Thema: Endstadium
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Alt 07.08.2003, 19:58
Gast
 
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Standard Endstadium

Hallo Ihr zusammen,
ich bin doch sehr betroffen, wenn ich Eure Geschichten lese, welch qualvolle und schmerzliche Zeit von der Diagnose bis zum Tod Eurer Lieben, von Euch allen ob Angehörige oder sogar Betroffene, durchlebt wird.
Ich hatte zwar im Sept.02 eine Sitzwachenausbildung (Sterbebegleitung) gemacht, war jedoch bis zum 22.Juli 03 noch nicht im Einsatz gewesen.
Am 9.Juli erzählte mir mein Freund (43J.), nachdem er schon seit 4 Monaten körperlich abgebaut hatte, jedoch keinen Arzt aufsuchen wollte, von seiner schleichenden Erbkrankheit Polyposis Coli. Er hatte sich bereits vor 8 Jahren, nach dem er schon 6 Eingriffe hatte (Polypen im Darm entfernen) entschlossen mit jeglichen Behandlungen und Eingriffen aufzuhören. In seiner Familie und nahen Verwandtschaft hatte er wohl schon sehr viel Leiden hautnah miterlebt und für sich selbst diese Entscheidung getroffen.
Am Montag den 14.7. entschloss er sich nach einem qualvollen Wochenende ins Krankenhaus zu gehen. Sein Bauch war in der Lebergegend sehr dick geworden, er hatte nur ein Drittel Blut, dennoch klagte er wenig über Schmerzen.
Am Dienstag war die Sonograhie, mittwochs die Darmspiegelung, donnerstags die Computertomographie und freitags wurde er endlich operiert. Daß es sich um keinen heilenden Eingriff handelte war mir zwar klar, aber dennoch war ich erst mal froh, daß er im KH versorgt war. Das "kranke" Darmstück sollte entfernt werden, der Darm verlegt und ein Port gelegt für eine eventuelle Chemo, da die Leber Metastasen aufwies. Daß es bei ihm "kurz vor 12" war und er hätte längst zum Arzt sollen, bzw. die jährlichen Kontrolluntersuchungen machen lassen, war ihm wohl sehr bewußt.
Was dann geschah, war für mich trotz der schlechten Diagnose und dem Wissen, das ich mir in Kürze verschafft hatte, nicht vorstellbar. Ich hatte nicht im geringsten damit gerechnet, daß er nach der OP nicht mehr ansprechbar sein könnte. Obwohl ich wußte,daß es ganz schlecht aussieht um ihn.
Die OP war wohl viel schlimmer als erwartet. Er hatte 2 Liter Eiter !! im Bauch, eine Bauchfellentzundung, da sein Darm durchlässig war. Für die Ärzte war es unvorstellbar, wie ein Mensch mit einer solchen Entzündung bis zum bitteren Ende ohne Schmerzmittel aushalten kann.
Diese Entzündung war`s letztendlich, die ihn nicht mehr weiterleben ließ. Er wurde in ein künstliches Koma versetzt, mit der Hoffnung, daß seine Bauchfellentzündung ausheilen kann.
Leider ohne Erfolg, er bekam Fieber und es war nicht mehr möglich ihn aufwachen zu lassen. Auch die hoffnungslose und qualvolle Diagnose, die er dann bekommen hätte, wäre genau das gewesen, was er wohl nicht gewollte hätte, sonst hätte er vor 8 Jahren den weiteren Kampf gegen diese Krankheit in Angriff genommen.
Alles was an Gefühlen, Gedanken, Zweifeln, Fragen und Hoffnungslosigkeit über mich hereinbrach in diesen 2 Wochen, kann ich leider hier nicht in Kürze beschreiben.
Ich lese Eure Geschichten der langen Leidenswege,sehe meine 2 Wochen, bis mein geliebter Freund verstarb und es fehlen mir einfach die Worte.
Das Einzigste was ich überhaupt noch für ihn tun konnte, ich saß 8 Stunden an seinem Bett, bis er seinen letzten Atemzug machte und schmerzlos, schlafend gehen durfte.
Ich redete, ich schwieg, ich bedankte mich, ich heulte, ich bin auf seinem Arm eingenickt, ich streichelte ihn, ich küsste ihn.... Es waren die schlimmsten Momente, die ich in meinem Leben bisher hatte.
Leider kann ich all meine Gefühle, die ich in diesen 2 Wochen hatte nicht in Kürze beschreiben.
Von der Zeit danach ganz zu schweigen. Ich fühle mich so leer und von tiefer Traurigkeit umhüllt. Wie es weiter gehen soll...ich weiß es nicht.
Viele Fragen sind offen und ich fühle mich hilflos in dieser Trauerzeit. Es war sein Wille, das Leben bis zum Schluß ohne künstlichen Darmausgang, ohne OP`s und ohne Chemo auszukosten. Und es war seine Absicht mich, seine Tochter und alle Familienangehörigen von jeglichen Sorgen fernzuhalten.
Nachdem ich Eure Geschichen gelesen habe, kann ich seine Entscheidung - bis zum bitteren Ende auszuhalten - besser verstehen.
Trotzdem frage ich mich warum ?!
Ich danke ihm für seine menschliche Stärke.

Das sind die Starken
die unter Tränen lachen
eigene Sorgen verbergen
und andere glücklich machen.

Das war mein geliebter Freund !
Ein wundervoller, kostbarer, und liebenswerter Mensch.
Ich danke ihm für seine allumfassende Liebe, die er mir immer geschenkt hat.

Euch allen wünsche ich weiterhin sehr viel Kraft.
In Gedanken begleite ich Euch mit auf all den schwierigen Lebenswegen.

Petra
Tigermaus_2001@gmx.de
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