Thema: Unbegreiflich
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #42  
Alt 01.09.2016, 15:59
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 04.08.2014
Beiträge: 505
Standard AW: Unbegreiflich

Liebe Geli,
Ihr lieben anderen hier,

ich kann gut verstehen, dass Du Dich freier fühlst. Mir geht es ähnlich. Es ist eines der schlimmsten Dinge eingetreten, die ich mir vorstellen konnte, was kann da noch passieren? Allerdings merke ich auch, dass die Angst davor, dass anderen lieben Menschen um mich herum etwas passiert, sehr viel größer geworden ist. Wenn mein Mann mal nicht superpünktlich nach Hause kommt, sehe ich schon einen Unfall vor meinem geistigen Auge... mein Bruder will nächstes Wochenende auf die Zugspitze wandern...auch das kann ich schwer aushalten. Insofern ist das freie Gefühl bei mir nicht ganz so ausgeprägt, aber ich weiß genau was du meinst und es ist wahrlich KEIN Grund sich zu schämen!

Und ich hab ja noch meinen Vater der mich unfrei macht...du hast gefragt, ob es jemanden gibt, der nach ihm sieht. Ja, es gibt jemanden, es gibt sogar sehr viele. Er wohnt in einer Hausgemeinschaft, die sehr eng ist und die Vermieterin die unter ihm wohnt, bringt ihm Kuchen, Blumen, bietet ihm Gespräche an... Er hat viele Freunde, die ständig bei ihm anrufen und auch viele Bekannte. Sehr viel mehr Menschen als ich und ungewöhnlich viele für sein Alter (er ist 74 Jahre).
ABER er verhält sich diesen Menschen gegenüber nicht gut, zieht sich zurück, sagt Treffen ab, lügt, ruft nicht an, geht nicht als Telefon... So war er immer schon, er hat immer ausschließlich das gemacht was er wollte, er war nie zuverlässig für uns da, geschweige denn für andere. Und von daher bin ich was meine Gefühle für ihn angeht sehr ambivalent. Erstaunlicherweise hat er sich, als meine Mutter krank wurde, einigermaßen zuverlässig gekümmert. Als sie gelb wurde, ist er allerdings volltrunken auf Radtour gefahren (alleine). Und auch als sie tot war, haben sich mein Bruder und ich alleine um alles gekümmert. Und jetzt wo sie tot ist, ist er in keinster Weise ein Ersatz oder Hilfe. Ich hätte ihn gerne dabei gehabt am Grab an ihrem Geburtstag. Es ist doch wichtig, dass man sich unterstützt! Da war ich nun in Göttingen, keine 500 m entfernt von ihm und wir haben uns an diesem Tag nicht getroffen! Man kann das alles entschuldigen und denken, dass es eben zu schmerzhaft für ihn war etc., aber er war einfach immer so und ich hätte mir eben auch mal ein wenig Stüzue von ihm gewünscht!
Nun, es ist so wie es ist und ich kann ihn nicht ändern oder ihm helfen, wenn er sich nicht helfen lassen will. Das ist eine schmerzhafte Erkenntnis, aber ich will mir mein Leben nicht kaputt machen lassen, so wie das meiner Mutter kaputt war.

Nun zum Geburtstag meiner Mutter: es war ok. Anders kann ich es nicht sagen. Ich war trauriger als sonst an dem Tag, aber das habe ich gar nicht als schlimm empfunden, eher im Gegenteil. Ich fühle mich nämlich sonst oft noch so dumpf, dass ich froh bin über jede Gefühlsregung die da mal auftaucht. Ich war mit meinem Bruder am Grab, wir haben an sie gedacht und waren danach noch essen. Es war ein schöner, sonniger, würdiger Tag. Ich brauche den Friedhof aber auch nicht so sehr. Zu Hause habe ich Fotos von ihr und da spreche ich dann oft mit ihr.
Sie fehlt mir jeden Tag. Und ich glaube, dass das auch immer so bleiben wird.

Die Beziehung zu meinem Bruder wird immer enger und schöner. Wenn es ein Vermächtnis von ihr gibt, dann dieses....

Seid alle ganz lieb gegrüßt von

Jana
__________________
Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
Mit Zitat antworten