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Alt 10.01.2006, 15:16
Briele Briele ist offline
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Registriert seit: 15.08.2005
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo an alle,
lieber Gerhard,

ich lese Eure gefühlvollen, klugen Beiträge mit denen jeder auf seine Art, mit seinen Erfahrungen, versucht zu trösten, zu helfen.

Keiner kann sich wirklich in den anderen hinein versetzen, aber ich erinnere gut meine Trauer, die schmerzhafter und länger war als ich es mir je hätte vorstellen können. Es tat mir innen und außen alles weh, ich war nichts als Schmerz.

Wenn mir in dieser Zeit etwas geholfen hat, dann der Gedanke, daß es ihr (meiner Mama) nun besser geht, das Leiden ein Ende hat. Sonst haben mir nur jene Menschen geholfen, die einfach zuhörten, die mit mir traurig waren, die begriffen wie groß mein Verlust war.

Alles braucht seine Zeit. Keine leichte Sache, daß zum richtigen Zeitpunkt, der richtige Mensch, die richtigen Worte sagt. Wahrscheinlich ist das hier, im Forum ein Ding der Unmöglichkeit, eine reine Glücksache.

Wenn ich z.B. nach einer schmerzhaften Behandlung beim Zahnarzt heimkomm, dann will ich in den Arm genommen werden, will hören, daß das arg ist und ich arm bin. In diesem Moment hilft es mir wenig zu hören, daß es in ein paar Tagen nicht mehr weh tun wird, das nun sein musste und die Ärzte heutzutage feinere Instrumente haben.

Lieber Gerhard, es tut mir leid, daß Deine Frau gestorben ist, sie lange krank war und es tut mir auch leid, daß Du nicht weißt wie und ob Du weiterleben kannst ohne sie.

Eben ist mir Frau Dr. Lingens eingefallen, sie war in einem Konzentrationslager, sie war Ärztin. Ich habe sie bei einer Diskussion in Wien gehört, - vor vielen Jahren. Ein anderer Teilnehmer erzählte von Menschen, die hoch erhobenen Hauptes in die Gaskammer gingen. Frau Dr. Lingens sagte – und das werde ich nie vergessen – es ist auch eine Frage des Zuckerspiegels ob man stolz, mit hoch erhobenem Haupt geht, oder gebeugt hineinwankt.

Du hast jeden Anlass Dich kaputt, trostlos, vollkommen fertig zu fühlen. Ich weiß, da gäbe es noch sehr viele Vokabel für den Zustand. Ein Grund (EINER – lieber Gerhard !) daß Du Dich über alle Maßen elend fühlst ist auch weil Du nicht isst, weil du nicht schläfst, weil die letzten Monate nicht nur seelisch und geistig Dir alles abverlangt haben, auch körperlich.

Dagegen kann „man“ schon etwas tun. Voraussetzung dazu wird wohl der Lebenswille sein und Du sagst, den hast Du nicht. Könntest Du mit folgendem Gedanken etwas anfangen?: daß Du Dir sagst, ich versuch es jetzt einmal, ich versuche auf mich zu achten, ich versuche diese kleinen Dinge zu tun wie essen, schlafen, ich versuche achtsam mit mir umzugehen, mir selbst wert zu sein. Und dann sehe ich weiter.

Mir ist klar, so Aussagen wie, die Zeit heilt, oder, fast alle Hinterbliebenen können nach einiger Zeit wieder ein lebenswertes Leben leben, die empfindet man in Deiner Situation unnötig wie einen Kropf. Es gibt eben auch Menschen bei denen wird es nie gut, die sterben, wie man sagt, an gebrochenem Herzen. Stimmt das eigentlich? Oder sterben sie weil sie nicht mehr auf sich achten können und wollen?

Ich weiß es nicht. Ich möchte nur für den Gerhard plädieren, der schon noch als eigenständiger Mensch existiert. Man kann das Leben eh nur vorwärts leben und rückwärts verstehen (ist nicht von mir) und so gesehen wär es schade, wenn Du Dich wider Erwarten plötzlich in einer Situation vorfindest in der es dir leid tut nicht gut auf Dich geschaut zu haben.

Nun möchte ich noch ein wenig auf andere Beiträge eingehen, bzw. auf die Botschaft, die ich beim Lesen mitgenommen habe.

Nicht nur in meiner eigenen Trauer, auch sonst tu ich mir immer sehr, sehr schwer wenn mir Aussagen über den Tod, das Sterben, das Danach vorgelegt haben die irgendwie den Anspruch auf Realität erheben. Wer kann es denn wissen? Ich vermisse dann den kleinen Zusatz .... so denk ich`s mir, so stelle ich es mir vor.....

Auch ich habe mir einiges zurecht gezimmert, Vorstellungen, die es mir leichter machen, aber WISSEN tu ich natürlich rein gar nichts. Woher kann ich wissen was meine Eltern wollen, auch ob sie überhaupt etwas wollen?

Natürlich hab ich auch gehört ich soll nicht so traurig sein, soviel weinen, denn das macht meine Mama traurig und ich muß sie loslassen, damit sie frei sein kann. Diesen Gedanken habe ich immer recht überheblich gefunden. Ehrlich gesagt, wenn danach etwas ist, nach dem Tode, dann glaube ich nicht, daß das gleich abläuft wie hier, eine reine Fortsetzung ist und ich über den Tod hinaus Einfluss auf das Glück oder Unglück, das Behagen oder Unbehagen meiner Toten habe.

Bevor das nun alles endlos wird, schick ich es ab.

Liebe Grüße Briele
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