ganz ruhig. Wachte ab und an auf. An diesem Tag schon meinte sie zu mir "Vielen Dank für alles, was Du für mich getan hast. Ich habe Dich und Dein Baby (das ich im jan. bekomme) sehr lieb und werde Dich immer lieben". Ich war den ganzen Tag bei ihr, ihre beiden Schwestern in der Nacht. Auch ihrer Schwester sagte sie "Grüße alle, die ich nicht mehr sehen werden". Am Freitag kam ich schon ganz früh morgens, weil ich ahnte, dass dies der letzte Tag sein könnte. Ich blieb bis 21.30 Uhr. Mama war morgens noch relativ "munter", ihr morgentliches Ritual, Augenbrauen mit dem Stift nach ziehen und Wimpern etwas dunkler machen, führte sie sogar wieder an diesem Morgen durch. Durch die Chemos, waren die noch nicht so gut nachgewachsen und sie konnte dies nie leiden. Sie kämmte sich und saß schon frisch im Bett, als ich zu ihr kam. Bewunderte noch meine neue Schwangerschaftsbluse und meinen Bauch, der langsam wächst. Ich sagte ihr noch, dass Tübingen sich gemeldet hat und doch noch eine palliative OP wegen des Verschlusses machen würde. Sie bräuchten nur schnell den aktuellen Befund und sie könnte sofort kommen. Den Befund schickte ich noch um 12.00 per Mail weg. Jedoch bekam sie schon am Nachmittag nicht mehr viel mit. Sie schlief fast ununerbrochen. Gegen 14.00 Uhr wollte sie noch mal ein Eis zur Abkühlung, da sie ja eine Sonde hatte. Ich holte ihr ein Eis und sie aß 3 Löffel mit vollem Genuss, dann schlief sie ein. Kurz vor 17 Uhr weckte ich sie noch mal, um ihr noch ein Eis zu holen, bevor das Kiosk zu machte, ich dachte, es ist vielleicht das letzte Mal. Sie wollte nicht mehr. Auch hatte sie fast kein Verlangen nach einem Schluck Wasser. Am Vortrag spülte sie dauernd und trank mehr. Sie lagerte viel Wasser in den Beinen und im Bauch an. Auch die Lunge bekam Wasser. Ich sah, dass die Urinausscheidung an dem Tag fast nicht mehr funktionierte. Die Entwässerungsmitteln liesen die Nieren austrocknen, dies war für ihre Niereninsuffizienz Gift, denn sie musste eigentlich seit 6 Mon. 3 x die Woche stark bewässert werden, damit die Nierenfunktion aufrecht erhalten blieb. 4 x setze sie sich noch auf und am Abend cremte ich ihr mit der Schwester den Rücken ein und sie genoss es noch mal und sagte "weiter, weiter" als wir aufhören wollten. Kurz danach lies sie sich nur umfallen und schlief gleich wieder ein. Sie wachte noch mal auf und klagte über Kopfschmerzen, mit geschlossenen Augen und Rückenweh. Die Schwester hängte Novalgin auf. Jetzt denke ich, dass der Blutdruck hoch war, der ja nicht mehr geprüft wurde, da die Ärzte nichts lebensverlängertes mehr machten. An diesem Abend war das Wetter besonders schön, obwohl es tagsüber nur regnete. Die Sonne brach noch mal in der Dämmerng durch die Wolken und schien direkt in ihr Zimmer. Draußen hoppelte ein Hase direkt vorm Fenster vorbei uns setzte sich ein Stück weiter hin und saß da ebenfalls mit dem Gesicht zur Sonne. In dem Moment kam mir der Gedanke "ein schöner Tag zum Sterben". Als ich ging, habe ich mich lange verabschiedet und immer wieder gesagt, dass ich sie sehr lieb habe. Einmal nickte sie nur. Sie sagte nichts. Vielleicht, weil es ihr schwer gefallen wäre, vielleicht, weil sie wusste, dass sie sterben wird. Ich dachte noch, ob ich da bleiben soll, weil die Schwestern nicht konnten. Andererseits dachte ich an mein Baby, den Streß der letzten Zeit, die Angst im Zimmer zu schlafen und vielleicht nicht zu merken, dass sie stirbt und damit auch nicht für sie da sein können. Vielleicht hätte ich bleiben sollen. Doch auch die Schwester meinte abends, dass meine Mama losgelassen hat, sonst wäre sie nicht so extrem ruhig und würde mit dem Medikamenten so viel schlafen. Sie sagte zu mir, dass ich an mein Baby denken soll, dies wollte auch meine Mama so. Also ging ich, nicht ohne sie immer wieder zu streicheln und zu küssen. Vielleicht merkte auch meine Mama, dass ich bereit war, sie loszulassen. Vielleicht war es genau das, was sie noch gebraucht hat, um in Ruhe sterben zu können. Sie hat mir immer wieder gesagt, dass sie viel für mich durchgemacht hat, jede Therapie die ich ihr zeigte, alles, damit wir noch zusammen sein konnten. Doch ich wusste, jetzt hat sie es verdient, endlich Ruhe zu finden. So, wie es ihr die letzten 5 Tage vor ihrem Tod ging, konnte es nicht weitergehen. Nichts mehr Essen, Trinken, Schmerzen, dies wollte sie nie. Sie war so stark. Der Arzt rief mich so um 3.22 Uhr an. Mama war um 2.42 Uhr gestorben. Sie schlief ganz ruhig ein. Dies waren etwas mehr als 36 Std. nach dem Arztgespräch, in dem sie erfuhr, dass alle Hoffnugen nun vorbei waren. Sie sagte, dann will ich jetzt sterben, lieber heute als morgen, 36 Std. später durfte sie sterben. Der Arzt sagte, sie haben noch niemand gehabt, der 3 Jahre mit solcher Hoffnung gegen die Krankheit gekämpft hat, 19 Chemos und 7 OPs ertrugen und dies immer mit Würde. Ja, dies war meine Mama, sie nahm alles ohne Klagen hin. Er meinte, dass wir alles getan haben und mehr einfach nicht mehr ging. Ich hätte nicht mehr tun können und meine Mama losgelassen. Mama wurde gerade mal 55 Jahre. Ich werde immer an sie denken und sie nie vergessen. Hoffentlich ist sie jetzt bei ihrer Familie, sieht die Engel im Himmel, so wie wir uns ein Leben nach dem Tod erhoffen. Hoffentlich bekommt jetzt eine Antwort auf die Frage, die wir uns beide immer gestellt haben "warum ich". Obwohl mein Kopf weiß, dass dies jetzt das Beste war, bin ich unendlich traurig. 3 Jahre habe ich mitgelitten und fast jeden Tag mit ihr verbracht. Jetzt muss ich an mein Baby denken und stark sein. Die Beisetzung ist jetzt 1 1/2 Wochen her. Manchmal denke ich, dass es alles nicht wahr ist, meine Mama noch da ist. Doch dann sage ich mir, dass es so für sie und auch mich doch besser war.

Ich werde ab und an hier noch mal lesen. Allen Betroffenen wünsche ich von Herzen alles Gute für den weiteren Kampf. Gebt nicht auf, denn Hoffnung ist das, was uns alle, Angehörige und Betroffene, aufrecht hält.

"Mama, ich werde Dich sehr vermissen. Hoffentlich bist Du der Schutzengel unseres kleinen Babys. Deine Eule "
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