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Alt 24.02.2006, 01:09
SabineR SabineR ist offline
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Registriert seit: 27.11.2004
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Standard AW: Ich möchte mich zunächst vorstellen

Hallo Kathrin,

ich habe Deine Berichte aufmerksam durch gelesen und denke das Deine Mama weiß wie es um sie steht.
Ich hatte da das beste Beispiel. Meine Mama ist 2003 an Eierstockkrebs erkrankt. Auch wir hatten zu diesem Zeitpunkt absolut kein gutes Verhältnis mehr.Bis zu meinem 15. Geburtstag war noch alles wunderbar aber dann hat sich mein heißgeliebter Vater das Leben genommen und von da an war meine Mutter der Buhmann. Ich habe sie regelrecht gehasst, da ich ihr die Schuld für den Tod meines Vaters in die Schuhe geschoben habe. Erst als mein erstes Kind geboren wurde, ich war zu diesem Zeitpunkt 20, legte sich leicht die Lage.
In den folgenden Jahren gab es immer mal ein hoch und ein tief in unserem Verhältnis. Oft waren wir froh von dem anderen nichts zu hören, dann aber haben wir uns beide wieder gefreut wenn einer von uns beiden sich wieder meldete.
Das ging so die ganzen Jahre bis 2003. In diesem Jahr wurde ihre Krankheit, ich war dann 35, festgestellt und von da an viel es mir wie Schuppen vor den Augen, das es sein kann das ich meine Mama verlieren könnte.
Ich habe Tage und Nächte lang am PC gesessen und im Internet alles über die Krankheit gesucht.
Weil meine Mutter mich wohl besser kannte als ich dachte, fragte sie mich gedesmal ob ich was im Internet gefunden hatte. Auch ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht wie weit meine Mama über ihre Krankheit informiert war. Da ich sie irgendwie nicht anlügen konnte sagte ich ja. Natürlich wollte sie alles lesen.
Ich gab ihr sämtliche Berichte über die Krankheit, vermied es ihr aber die Seiten zu geben, indem sie sehen konnte das sie nicht mehr wie 5 Jahr zu leben hätte.
Da sie aber Altenpflegerin mit Herz war, hat sie dies wohl geahnt und hat sich ohne Ende Bücher gekauft.
Von da an sprachen sprachen wir ganz offen über ihre Krankheit. Ich habe da erst gemerkt was mir meine Mutter überhaupt bedeutet, das es nicht sein darf das sie gehen muss, nicht jetzt wo ich anfing mich ihr wieder zu nähern.

Es waren viele Monate, in denen wir uns immer mehr ausgesprochen haben, über Dinge die wir bestimmt ohne die Krankheit nie angesprochen hätten.
So kam es auch das ich irgendwann meiner Mutter gesagt habe, wenn es so weit ist das sie nach mir kommt und sie bei mir einschlafen soll. Nicht in irgendeinem Krankenzimmer.
Sie sagte spontan ja, das war vor der Krankheit ein Unding gewesen. Sie hat es nie länger als 3 Stunden bei mir ausgehalten. Sie kam eigentlich immer nur den Enkeln zuliebe.
Die letzten 6 Wochen haben wir beide sehr genossen. Sie war bei mir Zuhause und wir haben uns stundenlang unterhalten. Über Sachen die der eine oder andere falsch gemacht hat und irgendwie kam uns es beiden so dumm vor das diese "Kleinigkeiten" so zwischen uns standen.
Dann kam der Tag wo meine Mutter eigentlich ihre Chemo krigen sollte, es war dann die 6 die versucht werden sollte, da die anderen nicht angeschlagen hatten.
Sie sagte spontan morgens, weißt du was die können mich jetzt mal ich will diesen ganzen Mist nicht mehr.
Dies habe ich sofort akzeptiert. Natürlich wurde der Zustand meiner Mutter sofort schlimmer, sie hatte bis dahin ja auch schon 50 Kilo abgenommen.
Sie weinte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auch ich habe nie geweint ich habe mich immer als starke geben wollen und ihr ja nicht meine Schwächen zeigen wollen, vielleicht hat sie ja mal darauf gehofft.
Dann kam der Tag wo sie ihre künstliche Nahrung abgelehnt hat. Sie sagte nur zu mir ich kann nicht mehr, das war 4 Tage vor meinem 38 Geburtstag im letzten Jahr. Ich musste schwer schlucken habe es aber akzeptiert, da ihr Leiden mittlerweile unerträglich war. Sie hat sich nie beklagt und sie war so eine ruhige Kranke. Sie hat es geschafft noch 17 Tag ohne Nahrung zu leben.

Ich war jeden Tag an ihrem Sterbebett, meist bis zu 20 Stunden. Es hat mir das letzte abgefordert aber ich hatte ihr bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht sagen können das ich sie liebe. Ein paar Stunden vor ihrem Tod, es war mitten in der Nacht war ich zum ersten Mal nach Tagen ( sonst war immer das Hospitz da) mit ihr alleine. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt schon seit 4 Tagen Morfium bekommen und war in einem Dämmerzustand und konnte auch nichts mehr sagen. Auf jeden Fall habe ich mir in dieser Nacht ein Herz genommen, ich wusste das ich nur noch eine halbe Stunde mit ihr alleine war, da dann wieder der Hospitz vor Ort war, und habe ihre Hand gehalten was ich ja immer tat und ihr unter Tränen gesagt das ich sie furchtbar liebe. Sie machte die Augen auf, lächelte mich an und sagte : ich weiß mein Kind ich weiß ich liebe dich auch und werde immer bei dir sein, nu geh endlich schlafen.
Sie machte die Augen wieder zu undich dachte ich hätte alles nur geträumt. Als der Hospitz kam, legte ich mich wirklich schlafen nur zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, das ich meine Mama nie wieder lebend sehen würde und das ihre letzten Worte waren ich liebe dich.

Wie du siehst Kathrin haben unsere Geschichten kleine Ähnlichkeiten. Denke nicht zuviel daran was deine Mutter denke würde wenn du auf einmal senil wirst und sie mal in den Arm nimmst. Auch wenn sie weiß wie krank sie ist, wird sie dich bestimmt nicht als Lügnerin abstempeln. Und das Wort ich liebe dich geht einem bei seiner Mutter anscheinend irgendwie kaum über die Lippen, es ist schon komisch das wir es zu unserm Mann oder Kind sagen können aber nicht zu unserer eigenen Mutter obwohl es doch so leicht ist.
Ich hoffe das ihr zueinander findet und die Krankheit so gut es geht bewältigt.

Ganz liebe Grüße Sabine
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