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Alt 08.05.2008, 06:50
Delia1 Delia1 ist offline
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Standard AW: Die Liebe meines Lebens

08. Mai 2008

Mein lieber Schatz,

nun sind also 3 Jahre vergangen, seit du uns verlassen musstest. Diese Zeit erscheint oft ewig lange und dann wieder wie gestern. Noch immer kann man nicht verstehen, wie so plötzlich ein gemeinsames Leben vorbei sein kann und ein Glied in der Kette fehlt.

Ich hatte im April, an deinem Geburtstag einen Moment, in dem ich dich wieder vor mir sah, im Bett liegend. Wir haben uns angesehen und plötzlich wurde es uns beiden bewusst, daß du bald nicht mehr da bist. Ich sah den Schmerz und die Verzweiflung in deinen Augen und du in meinen und wir begannen beide zu weinen. Ich denke dieser Moment ist für einen nicht Betroffenen nicht vorstellbar, denn es ist ein Albtraum, der Supergau, etwas, das man sich nicht mal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen könnte. Früher war da noch die Zuversicht, daß er es schaffen wird. Dann die Hoffnung und zuletzt die Gewissheit, daß man miterleben muss wie der geliebte Mensch sterben muss. Und noch schlimmer als die Gewissheit für einen selbst, ist es zu wissen, daß auch er es weiß und Tag für Tag, Stunde für Stunde, jede Minute und Sekunde mit seiner eigenen Verzweiflung allein ist. Man kann für ihn da sein und ihm helfen, aber dort drinnen in sich selbst ist man so allein und einsam, hilflos und verzweifelt und auch schrecklich zornig. Jeder für sich.

Nach diesem Erlebnis, war wieder alles wie früher. Wir beide hatten Hoffnung und auch wieder nicht. Aber du hattest es schon einmal geschafft, warum nicht wieder? Auch du hast bis zum letzten Moment nicht aufgegeben.

Diese Momente und noch viele andere werde ich niemals vergessen und leider kommen sie mir noch viel zu oft in den Sinn. Aber immer wenn ich denke die negativen Gedanken überschwemmen mich, sehe ich dich wie du den Kopf schüttelst und meinst: „Jetzt reichts aber wieder, mir geht es hier super und ich möchte, daß ihr zwei fröhlich seid und euer Leben genießt.“ Ich bin wirklich dankbar dafür, daß ich noch oft das Gefühl habe, du bist da und freust dich über uns.

Vor einiger Zeit habe ich nachts um dich geweint und dich gefragt, ob du auch um uns weinst und da begann es zu regnen. Der Regen tropfte erst langsam aufs Dach, dann etwas heftiger und plötzlich war es vorbei. Ja, so geht es mir auch. Ich werde wunderbar mit allem fertig, doch manchmal überkommt es mich immer noch und die Tränen fliesen.

Seit letztem Jahr ist es nun etwas leichter und ich bin wieder glücklicher und lache mehr. Ich habe dich 39 Jahre lang lieben dürfen und unser Leben war so glücklich, daß ich nun mit keinen anderen Mann mehr leben möchte. Ich habe so viele schöne Erinnerungen, daß die noch für ein weiteres Leben reichen würden. Ich freue mich nun wieder an meinem Leben und gehe sehr oft mit Carina oder meiner Freundin fort und habe viel Spaß und weiß, daß dir das auch gefällt. Jetzt ist wieder die American Football Saison angegangen und wenn ich zu einem Spiel gehe, besuche ich dich vorher auf dem Friedhof, sind ja nur ein paar Schritte neben dem Stadion. Ich weiß, daß dir das Spaß macht so nah beim Geschehen zu sein, hatten wir doch 25 Jahre unsere Freude beim Verein.

Das Leben geht weiter und es macht langsam wieder Spaß. Aber für deine Tochter und mich vergeht kein Tag, an dem wir nicht über dich reden und wir lieben dich für immer.

Deine Frau

P.S:
Ich kann allen Betroffenen nur raten, sich Zeit zum Trauern zu lassen. Es braucht seine Zeit und manchmal glaubt man, man wird diese Gedanken an die schlimmen Momente nie mehr los. Jeder wird eine Möglichkeit für sich entdecken, wie er mit diesem Verlust umgehen lernt. Manche verzweifeln total, während andere sich bald auf einen neuen Partner stützen. Ich lebe nun zum ersten Mal in meinem Leben allein. Zuerst lebte ich mit meinen Eltern zusammen und dann mit meinen Mann und nun allein. Als mein Mann im Sterben lag und ich durch unsere Wohnung ging, wußte ich, daß ich bald allein darin leben muss. Aber als ich am 8. Mai 2005 vom Krankenhaus nach Hause kam und wußte er kommt nie wieder zurück, da war es als würde mich eine Welle überrollen. Ich stand im Flur und sah ihn vor mir und wußte er kommt nie mehr zurück und da fühlte ich sie zum ersten Mal, die Einsamkeit der Wohnung. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein Gefühl der Leere und Verlassenheit. Aber es gab noch viele andere Momente der Verzweiflung.

Jeden Morgen zur Todesstunde lief alles wieder wie ein Film vor mir ab und ich konnte nicht mehr schlafen. Ich habe geglaubt ich werde das nie mehr vergessen können. Aber plötzlich vor einigen Monaten bin ich später aufgewacht und wußte es ist vorbei. Ich habe mich wie befreit gefühlt und seither schlafe ich durch und habe, wenn ich an diese Momente denke, das Gefühl es ist schon lange her. Und seither kann ich mein Leben wieder genießen und mit dem Verlust anders umgehen. Erst jetzt beginnt mein neues Leben richtig. Ich habe hier im Forum viel Hilfe und Trost bei den zwei Krebserkrankungen meines Mannes erleben dürfen. Man darf nichts forcieren, man muss den Gefühlen ihren natürlichen Lauf lassen. Bei manchen geht es schneller und andere brauchen länger. Aber eines Tages beginnt dann das neue Leben und man freut sich wieder auf jeden neuen Tag. Mein Glück ist, daß ich so viele Hobbys habe, die mich glücklich und zufrieden machen und eine Tochter, die für mich da ist und eine Freundin mit der ich reden kann und viele Bekannte vom Footballverein, der Arbeit meines Mannes und der Nachbarschaft die mich verstehen und mich ablenken.

Lasst euch Zeit und wartet auf das Neue und Andere, aber seid euch sicher, dort „drüben“ sind alle glücklich und wollen, daß es euch gut geht. Beginnt ein neues Leben ohne Sie oder ihn, aber seid sicher er oder sie wird weiterhin bei euch sein und wollen, daß ihr euer Leben genießt.

Ich hoffe ihr alle findet euren Weg.

Delia
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