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Alt 09.02.2012, 14:11
frollein frollein ist offline
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Standard AW: spielt euere Prognose bei der weiteren Lebensplanung wirklich keine Rolle?

Hallo Kirsten und all ihr anderen starken Frauen,

ob sich diejenigen von uns leichter tun, die in einem Anfangsstadium einer BK - Erkrankung stehen, möchte ich stellenweise bezweifeln!
Gleichwohl haben manche sicher bessere Prognosen, wenn dies Schlussendlich leider nicht immer der Realität entspricht...ich möchte nur auf Jenni verweisen, deren Krebs in so kurzer Zeit so fies war der AHT ein Schnippchen zu schlagen und ihre Familie im Dezember von ihr Abschied nehmen musste. So jung...
Ich denke, dass da noch manch andere Faktoren bei jeder einzelnen von uns mit eine Rolle spielen wie wir mit einer solchen Diagnose umgehen.
Zu Anfang meiner Diagnose meinte eine Cousine zu mir: "Na, da hast du ja mal wieder ordentlich in die Schxxxe gegriffen!" .
Sicher, das Jahr 2010 war schlimm für mich, jede anstehende Untersuchung im Anschluss lässt einen mit den Zähnen klappern, auch ich zieh die AHT durch, mein Leben ist alleine durch die Situation als alleinerziehende Mom eines behinderten Jungen gewissen Grenzen auferlegt mit denen ich niemanden hier langweilen mag...habe erfahren dürfen, wer voll und ganz hinter mir steht...mein Leben ist in meinen Augen aus vielerlei Gründen alles andere als Schxxxe. Ich hätte manches gerne leichter, unkomplizierter...ist es aber nicht!
Auch bei mir hieß es immer:" Wenn eine es schafft den Krebs zu besiegen, dann du!". Dieser Spruch erschien mir manches mal blasphemisch. Ja, ich bin stark und es war mir immer wichtig im Leben nicht aufzugeben und das Beste aus dem zu machen was ich habe. Ich bin dankbar für jede neue Tür die ich geöffnet bekomme, auch wenn bei mir nicht alles in rosigen Farben erstrahlt und manch einer vor meiner Lebenssituation einknickt. Aber ich bin da und das ist für mich keine Selbstverständlichkeit!

Mir hat ebenfalls geholfen, dass ich die Angst vor meinem möglichen Sterben zulassen konnte. Und ganz klar zu sagen:" Ja, ich werde sterben!". Bis dahin ist hoffentlich noch ein gutes Stück Zeit.
Wir wollen unser eigenes Sterben immer ganz weit von uns weisen - dabei ist er ein Teil von uns. Unsere Gesellschaft möchte ihn klinisch und antiseptisch verpackt wissen und möglichst aus jedermans Nähe verbannen. Nur so funktioniert er nicht, der Tod und das Sterben. Allerdings war ich auch als Kind schwer krank, hätte daran sterben können und mich als 9jährige bereits mit dem Gedanken meines möglichen Todes vertraut gemacht. Solche Erfahrungen prägen. Mich haben sie gestärkt. Mein Sohn hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von vielleicht 45 Jahren. Ich werde nie Oma werden. Sorge dennoch immer wieder dafür, dass aus unseren Träumen Realität wird...denn das Leben ist schön und reich und bunt, wenn wir es nur wollen!
Ich habe Familien erlebt, deren Kinder leichter behindert sind als mein Schlumpf und sie sind in vielerlei Hinsicht am zerbrechen...also funktioniert der direkte Vergleich nicht...es kommt immer auf die individuelle Situation an, auf das Familiengefüge und jeden einzelnen...

Wir können nicht immer alles haben im Leben...
Von daher habe ich Verständnis für Leute die keine dringenderen Probleme haben, als wenn sich mit einemal gleichzeitig der Toaster, Handy und Co verabschieden oder die Frisur nicht sitzt. Es ist nicht meins...und dennoch:
Selbst hier im Forum wird über manche Dinge vermeintlich "Luxusgejammert", wo ich nur den Kopf drüber schütteln kann. Mein Sohn braucht ein neues Reharad welches die KK nicht zahlen wird; dringende Hilfsmittel werden nur teilweise bezuschußt mit der Begründung, dass sie sich ja an die Richtlinien halten würden - nur meinem Sohn ist damit nicht geholfen, mit seinen kaputten Füßen und Beinen, die nicht gerade stehen wollen ohne Orthesen und Co...manch eine jammert über einen Sport BH, den sie sich für eine OP selbst kaufen soll und versuche Verständnis auch für solche Sorgen um einen Sport BH aufzubringen - so sehen die Relationen für jede von uns anders aus...
Ich habe auch so Tage, die nicht in meinem Sinne verlaufen oder wo ich mir einen Wolf über meine Dappigkeit ärgere oder ich in meinen Augen mal wieder zu wenig Geduld mit mir oder meinem Umfeld habe! Die gehören dazu...und das ist auch gut so...das sind so Momente, die ich mittlerweile gut abperlen lassen kann an mir - eben weil ich es nicht ändern kann oder auch nicht möchte, dass mir zuviel Energie wegfließt...und ich habe gelernt, dass es nicht mehr meine Aufgabe ist, meinem Umfeld zu sagen wie schön das Leben dennoch sein kann...ich lass sie jammern oder schenke ihnen einen Spruch ein wie Calypso...
Mit meiner Diagnose hat sich positiv geändert, dass die Angst die mich in den letzten Jahren immer begleitete allem gerecht werden zu wollen, sich meistens verzogen hat. In der Richtung bin ich für mich gelassener geworden. Das fühlt sich gut an!

Diejenigen unter uns, die ganz taff erscheinen mögen oder deren Beiträge man immer wieder gerne liest, weil sie von ganz viel Herzwärme, Humor und Stärke erzählen, sind es die uns alle berühren und unseren Respekt wecken...
Diejenigen unter uns, die schwer am hadern mit sich sind und sich ganz klein und immer ängstlich fühlen, gehört mein Mitgefühl - möchte ich sie doch am Liebsten an die Hand nehmen und ganz viel Mut schenken - und Widerspreche mir somit zu oben geschriebenem...

Mir ist es ein Anliegen, einzelne Schicksale NICHT miteinander zu vergleichen...ach, die hat mehr, die hat es besser, die hat so ne Diagnose, solche Lebensumstände uuu...ich möchte jede/n so stehen lassen mit seiner Geschichte wie sie/er ist und versuchen demjenigen auf die Art gerecht zu werden...wünsche ich mir dies doch auch für mich!
Das gelingt nicht immer, aber doch immer wieder...und wo ich das nicht kann, da gehe ich...

LG

Geändert von frollein (09.02.2012 um 14:13 Uhr)
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