Thema: Gedanken
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Alt 26.02.2012, 22:48
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Gedanken

Liebe Sommerbrise,

ich glaube, wir können sehr schwer nachempfinden, wie sich jemandfühlt, dem man sagt, dass er "austherapiert" ist, dass es keine Chance auf Heilung gibt und dass das Ende naht.

Ich bin mir sicher, dass ich Angst hätte. Vielleicht jetzt nicht mehr vor dem Sterben an sich, aber doch vor den Schmerzen. Ich weiß nicht, ob dein Vater darüber sprechen mag. Mein Vater hat sich sehr schwer getan... Typisch Mann könnte ich jetzt sagen. Im Gegensatz zu uns drei Weibern (Mama, Tochter und Enkelin) war mein Papa kein Mann der vielen Worte. Erst auf der Palliativstation hat er Nähe zugelassen. Er hat ein Gespräch mit einer Seelsorgerin angenommen und es hat ihm so gut getan. Er wirkte sehr erleichtert nach diesem Gesrpäch, ganz so, als habe sie eine Last von seinen Schultern genommen. Und er hat sich mit dem Sterben auseinandergesetzt, was auch ich getan habe. Ich habe sehr viel von Elisabeth Kübler-Ross gelesen. Und ich habe es angenommen. Es war für mich sehr tröstlich zu wissen, dass mein Papa nicht allein sein wird. Nicht allein, wenn er sterben muss und auch nicht, wenn er seinen Weg und seine Reise antritt. Jeder Mensch habe einen Schutzengel, Geistführer (oder wie immer das bezeichnen will), der ihn von Anbeginn seines Lebens bis zum Tod begleite. Und am Ende würden diejenigen Lieben auf uns warten, die uns bereits vorausgegangen sind (das können die Eltern sein, bei deinem Papa vielleicht sein eigener Vater). Sie helfen uns, ins Licht zu gehen. Und das Licht ist Wärme und es strahlt und tut uns gut. Wir werden selbst zu Licht, denn da ist nur Liebe und Frieden und wir benötigen keinen Körper mehr. Das habe ich auch meinem Vater erzählt. Ich war da sehr vorsichtig und habe ihm gesagt, ich würde ihm das gern erzählen, weil ich es sehr tröstlich finde. Wenn er es nicht hören wolle, solle er einfach STOP sagen. Aber er hat zugehört und mir anschließend gesagt:"Miriam, ich weiß, dass ich nun bald sterben muss. Und deshalb beschäftige ich mich auch damit,denn das hilft mir."
Und wir haben meinem Vater gesagt, mehr als einmal, dass er gehen darf, wenn er nicht mehr kämpfen kann, wenn die Kraft fehlt, wenn er spürt, dass er seine Reise antreten muss. Wir würden ihn loslassen, weil wir ihn lieben. Das ist wichtig, denn sonst hätte er geglaubt, dass wir allein nicht zurecht kommen. Ich musste auch mit meinem Papa seine Beerdigung durchgehen und soll ich dir etwas sagen? Es war grauenhaft für mich in dem Moment, doch im nachhinein bin ich froh, denn wir haben alles so gemacht, wie mein VAter es sich gewünscht hat.
Das sind meine persönlichen Erfahrungen mit meinem Vater. Vielleicht hilft dir das ein wenig weiter. Vielleicht habt ihr auch einen anderen Weg. Es ist verdammt schwer, mit einer geliebten Person über den nahenden Tod zu sprechen und seine Gefühle und Gedanken dazu in Worte zu fassen. Aber vielleicht brauchst du das gar nicht. Vielleicht reicht es einfach, dass du da bist und die HAnd deines Vaters hältst.

Ich hatte meinem Papa eine Wunschliste geschrieben und ich habe mir sehnlichst gewünscht,dass wir einige kleine Dinge hätten realisieren können. Es waren wirklich kleine Sachen, aber die Zeit lief uns davon und nichts davon konnten wir mehr umsetzen. Aber weißt du, auch ich habe verstanden, dass die Realisierung dieser Wünsche nicht mehr wichtig wahr. Wichtig wahr, dass mein Papa sehr gern mit mir am Strand einen Drachen hätte steigen lassen, wenn er es gekonnt hätte. Aber er hatte dafür keine Kraft mehr.

Ich wünsche dir und deinen Eltern alles erdenklich Gute und die Kraft, weiterhin füreinander da zu sein. Es mag wenig erscheinen und doch ist es so viel...
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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