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Alt 28.06.2008, 11:14
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eva2104 eva2104 ist offline
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Standard AW: Glioblastom IV - Inoperabel

Hallo Petra,

ich bin ganz neu hier und habe die Leidensgeschichte deines Vater gelesen. Zum Anfang mein aufrichtiges Beileid. Es tut mir leid das du deinen Vater auf so furchtbare Weise verlieren musstest. Deine Erzählungen haben mit viel Kraft und Mut geschenkt die ungewisse Zukunft in Angriff zu nehmen. Du hast mit tollen klaren Worten geschrieben was passierte und wie es dir ging. Ich bewunder so etwas zu tiefst. Nachdem ich mich hier umgesehen habe, habe ich mich entschlossen mich anzumelden. Lange konnte ich mir nicht vorstellen darüber mit "fremden" Menschen zu sprechen, doch nachdem ich mich umgesehen habe, hatte ich seid langem ein gutes Gefühl dabei. Ich finde dieses Forum toll und die Gewissheit zu haben, dass hier Menschen sind die genau verstehen von was du sprichst, ist einfach nur erleichternt. Ich möchte euch gerne die Geschichte meines Vater mitteilen.

20. Januar 08. Familienessen: Mein Vater steht in der Küche und kocht als Team mit meiner Mum für uns (ich habe zwei Brüder) und unsere Oma (die Mutter von meinem Vater). Am Esstisch greift er sich an den Kopf und stöhnt auf. Ihm wird schlecht und er wird bleich. Wenig später Sprachstörungen, keine klaren Zusammenhänge mehr. Wir packen ihn ins Auto und fahren ins Krankenhaus. Wir werden zum Notarzt geschickt. Dort kommen wir sofort dran und mein Vater wird hoch ins Krankenhaus geschickt. Verdacht: Schlaganfall! Mein Vater kann nicht mehr laufen und sie besorgen einen Krankentransport der ihn hoch fährt. Als sie ihn oben ausladen bleibt er mit den Augen am Himmel hängen und fängt furchtbar an zu krampfen. Ich arbeite mit schwers-mehrfach behinderten Menschen, aber diesen Anblick am eigenen Vater vergesse ich niemals! Die Ärzte im Krannkenhaus standen nun vor uns und wollten erstmal das Versicherungskärtchen haben bevor sie irgendwas tun! Unglaublich!! Da liegt ein Mann der am ganzen Körper krampft und die denken an das Kärtchen! CT und MRT Bilder werden gemacht, keine Hirnblutung und die Anzeichen für einen Schlaganfall lassen auch nach. Dann die Mitteilung es wären Metastasen. Schlimm genung für uns. Sie bahalten meinen Dad selbstverständlich da. Wenige Tage später wollen sie eine Gewebeprobe entnehmen und evtl. gleich entfernen. Dann die Nachricht "Inoprabel". Wenige Tage später dann die Diagnose: Glioblastom IV !!!!
Seid dem 20. Januar 08 ist nicht mehr wie es einmal war. Mein Vater ist nicht mehr der Mann der er einmal war. Es ist zwar immer noch der tollste dieser Welt, aber halt nicht mehr der, den ich am 19 Jan. noch hatte!
Die Zeit im Krankenhaus ist furchtbar gewesen. Mein Vater ist seid ca 18. Jahren Diabetiker und ist auf eine Insulinpumpe eingestellt. Im Krankenhaus haben sie ihm diese abgenommen weil sie nicht damit umzugehen wussten und haben sein Zucker nicht unter Kontrolle bekommen. So habe sie ihn 1 1/2 Wochen mit über 500 Werten liegen lassen ohne was zu machen!
Wir haben seid Februar mehrere Versuche gestartet gehabt ihm aus dem Krankenhaus zu holen, doch leider mussten wir ihn nach wenigen Tagen akut wieder einliefern lassen, weil es ihm so schlecht ging. Wir haben dann seinen 60. Geburtstag im Krankenhaus feiern müssen. Das Geschenk das wir schon ein halbes Jahr vorher besorgt hatten war für ihn wohl kaum erfreulich. Ein Rundflug mit einem Segelflugzeug. Gleichzeitig gab es an diesem Tag eigentlich noch einen Anlass zu feiern. Den Einstieg in seine Rente!!! Wie ungerecht kann ein Leben sein?! Er hat soviel in seinem Leben geleistet und jetzt wo er sein Leben geniesen sollte, ist er so krank und zum sterben verurteilt! Es tut so unendlich weh!
Seid April ist unser Vater wieder bei uns Zuhause. Wir haben uns als Familie zusammen getan und abwechselnde Schichten, so dass, immer jemand bei ihm ist. Wir versuchen unser Arbeitsleben aufrecht zu erhalten und eine Normalität zu schaffen. So stark waren wir als Familie noch nie und jeder hilft jedem! Meine Mutter bereitet mir jedoch viele Sorgen. Sie ist so stark wenn sie in seiner Gegenwart ist, jedoch so schwach wenn er es nicht mitbekommt. Sie hat begonnen ihre Probleme mit Wein zu ertränken! Ich weiß nicht mwehr weiter! Am Dienstag den 24. Juni hatte mein Vater seid nun doch längerer Zeit wieder Krämpfe. Wir gaben im Diazepam und er beruhigte sich. Es gab jedoch leider einen so starken Abbau das er seiddem in dem Pflegebett schlafen muss, da er nicht in der Lage ist die erste Etage zu erreichen. Am morgen drauf mussten wir den Notarzt holen da er so stark krampfte das selbst das Diazepam nicht half. Sie haben ihm unmengen gespritzt und er entspannte sich. Der Notartzt war sehr erschrocken als er von meiner Mutter erfuhr das sie von den Ärzten nicht aufgeklärt wurde. Ich muss dazu sagen das mich auch keiner Aufgeklärt hat, sondern ich mich Ánfangs im Internet erkundigen musste. Der Notarzt war sehr nett und machte den Eindruck als wüsste er wirklich wo von er spricht. Er gab uns den Ratschlag viel Zeit mit ihm zu verbringen, da der Krankheitsverlauf bei meinem Vater sehr schnell gehen würde....

Nun sitze ich hier und schreibe... ich weiß garnicht wo oben und unten ist... Es ist das erstemal das ich mich an Menschen wende die das selbe Schiksal mit sich tragen und so wie ich, voller Schmerz erfüllt sind.
Ich bin 23 Jahre alt und mein Vater ist mein ein und alles!!!!! Ich bin ein absolutes Papa-Kind und er ist gleichzeitig so wie mein bester Freund. Mein Berater für alle Lebenswege, -Abschnitte und -Situationen. Wie oft haben wir bis morgens um 5 Uhr zusammen gesessen und einfach nur geredet. Jeder aus meiner Familie war schon fast eifersüchtig auf die Beziehung die ich zu ihm hatte, da er nicht der Mann ist, der sich gut öffnen kann. Und nun kann ich genau mit diesem Mann keine Gespräche mehr führen, da es ihn verwirrt und er auch nicht richtig antworten kann. Ich denke so oft an die Zeit die wir hatten und bin so dankbar für die Zeit die wir noch haben, da ich denke das wir wenigestens die Möglichkeit bekommen Abschied zu nehmen und nicht wie bei anderen geliebten Menschen die einfach tot umfallen und nicht die Möglichekit bestand sich auszusprechen. Ich bin dankbar für jeden Tag und doch traurig über dieses Leid. Mir und meinen Brüdern hat man von heute auf morgen unseren Vater genommen, meiner Mutter ihrern geliebten Mann und unserer Oma den einzigen Sohn. Er wird immer noch von uns in der Rolle gesehen, die er für uns hatte, jedoch darf man einfach nicht vergessen das ihm von einem auf den anderen Tag sein Leben genommen wurde! Ich sehe Tag für Tag wie er kämpft und auf der anderen Seite wie sehr er daran kaputt geht in seinem Körper so gefangen zu sein! Er kann nur wenige Dinge selbstständig ausführen und sich kaum äußern. Er weiß zu 100% was ihn erwartet und ich weiß das sein größter Wunsch ist nicht weiter leiden zu müssen! Er hat neulich das erstemal geweint und mir gesagt das er kaum glaubt nächstes Jahr noch da zu sein. Diese Krankheit ist so ziemlich das schlimmste was es auf dieser Erde gibt. Du bist gezwungen einen geliebten Menschen dabei zu begleiten, wie er nach und nach alle Funktionen verliert. Jedoch ist das nicht das Schlimmste daran, viel mehr, das die betroffenen den Zerfall so bewusst erleben müssen und nichts dagegen tun können. Er liegt meistens nur da und grübelt das der Kopf raucht und jeder Versuch mitteilen zu wollen, über was er nach denkt endet für ihn und uns unbefriedigent.

Ich hoffe das ich hier einen Raum gefunden habe in dem ich mich öffnen kann und damit keinen ertränke. Außer meinem Freund, der mir die größte Stütze ist die ich habe, habe keinen dem ich mich öffnen kann. Ich hoffe es wird nicht als egoistisch aufgefasst. Es hat nur einfach gut getan dieses Forum gefunden zu haben und zu lesen das es viele weitere Menschen gibt, die diesen Schmerz fühlen und evtl. mit dir teilen können, so wie du ihn mit ihnen teilst wenn du ihre Leidensgeschichten liest.

Liebe Grüße Eva
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