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Alt 08.08.2012, 23:26
Chia92 Chia92 ist offline
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Standard Wer steht zur Glatze? Wer greift zum Kopftuch und zur Perücke?

Hallo meine Lieben,

nachdem ich seit ein paar Wochen hier nur als stiller Leser tätig bin, möchte ich mich selber Mal zu einem Thema zu Wort melden, das mich während der Chemo sehr beschäftigt: Haarausfall und wie jeder Betroffene persönlich damit umgeht.

Nach meiner dritten Chemo (Hodgkin-Lymphom) habe ich mich vor ein paar Tagen entschlossen, die kläglichen Reste meiner Haare abzurasieren. Nach den ersten zwei Zyklen war noch nicht viel zu sehen, aber jetzt wurden die kahlen Stellen dann doch etwas arg groß...

Den ersten Blick in den Spiegel kann ich nur mit einem Wort beschreiben: Schock. Ich habe mich kaum wieder erkannt. Ich sollte vielleicht noch dazu sagen, dass ich 20 Jahre alt bin und Zeit meines Lebens lange Haare hatte, um die ich mich immer liebevoll gekümmert habe und die ich auch immer unheimlich gern frisiert habe.

Na ja, die erste Reaktion war dann erst mal, mir meine Perücke aufzuziehen (die ich mir schon im Vorfeld gekauft hatte). Puh, da sah ich ja schon fast wieder aus wie ich selbst... Aber jetzt, ein paar Tage später, habe ich mich eigentlich ganz gut an meinen glatzköpfigen Anblick gewöhnt.

Ich experimentiere im Moment ein wenig herum und stelle fest, dass ich mich ganz ohne Kopfbedeckung nicht in die Öffentlichkeit traue - meinen Respekt an jedes Mädchen und jede Frau, die den Mut dazu hat! Aber mit meiner Perücke fühle ich mich auch nicht 100% wohl. Das liegt nicht daran, dass die Perücke sonderlich unbequem wäre oder nicht gute aussähe (ich habe sogar schon Komplimente für meinen vermeintlich neuen Haarschnitt bekommen^^). Aber irgendwie bekomme ich immer dieses Gefühl, als ob ich mir selber und allen anderen etwas vormachen würde, wenn ich sie trage. Als ob ich etwas verstecken müsste, wofür ich mich zu schämen habe (obwohl ich natürlich weiß, dass da eigentlich nichts ist, wofür ich mich schämen müsste...). Dieses Gefühl ist wirklich schwer zu beschreiben, aber vielleicht versteht mich ja jemand, der selber betroffen ist...

Folglich habe ich mich gestern dazu entschlossen, mich mit einem Kopftuch in die Uni zu wagen. Ich persönlich habe damit kein Probleme, finde auch nicht, dass es schlimm aussieht oder so. Was mich allerdings schon gestört hat, waren die Reaktionen der Leute: Alle meine Freunde wissen, dass ich Krebs habe. Aber irgendwie schienen die meisten von ihnen zu denken, dass alles noch ganz okay war, solange ich noch Haare hatte. Jetzt, wo ich sie abrasiert habe, werde ich plötzlich anders behandelt. Selbst die Dame in der Bibliothek hat mich so mitleidig angeguckt, als ich mir ein paar Bücher ausgeliehen habe. Das hat mich so sehr genervt, dass ich heute wieder mit Perücke unterwegs war. Da fand ich es dann wieder erfrischend, dass ich von Leuten, die mich nicht kennen, vollkommen normal behandelt wurde. Immerhin geht es mir im Moment auch normal/gut.

Mal sehen, wie es jetzt die nächsten Tage weitergeht. Vermutlich werde ich einfach nach Lust und Laune entweder Kopftuch oder Perücke tragen, wenn ich das Haus verlasse und nur zu Hause ohne Kopfbedeckung rumlaufen...

Jetzt würde mich interessieren, wie andere mit der Situation umgehen. Habt ihr den Mut, zu eurer Glatze zu stehen? Oder geht es euch ähnlich wie mir und ihr wollt vermeiden, dass Wildfremde euch als Invaliden abstempeln, ohne, dass sie auch nur irgenetwas über euch und eure Krankheit wissen?
Würde mich freuen, eure Meinungen und Gedanken zur "haarlosen" Zeit zu hören :-)

Liebe Grüße,
Chia
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