Einzelnen Beitrag anzeigen
  #5  
Alt 09.11.2010, 13:30
teich1 teich1 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.06.2008
Beiträge: 160
Standard AW: lieber zu früh als zu spät

Lieber Parigo,

mein Papa ist zuhause gestorben und es war für uns ganz furchtbar, denn er ist nicht einfach eingeschlafen...

Er hat drei Tage lang vorher rum gewehrt und am Ende ganz fürchterlich gestöhnt, ja sogar versucht, sich die Anziehsachen vom Leib zu reißen und wir waren so hilflos und machtlos.... Der Arzt schaute es sich an, aber er sagte nur, dass es nun eine Frage der Zeit wäre und er es uns ja darauf hingewiesen hätte, dass es so kommen wird. Das war Freitags morgen.
Am Samstag haben wir den Arzt nochmal um Hilfe gebeten, da hat er uns Morphium Tabletten verschrieben, die wir auch noch total verzweifelt zermalmt haben und versucht haben, Papa einzuflössen. Diese Prozedur war ganz grausam, denn er röchelte und spuckte, es klappte nicht. Wir waren so verzweifelt und kraftlos. Nachmittags kam dann endlich ein Narkosearzt, der einen Tropf für Morphium legte und wir dann das Morphium selber nachspritzen mussten.

Die ganze Zeit über hatte ich grausame Gedanken. Ich hätte meinen Papa am liebsten mit dem Kissen erstickt, damit dieses Leiden ein Ende gehabt hätte.
Ich musste immer daran denken, dass man ein Tier schon längst von seinen Qualen erlöst hätte.... Hätte er vielleicht einfach nur schlafend dagelegen, hätte ich es ertragen, aber nicht dieses stundenlange Leiden...Wir konnten einfach nicht mehr, ich wollte nur noch, dass es vorbei ist. Für uns alle...
Gedanklich habe ich mir seinen Tod gewünscht...

Das Morphium allerdings konnte ich nicht nachspritzen, denn da hatte ich Angst, dass ich nicht die Dosierung einhalten konnte, weil ich so zitterte. Mein Bruder hat das dann gemacht. Der Arzt hatte extra betont, dass man die Dosierung umbedingt einhalten musste. Ich hatte das Gefühl, dass er uns zu verstehen geben wollte, wenn nicht, würde mein Papa daran sterben. Ich denke, es war auch ein Tipp für uns, wie wir nun doch das Leiden beenden könnten, aber sicher bin ich nicht...

Das macht man aber dann doch nicht, denn dann hätten wir ihn wissentlich getötet. Mein Papa ist dann am gleichen Abend gestorben und im Nachhinein fragten wir uns doch: "Haben wir wirklich alles richtig gemacht, oder lag es nun doch an uns?" Diese Verantwortung, die einem da übergeben wird, darauf ist man nicht vorbereitet....

Ich denke, wir alle kommen ins Grübeln, ob wir alles richtig gemacht haben, die richtigen Entscheidungen. Ich glaube die Antwort ist:

Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, wir haben bis zuletzt alles versucht und gekämpft. Wir hatten keine Chance, dass wir den Tod durch diese Krankheit verhindern konnten. Wir haben uns entschieden unsere Lieben in Frieden gehen zu lassen, ohne dass sie noch wochentlang halb im Reich der Toten und halb bei uns waren und wir sie nicht losgelassen haben. Das Loslassen, dass ist das, was uns so schwer fällt...

Ich habe meinem Papa kurz vor seinem Sterben ins Ohr geflüstert, dass alles gut wird, dass er beruhigt gehen kann und wir gegenseitig auf uns aufpassen würden, er bräuchte sich keine Sorgen um uns machen.

So hat jeder seine Gedanken, die uns wohl noch oft begleiten werden und Fragen offen, die uns niemand beantworten kann.

Liebe Grüße

Petra
__________________

In liebevoller Erinnerung
(Foto 17.09.07)
Manfred 10.07.45-07.06.08


Leise kam das Leid zu dir, trat an deine Seite,
schaute still und ernst dich an, blickte dann ins Weite.
Leise nahm es deine Hand, ist mit dir geschritten,
ließ dich niemlas wieder los, du hast viel gelitten.
Leise ging die Wanderung über Tal und Hügel,
und uns war´s, als wüchsen still deiner Seele Flügel.


**
***************************
Mit Zitat antworten