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Alt 12.01.2009, 13:18
chrisi0211 chrisi0211 ist offline
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Standard AW: Wann lässt der Schmerz endlich nach?

Liebste Lisa!

Ich habe "nur" meinen Bruder vor 5 Jahren verloren und voriges Jahr meine Tante, die eher eine "Schwester" zu mir war (ebenfalls Magenkrebs, habe Dir damals schon geschrieben), Lebenspartner habe ich, hoffe es wird niemals sein, noch nie verloren. Aber zu den zwei Menschen hatte ich eine intensive Beziehung und zwar von Geburt an.

Mein Bruder verunglückte tödlich im Alter von 34, er stürtzte vom Berg ab...
Der Tod traf uns/mich unvorbereitet, aufgrund dieses Schocks wurde ich zur Diabetikerin (das auch noch). Es war für mich unverständlich, daß sich die Erde weiterdrehen konnte, die Frage "warum" ließ mich nicht los, eine zeitlang habe ich mich mit hömöopatischen Beruhigungstropfen selber "behandelt", wenn das Telefon läutete, hoffte ich, daß er am Apparat sei, obwohl ich wußte, daß das nicht geht . Mein Verstand wußte, daß er tod war, aber mein Herz wollte das einfach nicht, ich konnte es einfach nicht akzeptieren, ich konnte auch mit niemanden anfangs darüber reden, denn ich brach immer gleich in Tränen aus. Er starb im Juli. Am 29. November wäre er 35 geworden, an diesem Tag "mußte" ich zum Maturaball unserer Nichte (mir war sowieso nicht danach, aber bei den anderen waren wir auch), dort kam es zum großen innerlichen Zusammenbruch (nährere Details will ich Dir ersparen), ich wurde nicht fertig mit seinem Verlust... Ich brauchte sehr lange, um das zu akzeptieren, viel länger als ein Jahr... Irgendwann kam eine Zeit, wo ich zusehends auch mich freuen konnte, wenn ich an ihn gedacht hab´, ab und an konnte ich über unsere gemeinsamen Erinnerungen auch lächeln und heut´vermisse ich ihn oft noch ganz arg - heuer werden es 6 Jahre... Die Trauer hat sich aber im Laufe der Zeit gewandelt: Aus Schmerz wurde liebevolle Erinnerung , ich bin froh, daß ich ihn kennenlernen durfte, er lebt in mir und meinen Erinnerungen und Gedanken weiter . Meinem Bruder habe ich jeden Tag einen Brief geschrieben, in Gedanken mit ihm "gesprochen", bei ihm hat mir hauptsächlich das geholfen...und Bücher über das Leben nach dem Tod...

Und eben voriges Jahr erwischte uns die Diagnosekeule von Tante voll, es gab keine Hoffnung mehr . Wir wußten, daß die Zeit gekommen ist Abschied zu nehmen, ich habe ihr zur Seite gestanden, die Trauer begann mit dem Arztgespräch, wo sie uns mitteilten, daß es leider keine Hilfe mehr gibt .
Wir haben bewußt Abschied nehmen können und trotzdem tat es unendlich weh, wie sie ihre Augen für immer geschlossen hat. Ich habe sie auch in Erinnerung, wie sie gesund war, welch lebenslustiger Mensch sie war... und so wie bei Dir, habe ich sie in Erinnerung wie sie war, gekennzeichnet von ihrem Leid und Schmerz, abgemagert, der Körper ausgezehrt von der Krankheit... Ich war ihr es vergönnt, einschlafen zu dürfen, nicht mehr leiden zu müssen und doch fehlt sie einfach an allen Ecken und Enden .

Mir haben widerum Bücher viel geholfen (Kübler-Ross kann ich wirklich sehr empfehlen) und jetzt hier das Forum, um zu verarbeiten, Gespräche mit meiner Schwägerin helfen mir nach wie vor enorm..., ebenso "Ablenkung" durch möglichst viel Aktivitäten... Aber ich bin da noch nicht "durch", d.h. da gibt´s noch einiges an "Trauerarbeit" zu leisten...

Lisa, ich denke, es gibt keinen "Zeitplan", wann man über einen so schweren Verlust hinwegkommt und was davon ein Leben lang bleibt, ich denke, es gibt auch keinen Weg, der für alle Gültigkeit hat, ich kann Dir nur eines sagen und bitte glaub´mir: Die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben und diese Narben schmerzen von Zeit zu Zeit immer wieder

Viele Menschen nehmen auch an so "Trauerseminaren" teil, wenn es in meiner Umgebung die Möglichkeit gegeben hätte, daran hätt´ich wahrscheinlich teilgenommen...

Liebe Lisa, ich wünsche Dir von ganzem Herzen, daß Du für Dich einen Weg findest, Deinen Schatz loszulassen und ihn in liebevoller Erinnerung in Dir zu bewahren wie einen Schatz , so daß Du für Dich wieder nach vorne blicken kannst und Dich eines Tages auch wieder freuen kannst, daß morgens die Sonne scheint... Dieser Weg ist ein langer und schwerer, mach´einfach das alles, was Dir helfen könnte, auch wenn es oft für andere oft nicht nachvollziehbar ist... Vielleicht helfen Dir so Abschiedsrituale, wie Briefe schreiben, einen Ballon in den Himmel schicken usw., vielleicht hilft es Dir, Dich abzulenken (ausgehen, Sport usw.), vielleicht hilft Dir auch ein Trauerseminar oder psychologische Hilfe...Alles was es Dir leichter macht ist erlaubt . Ich bin manchmal stundenlang durch den Wald gerannt und hab´geweint, dort sah mich keiner, dort hörten mich maximal die Rehe und die Hasen, ja, den Schmerz und den Kummer muß man rauslassen...

Ich wünsche Dir alles Liebe!

lg Chrisi
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