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Alt 04.08.2008, 15:13
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Rena49 Rena49 ist offline
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Registriert seit: 11.11.2007
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Standard AW: Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit

Hallo Tina!
Ich hoffe, Euer Sonntagsbesuch bei Deiner Mutter war ein schöner. Ich wünsche ihr und Dir/Euch, daß es Deiner Mutter noch mal so gut geht, daß Ihr noch ein paar schöne angenehme Stunden miteinander verbringen könnt.
Es ist jedoch bei ganz vielen Menschen so, daß es kurz vor dem Ende noch einmal richtig gut aussieht - und dann relativ schnell wieder bergab, häufig auch so, daß die Angehörigen völlig fassungslos daneben stehen, obwohl sie eigentlich genau wissen, daß das jetzt in kürzester Zeit passieren wird. Aber da niemand weiß, wie lange diese letzte Zeitspanne sein wird, es können Stunden, Tage oder sogar Wochen und Monate sein, je nach Krankheitsverlauf, ist es dann doch sehr "plötzlich" und unerwartet. Ich wünsche Dir jedenfalls, daß Du Deine Mama in so lebendiger Erinnerung behalten darfst, wie z. B. am Samstag, als sie Appetit auf die Banane bekam.

Es ist doch schön zu hören, daß es noch Firmenchefs und (hoffentlich auch) -Mitarbeiter/Kollegen gibt, die für so eine Ausnahmesituation, wie Du sie gerade erlebst, Verständnis haben, es ist aber wahrscheinlich auch gut, wenn Du im Anschluß an diese schwere Zeit wieder voll in Deinen Beruf einsteigen kannst, da hast Du nicht so viel Zeit zum Grübeln ...

Ich wünsche mir für mich in den letzten Wochen häufiger, daß ich noch im Berufsleben stehen würde, obwohl ich mir nicht so recht vorstellen kann, wie das in den letzten 3 1/2 Jahren hätte gehen sollen, in denen erst mein Mann an Prostatakrebs erkrankt war (erfolgreich operiert, er war aber insgesamt 6 Wochen im Krankenhaus und anschließend noch 3 Wochen Reha), dann meine Mutter mit Magenkrebs, da war aber auch schon das halbe Jahr vorher dauernd was, anschließend Wohnungsauflösung mit allem, was dazugehört, die Seebestattungsorganisation und im Jahr drauf, also 2007, wieder mein Mann, bei dem nach diversen anderen Dingen im ersten Halbjahr Mitte September Bauchspeicheldrüsenkarzinom diagnostiziert wurde. Er wurde noch operiert, aber leider ist er knapp 2 1/2 Monate nach der Diagnose Ende November daran verstorben. Seitdem stehe ich ziemlich neben mir, ich funktioniere nach außen zwar (meistens) so, daß meine Umwelt nicht unbedingt immer mitbekommt, wie es in mir aussieht, aber ich bin auch nicht immer Herr/Frau über meine Tränendrüsen. Und das denke ich mir halt manchmal, es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich noch berufstätig wäre, dann müßte ich einem geregelten Tagesablauf nachgehen und hätte nicht so viel Zeit zum Nachdenken.
Naja, das Grübeln über so etwas ist ziemlich müßig, weil keine Firma ausgerechnet auf eine Frau mit 59 Jahren wartet, die noch dazu in den letzten Jahren in keiner Firma mehr gearbeitet hat. Und eigentlich hätte ich auch gar keine Lust auf ständigen Streß mit Chefs, Kollegen, Kunden und womit man im Berufsleben sonst noch so konfrontiert werden kann, und jeden Tag um 6 Uhr morgens aufstehen ist auch nicht mehr das für mich erstrebenswerteste Ziel. Insofern ist es schon gut, wie es jetzt ist, mal abgesehen davon, daß ich meine Lieben sehr gern immer noch und auch wieder um mich haben würde.

Ich glaube Dir gern, daß Du schon jetzt Deine Mutter vermißt, und das wird auch in der Zukunft sicher so sein, aber Du darfst mir auch glauben, daß Du auch dann, wenn Deine Mama nicht mehr an Deiner Seite zu sehen ist, sie doch immer noch in Deiner Nähe ist und Dir zuhört, wenn Du ihr was erzählen willst oder Du Sorgen hast. Ich habe das mit meiner Mutter mehrfach in den letzten Jahren erlebt.

Ich habe hier bei mir für meine Lieben eine "Erinnerungsecke" aufgebaut, da meine Eltern und nun auch mein Mann ihre letzte Ruhestätte in der Ostsee gefunden haben, mit Sand von der Ostsee, Muscheln und Steinen von dort, einem kleinen Leuchtturm (dessen Original ich zusammen mit meinem Mann mal bestiegen habe, um von dort die Ostsee zu betrachten) und Kerzen rundherum, Teelichter und auch größere Kerzen. Die Kerzen werden abends angezündet und beleuchten die Bilder, die natürlich in dieser Ecke auch nicht fehlen dürfen. Inzwischen sind auch Bilder von anderen Verstorbenen hinzugekommen, z. B. meine Großeltern, mein Vater und der Vater meines Mannes. Und wenn mir danach ist, setze ich mich davor und spreche mit ihnen, mal mit allen und mal nur mit einem. Das ist sehr schön und hilft, mit der Situation fertigzuwerden.

Liebe Tina, ich wünsche Dir, daß Du heute einen ruhigen und friedlichen Tag hattest. Ich drück dich und schicke Dir ein großes Kraftpaket!
Rena
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