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Alt 09.06.2013, 09:19
SusanneC SusanneC ist offline
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Standard AW: Wir sind am Ende

Hallo Mirabell,

ich weiss nicht, ob die allogene Stammzellentransplantation eine Therapiemöglichkeit für Deine Oma wäre, sie wird nur bei bestimmten Krebsarten erfolgreich eingesetzt und ist zudem "das Brutalste, was man einem Körper antun kann" (O-Ton des Arztes bei der Vorbesprechung). Deswegen wird sie wirklich nur dann eingesetzt, wenn es gar nicht anders geht und meist auch nur dann, wenn die Ärzte überhaupt denken, dass der Patient eine Chance hat die Behandlung zu überleben.

Wenn Du hier im Forum oder auch im Internet suchst, dann findest Du einige Berichte zur Allo, daher hier nur ein paar Dinge aus der Vorbesprechung vorweg:

Statistisch gesehen hat man eine Sterberate von der Behandlung und deren Folgen (unabhängig von dem zusätzlichen Sterberisiko vom Krebs) von ca. 10%, abhängig vom körperlichen Zustand des Patienten, der Übereinstimmung mit dem Spender etc. Bei meinem Mann schätzte der Arzt vor ein paar Wochen die Überlebenschance auf ca. 80%, wobei sich das sicherlich jetzt verschlechtert hat.

Bei einer Organtransplantation wird ja nur ein Organ transplantiert und man hat dann die Problematik der Abstoßungsreaktion durch das Immunsystem gegen dieses Organ. Bei der Allo werden Stammzellen eines anderen Menschen transplantiert, d.h. das komplette eigene Immunsystem wird mit einer Hochdosis-Chemo platt gemacht und man bekommt ein fremdes Immunsystem.

Dieses Immunsystem muss nun einerseits die Chance bekommen, im Körper auch anzuwachsen, andererseits sieht es jedes einzelne Organ des Körpers (Haut, Augen, Herz, Darm, Lunge, Nieren ....) als Feind, der bekämpft werden muss und muss erst lernen, dass diese Organe tatsächlich dort hin gehören. D.h., Du hast ein großes Abstoßungsrisiko bei jedem einzelnen Organ (Ich erinnere mich noch an Risiko 90% Abstoßungsreaktion der Haut und Augen, Darm war irgendwo bei 60% glaube ich, Leber etwas niedriger und Lunge bei 10%). Alleine das Vorgespräch lässt einem schon schlecht werden.

Im Facebook ist eine Gruppe von Überlebenden der SZT und deren Berichte lassen einem die Haare hochstehen, es ist definitiv kein Spaziergang und oft sehr, sehr schmerzhaft. Das verbunden mit dem Risiko am Ende an der Behandlung zu sterben oder auch, dass die Behandlung überhaupt wirkt (Heilungschancen sind in Fällen wie bei meinem Mann bei 30-60% der Überlebenden). Da grübelt man wirklich, ob man diese Tortur wirklich auf sich nimmt oder lieber die paar Wochen/Monate noch relativ gut lebt, die man noch hat. Mein Mann macht das abhängig davon, wie die Ärzte seine Überlebenschancen jetzt, nach der erneuten Darm-OP und dem offenen Bein verbunden mit dem wieder gewachsenen Krebs, einschätzen.

Meine Mama hat Lungenkrebs und bei ihr war seitens der Ärzte nie die Rede von einer Stammzellentherapie, weil diese wohl nichts bringen würde. Aber sprich den Arzt Deiner Oma einfach mal an und frage, er wird Dir sicher sagen können, ob dies überhaupt eine Möglichkeit für sie wäre oder nicht.

Ich wollte Dir noch zwei Dinge aus der eigenen Erfahrung raten:

- Nimm Dir Auszeiten für Dich! Ganz wichtig, denn Du musst Deine Kraft auch behalten und es bringt auch Deiner Oma nichts, wenn Du zusammenbrichst. Egal, wie schlecht es für Dich gerade aussehen mag, schau, ob vielleicht jemand anderes auch mal einen Tag nach Deiner Oma schauen kann (jemand, dem Du wirklich traust) und mach Dir einen schönen Tag möglichst ohne Gedanken an Krankheit etc.

- Erlebe die Zeit mit Deiner Oma ganz bewusst. Das habe ich gelernt als es Anfang März hieß mein Mann würde nur noch ein paar Wochen leben. Es ist dann ganz wichtig gemeinsam Dinge zu tun, und wenn es nur das Anschauen der Sterne nachts ist. Ich erlebe jetzt solche Dinge wie seinen Tonfall und seinen Geruch viel bewusster und auch die Liebe zwischen uns ist viel deutlicher geworden (ich weiss nicht, wie ich das genau ausdrücken soll, sie war sicher immer da, aber jetzt achtet man einfach mehr darauf). Egal, wie es mit Deiner Oma ausgehen sollte, gemeinsame Zeiten sind schöne Zeiten und diese Dinge wirst Du auch immer "mitnehmen" können.

- Verliere die Hoffnung nicht, egal, wie schlecht es gerade aussieht. Hoffnung hält uns aufrecht und hilft uns durch schwere Zeiten.

Liebe Grüße,
Susanne

@ Kaffeemaschine

Ich kenne die Sache mit dem aktivierten Abwehrsystem von GvH (den Abwehrreaktionen) bei der Allo. Hier weiss man statistisch, dann bei denen Leuten, bei denen die Abwehrreaktionen höher waren, die Chancen auf eine Wiedererkrankung kleiner sind. Deswegen werden diese von den Ärzten auch nicht komplett unterdrückt.

Bei uns war es leider bisher (während der Zeit, in der er noch Chemos bekam) immer so, dass gerade in Zeiten mit Infektionen der Krebs auch besonders gut wuchs. Ich erkläre mir das damit, dass das Abwehrsystem in diesen Zeiten einfach nicht die Kraft hatte, auch noch gegen den Krebs irgendwie anzugehen. Aber das mag auch damit zusammenhängen, dass der Lymphdrüsenkrebs ja gerade das Abwehrsystem betrifft und kann sich bei anderen Krebsarten (oder auch anderen Patienten) anders sein.

Nein, ich denke nicht, dass ich besonders viel Kraft habe oder tapfer bin. Vor dem Besuch bei der Onkopsychologin bin ich zusammengebrochen, hatte Tage, in denen ich nur noch weinen konnte und nicht mehr fähig war, an irgend etwas anderes zu denken. Im Moment halte ich mich einfach, aber ich balanciere auch am Klippenrad und könnte jederzeit wieder abstürzen. Die Tips der Psychologing und v.a. das Gespräch mit ihr haben mir seither viel geholfen und ich hoffe einfach, dass das auch weiterhin geht.

Und ich habe immer gedacht (auch schon als das alles "nur" meinen Mann betraf und noch Hoffnung bestand, dass die Chemos wirken würden), dass ich noch mehr schlechte Nachrichten nicht verkraften würde, dann kam irgendwas Schlechtes dazu und irgendwie ging es dann meistens doch. Der menschliche Körper und Geist sind zu Erstaunlichem fähig, wenn es sein muss.

Liebe Grüße,
Susanne
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