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Alt 27.09.2003, 10:38
Gast
 
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Standard ich habe schuld

Lieber Rollo,

es tut mir sehr leid, dass du deine Frau verloren hast. Verstehe auch, dass du Schuldgefühle hast. Aber da gibt es noch soviel mehr zu bedenken.

Ich weiß nicht, was im Obduktionsbericht steht, das dich so belastet: akute Abstoßung vielleicht? Denn bei dieser kranken Leber handelte sich (wie bei Dominotransplantationen üblich)um die FAP-Erkrankung und Symptome der durch den Transthyretin * Gendefekt hervorgerufenen Amyloidose treten erst nach Jahrzehnten auf.

Eine Leberteilresektion ist keine so einfache Sache (wie z.B. eine Nierenspende) - und so wie du deine Krankheit schilderst wäre die Spende für dich möglicherweise lebensgefährlich gewesen.Dass die Ärzte dieses Risiko nicht eingehen konnten bzw. durften (Hippokratischer Eid) muss man bei aller Tragik verstehen.

Doch angenommen du hättest gespendet, und die OP gut verkraftet, hätte es immer noch sein können, dass deine Frau deine Leber noch während der OP abstößt (oder eine andere lebensbedrohliche Situation eintritt).
Hättest du gespendet, und hättest es nicht überlebt - was denkst du wie es deiner Frau dann gegangen wäre. Sie wäre dann in der Situation gewesen die du nun durchleben musst und hätte zusätzlich noch die wirklich schwere Zeit nach einer Transplantation alleine meistern müssen.

Dazu kommt, wie du wahrscheinlich weißt, dass es mit der Lebertransplantation allein noch nicht getan ist - die absolut und in hoher Dosierung notwendigen Immunsuppressiva greifen die Nieren an, was zur Folge hat, dass diese Patienten nach einigen Jahren vor einer notwendigen Nierentransplantation stehen. Es ist ein sehr, sehr steiniger Weg (nicht nur körperlich, auch psychisch)der oft trotz allen Bemühens letal ausgeht.
(Habe da ein Kind vor Augen, das einen Teil der Leber ihrer Mutter bekommen hat, der Mutter ging es danach so schlecht, dass sie sich kaum um ihre Kleine kümmern konnte; und die Kleine starb schließlich nach 2 (!) schrecklichen Jahren vergeblichen Kämpfens)

Ich selbst bin nierentransplantiert, habe die Niere von meinem Vater (der inzwischen an Krebs verstorben ist). Ich weiß wie psychisch belastend es ist, einem gesunden Menschen ein Organ "wegzunehmen" (auch wenn er unbedingt spenden wollte). Die Angst, dass bei seiner OP etwas passiert, oder dass Spätfolgen auftreten war immer da. Bei uns ist zum Glück alles gut gegangen - es waren ideale Voraussetzungen (anders als bei euch)

Lieber Rollo, man steht manchmal an einer Weggabelung, und weiß beim besten Willen nicht, welchen Weg man nehmen soll. Man kann nicht beide ausprobieren. Du weißt jetzt wie der eine Weg ausgegangen ist - aber du weißt nicht wie es deiner geliebten Frau auf dem anderen Weg ergangen wäre. Vielleicht besser, vielleicht gleich, vielleicht aber auch wesentlich schlechter. Damit meine ich ein qualvolles Leiden, dass letztendlich doch schlecht ausgeht.

Deine Frau durfte sich mit einem Lächeln von dir verabschieden. Sie durfte hinüberschlafen.
Den wirklich schweren Part (hier alleine zurückzubleiben)hast du übernommen - und ihn ihr somit erspart (denk mal darüber nach!)

**Und ich weiß das ich ihr genau so fehle, wie sie mir.

Ich weiß nicht ob du an eine Weiterexistenz nach dem Tod glauben kannst - dein letzter Satz klingt fast danach.
Ich habe nicht daran geglaubt (eigentlich an gar nichts) - war nur froh, dass mein Vater keine Schmerzen mehr haben musste.

Doch für mich hat sich viel verändert, immer wieder wird mir gezeigt, dass wir mehr sind, als wir auf Erden zu sein scheinen. Obwohl ich mich zu Anfang dagegen gewehrt habe, und vieles als Einbildung abgetan habe, heute weiß ich die Seele lebt weiter.

Ich wünsch dir ganz viel Kraft in dieser schweren Zeit, und Kraft diese Schuldgefühle zu überwinden - vielleicht hilft dir dabei ein anderer Blickwinkel.

Alles Liebe
Afra
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