Einzelnen Beitrag anzeigen
  #9  
Alt 14.12.2013, 19:28
a_nna a_nna ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.12.2013
Beiträge: 14
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

@ Geske
Trotzdem ist ja die Kommunikation zwischen Partnern in einer solchen Ausnahmesituation (gegen die Zeit, gegen Wirkungen der Krankheit, Medikamente und Therapie sowie Angst) schwerer als sonst. Zum Set der Angebote in onkologischen Abteilungen gehört inzwischen die Ehe-/Partnerberatung genauso wie die Sozial- und Ernährungsberatung.

Mir hat nach der Reise zum Regenbogen eine Beraterin erläutert, die Trennungsquote in ihrem Beritt betrage um 64 % nach der Diagnose. Ungefähr die Hälfte durch die Erkrankten selbst, die sich zurückzögen aus Scham, Angst vor Veränderungen durch OP / Chemo usw.; und dem Wunsch, Niemandem zur Last fallen zu wollen. Man könne keinesfalls sagen, da habe vorher schon etwas nicht gestimmt.

Es sei ein Rätsel, weshalb die Kommunikationsmuster so auseinanderfielen. Männer als Erkrankte wollten für sich sein und legten sehr Wert auf Struktur ohne Störungen. Frauen betonten mehr die emotionalen Aspekte und erhebliche Angst vor Veränderungen, die von aussen sichtbar seien. ("Haarausfall", Gewichtsabnahme usw.)

Ich denke mir, es kommt ganz wesentlich auf diesen kleinen Moment, in dem eine Diagnose überbracht wird, und die (spontane) Vereinbarung beider Partner miteinander an ("der deal"). Da kommunizieren beide sehr direkt über Ein und Dasselbe.

Später in der Trauerphase kommt es nach meiner Erfahrung - auch das Forum ist voll von Schilderungen - zu ganz anderen Auffassungen zu der Kernfrage, ob die Verbindung zu einem Partner abrupt abgerissen ist, oder ob sie noch weiter besteht. Und da bleibe ich bei, dass Männer anders als Frauen verarbeiten und trauern. Das ist auch eine Frage der Reife, insbesondere in welchem Lebensalter Tod und Trauer eintritt. Was nutzen mir nach dem Tod die gemeinsamen Erlebnisse durch dick und dünn ... ausser dem vagen Gefühl einer zukünftigen Soloveranstaltung.

Ich will nicht ergeben "dankbar sein" ... etwa für den Tod ? Gefolgt von einer Erklärung der "Erlösung" ? Im nächsten Schritt sprechen wir dann aufbäumend von "Gerechtigkeit" um uns darüber hinweg zu trösten, "das Liebe nicht ewig währt" ? Es ist doch aber das überwiegende Bestreben der Trauer, ganz persönlich festzuhalten und die Liebe (weiterhin) zu leben. Wenn denn "die Begleitung durch den/die Vorstorbenen auf dem gemeinsamen Weg beendet ist" - stünden Hinterbliebene abrupt noch ein zweites Mal ganz allein. Das ist so, als wenn man Jemandem die Pistole reicht, damit er sich erschiessen kann. Ich möchte da keinen situativen Sadismus unterstellen. Darum ziehe ich mich auf die Geschlechterrolle zurück und erkläre mir die Haltung durch einfach gänzlich unterschiedliche Trauermuster.

@ hermann
> In einem anderen Beitrag habe ich von Lebensmüdigkeit gesprochen.

ich las Deine "Bilanz" und danach diesen Beitrag als thematische Fortsetzung. Im ersten Beitrag äussertest Du, Deine Angehörigen lebten bereits ihr Leben und Du seiest quasi "über". Danach hier die Sinnfrage nach Deinem weiteren Überleben.

"Schön, und jetzt mal ganz ruhig nochmal durchlesen", dachte ich. Du weisst schon, was Du damit - auch Dir - antust ? Auch hier bleibe ich dabei, Du kannst Euch beiden nur helfen, wenn Du bleibst und Eure Verbindung weiter lebst. In Deiner Bilanz fehlt ein ganz wesentlicher Teil. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du so ganz gefühllos durch Deine Angehörigen verabschiedet würdest. Du hast glaube ich eine Tochter (?).

Vieles Unterschwellige habe ich erst nach dem Tod kennen gelernt. Allein damit zu stehen, Kinder und Restfamilie, die sich der Teilnahme an Beerdigung und Gottesdienst verweigert, dazwischen vor der Tür zu stehen im Glauben, die Wohnung durchsuchen und ausräumen zu können. Dann die persönliche Habe auf der Straße vor dem Haus wieder zu finden, die "wertvollen" Dinge natürlich mitgenommen. Wie die Wölfe.

Denen habe ich aber auch zu verdanken, dass ich durch ihr Verhalten Trauer als "offenen Prozess" :-)) erlebt habe und gar nicht zur Ruhe kam, um zu grübeln.

Aber da gibt es am Rand noch einen Angehörigen, der uns sehr nahe steht, sich zurückgehalten hat und von dem ich weiss, dass es ihn sehr mitgenommen hat. Obwohl wir noch keine Gelegenheit für ein Gespräch hatten. Im Verhältnis 7:1 ist mir dieser eine Angehörige auch für meine Frau mehr Wert, als die 7. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich weiss, es wird zu einem Gespräch kommen, auf das ich mich bis dahin vorbereite.

Die Frage der begleiteten Sterbehilfe haben wir auch durch. Und ich weiss noch jedes Wort von ihr und jeden meiner Gedanken, sie davon abzubringen und mich nicht zu zwingen. Sinngemäss sagte ich damals, was dies für uns und mich zu bedeuten habe, wenn es uns nur wie bisher im Verbund gäbe. Wer sich um den Jüngsten kümmern solle. Und warum sie dieses Thema jetzt aufbrächte. Wir hatten gerade von den Onkologen die Nachricht, auf Grund der Blutwerte sei sie in gut 4 Wochen ausgeheilt.Der Turmor sei erheblich zurück gegangen, ggfs. müsse man eine Strahlentherapie zur Nachsorge überlegen. Ja, Achterbahn - fahren haben wir gelernt. Aber auch, dass wir nicht allein sind und dass es wertvolle Menschen gibt, die manchmal eben nicht in der ersten Reihe stehen.
Mit Zitat antworten