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Alt 01.06.2009, 14:49
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anthierry anthierry ist offline
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Standard AW: Finanzieller Abgrund

Hallo Nika,
deine Geldsorgen kann ich gut nachvollziehen. Leider ist es, wie schon von anderen Userinnen hier geschrieben, noch schwerer auf dem Arbeitsmark, wenn man krank ist.
Ich will dir mal erzählen wie es mir so geht.
Ich bin 2004 an BK erkrankt und hatte zu diesem Zeitpunkt schon zahlreiche Metastasen im gesamten Skelett. Nach Brustamputation und neuem Hüftgelenk hatte ich für mich entschieden, dass mein Leben jetzt noch mal vor vorne "startet". Nach Reha etc. bin ich nach 5 Monaten wieder arbeiten gegangen. zuerst nach dem "Hamburger Modell", danach wieder voll im Schichtbetrieb. Ich war bis zu meiner Erkrankung Flugbegleiter und habe dann am Check-in gearbeitet, da ich ja selbstverständlich durch die Krankheit nicht mehr an Bord arbeiten kann (darf). Ich wollte einfach wieder ganz "normal" leben, habe den Krebs nicht zum Mittelpunkt meines Lebens gemacht, habe aber mehr in meinen Körper "hineingehört" als vorher und mich mehr geschont. Leider hielt das nicht lange an, denn wenn man wieder in der Tretmühle Beruf ist, dann wird man auch voll wieder integriert. Zum Glück hatte ich viele nette Kollegen, die mich unterstützt haben wenn sie sahen, dass es mir nicht so gut ging. Gejammert habe ich nie, dafür mehr unsere jüngeren, gesunden Kollegen (aber das ist ein anderes Thema). Für mich war es wichtig, nicht von anderen anhängig zu sein, meinen Lebensunterhalt alleine bestreiten zu können. Das ging soweit gut - bis Januar 2007. Da meldete sich der Krebs mit Metastasen in den Eierstöcken, Magen, linker Niere zurück. Ein Schock! Diesmal war mir klar, dass mein Plan nun wohl doch nicht mehr aufgeht, sondern ich mich langsam damit abfinden muss ernsthaft krank zu sein und dass jetzt der Kampf um mein Leben im Vordergrund steht. Ich muss sagen, dass ich immer ziemlich optimistisch mit meiner Erkrankung umgegangen bin, was meine Onkologin super fand. Nach Chemo- und Strahlentherapie war ich diesmal nicht wieder so schnell fit wie 2004. Da ich nicht mehr heilbar bin, legte mir die Krankenkasse nahe, EU-Rente zu beantragen, da mein Anspruch auf Krankengeld nur noch begrenzt war. So schwer es mir fiel, hat die Vernunft dennoch gesiegt - EU-Rente beantragt, welche ich seit Oktober 2008 bekomme. Ich habe fast 30 Jahre gearbeitet, 4 Söhne großgezogen, mich regelmäßig weitergebildet, habe seltenst wegen Krankheit gefehlt etc. Nun werde ich mit 713 Euro EU-Rente "belohnt", was für mich auch erstmal ein Schock war. Immerhin hatte ich nun ca. 800 Euro weniger! Nach schlaflosen Nächten und Panikattacken, welche auch durch ziemlich viel Stress mit Behörden (u.a. ARGE) mir dann auch noch einen Aufenthalt in der Psychoonkologie bescherte, habe ich meinen alten Kampfgeist wiedergefunden. Zudem ging meine Beziehung noch in die Brüche und somit fehlte noch mehr "Kleingeld" in der Haushaltskasse. Aber gerade dies hat mich angespornt, mich nicht ubnterkriegen zu lassen.
Ich liege mit Rente, Alis für meinen 13jährigen Sohn und Kindergeld ca. 47 Euro über dem HartzIV-Satz - bekomme also nix. Muss Monatstickets, Schulbedarf, Kleidung, Beiträge für Sportklub usw. alles selbst tragen. Klar reicht es hinten und vorne nicht!
Aber irgendwo musste ja der Rotstift angesetzt werden. Also hab ich angefangen:
- Handyvertrag weg - Prepaidkarte her
- Versicherungen gefilzt und nur noch das Notwendigste wie Hausrat, Haftpflicht etc.
- meinen Bausparer habe ich behalten, weil das ist ein Ziel für mich, mir mal etwas zu gönnen, wenn er in 2 Jahren zuteilungsreif ist
- Klamotten, die mir und meinen Kids nicht mehr passen, werden nicht mehr verschenkt, sondern im ebay versteigert (hatte ich früher keine Zeit für)
- Schränke wurden nach Staubfängern und unnützem Zeugs durchsucht und nun gehe ich mit meiner Freundin 2 mal im Monat aufn Flohmarkt und da kommen auch so ca. 60..70 Euros jedesmal ins Geldsäckel.
- habe Beanies (Strickmützen die gerade in sind) gestrickt und im ebay verkauft, so haben wir uns über Wasser gehalten.
- letzten Monat habe ich auf dem Markt Spargel und im Moment Erdbeeren verkauft - ich darf ja zur Rente 400 Euro hinzuverdienen.
Ab September gehe ich wieder auf 400-Euro-Basis an meinen geliebten Check-in. Da freue ich mich darauf und auf meine Kollegen. Ein Stückchen Normalität...Glaube mir, auch ich fühle mich sehr oft besch...Habe durch die AHT Gelenkschmerzen und Stimmungsschwankungen, Hitzewallungen - das ganze Programm eben. Ich hatte mich im Herbst fast aufgegeben, wußte nicht, wie es weitergehen sollte und habe schlimme Depris bekommen. Manchmal war ich nicht mal in der Lage aufzustehen. Habe mich aber gezwungen - für meinen 13jährigen Sohn. Der hat die Jahre seit meiner Erkrankung sehr viel hinnehmen müssen und ich möchte stark für unsere kleine Familie sein. Und dann habe ich auch noch eine gehörige Portion Trotz, der mich auch noch anfeuert (hinsichtlich meines Ex-Partners).
Von der ARGE wurde ich nicht gut betreut, Falschaussagen, verschleppte Anträge etc. Dadurch ist mir Wohngeld, welches mir zustand verloren gegangen. Deshalb habe ich morgen einen Termin beim Amtsleiter. Ich habe mir diese Krankheit nicht bestellt und würde lieber rund um die Uhr arbeiten gehen - aber auf Krebs könnte ich verzichten! Ich möchte keine Almosen, sondern das, was mir laut Sozialgesetz zusteht, dafür habe ich all die Jahre in die entsprechenden Kassen eingezahlt. Daher fühle ich mich auch nicht als "Sozialschmarotzer". Ich versuche was ich kann, um aus eigener Kraft mein kleines Familienunternehmen über Wasser zu halten, aber die Möglichkeiten sind eben begrenzt.
Mein Sohn muss keine teuren Markenklamotten tragen und ich auch nicht mehr. Er hat das alte Handy seines Vaters, auch wenn ihn Kumpels dafür ab und zu mal ärgern. Schlimm ist dieser Selbstdastellungszwang heutzutage. Haste was - biste was...Ich möchte ihm aber Klassenfahrten und Freizeitspaß ermöglichen, damit er nicht ausgegrenzt ist.
Mensch, das ist jetzt ziemlich lang geworden. Ich wollte dir aber nur sagen, dass du nicht allein dastehst mit diesen Problemen. Vielleicht geht es dir besser, wenn du dich aufraffst und deinem Schicksal die Stirn bietest.
Meine Darlegungen sollten nur Anregungen sein. Ich hätte mir das früher auch nicht vorstellen können, mich mal auf den Flohmarkt zu stellen...
Bei der "Tafel" bin ich noch nicht gewesen. Ich koche sehr gerne und man kann auch mit wenigen Mitteln tolle Gerichte zaubern, die dann auch noch gesünder sind als Fastfood. Klar gibt's bei uns auch mal Pizza - gerade an meinen Infusionstagen. Ich gehen meist Samstag am späten Nachmittag zu Lidl gleich bei mir um die Ecke einkaufen. Da ist von Milch, Brot bis zum Obst und Gemüse vieles reduziert. Das wird dann "eingesackt", zu Hause verarbeitet und eingefroren. Ja - so ändern sich die Zeiten! Not macht erfinderisch. Aber man lernt dazu.
Meine Gute, lass dich nicht unterkriegen! Es führt ein weg aus der Sackgasse!
Die anderen Userinnen haben dir ja schon zahlreiche Tips wie Schuldnerberatung etc. gegeben. Schäme dich nicht, nutze es. Schließlich schämen sich Manager auch nicht!!!!
Ich wünsche dir gutes Gelingen! Vor allem wünsche ich dir Stabilität deiner Gesundheit. Sorgen - egal welche - sind Futter für den Krebs. Du schaffst das, wenn du das willst!
Alles Liebe
Anja

Geändert von anthierry (01.06.2009 um 14:53 Uhr)
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