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Alt 01.12.2005, 11:20
martinese martinese ist offline
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Standard AW: Eine (fast) Erfolgs-Story die nun doch zu scheitern droht

Hallo,

vielen Dank für eure unterstützenden Worte. Man findet immer wieder neue Denkanstösse, Bestätigungen fraglicher Entscheidungen oder tröstende Worte.

Ich kann nicht mehr. Mein Körper ist übermüdet und in den letzten Tagen relativ unterernährt. Mein Geist ist geschwächt, verwirrt und zermürbt und mein Herz ist verletzt und durch Schmerzen geplagt.
Gestern morgen kamen wir mit der ganzen Familie zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mittlerweile haben wir alle Begriffen dass uns nur noch ein Wunder schier unermesslichen Ausmaßes helfen kann, ansonsten hat sie definitiv keine Zukunft mehr. Da wir aber seit über 6 Monaten alles tun, damit sie gesund wird, wäre es komplett schizophren jetzt etwas zu tun, was dieser Idee entgegensteht. Also haben wir uns dafür entschieden, dem Körper alle erforderlichen Medikamente weiterzukommen zu lassen. Reanimation o.ä. haben wir ausgeschlossen. Das bedeutet, dass die Entscheidung über ihr Schicksal eigentlich feststeht, man nun aber abwarten muss, bis ihr Körper und somit sie selbst loslässt. Man hofft, dass sie nicht mehr allzu lange dafür braucht. Und dass ist irgendwie krank und absurd, meinem Innersten widerspricht es aufs Äußerste. Ich liebe sie so sehr und jetzt zu wollen, dass es ihr schnell schlechter geht und sie dadurch erlöst wird,ist verrückt. Aber Lommi, du hast es geschrieben: Wenn das Wunder nicht eintritt, dann lasst sie gehen, denn das ist der größte Beweis der Liebe zu ihr. Als ich diesen Spruch gelesen habe , kamen mir die Tränen, da er die Wahrheit widerspiegelt zugleich aber unendlich schmerzt. Es ist eine reine oktroierte Entscheidung der Vernunft, die dem Herzen erst in der Konsequenz der Erlösung meiner Mutter entspricht, primär aber genau das Gegenteil des Herzenswillen bedeutet.

Wir waren gestern wieder bei ihr im Krankenhaus. Wenn man sie sieht, verliert man die zwanghaft erreichte Neutralität des Kopfes, in der man beschlossen hat, dass es besser für sie ist zu gehen. Man sieht sie auf dem Bett liegen, völlig entspannt und friedlich. Ein Teil der Werte geht in Richtung Besserung und man bekommt zwangsläufig Hoffnung. Ich habe sie jeden Tag bekräftigt zu kämpfen und ihr Mut zugesprochen, gestern habe ich dies zum ersten Mal nícht getan, sondern nur gesagt, dass alles gut wird. Ist das nicht komisch? Man motiviert sie nicht mehr zu kämpfen, obwohl man an sich so sehr will, dass sie genau das tut, um gesund zu werden. Das Probem ist nur, (Wunder ausgenommen) dass dies nicht eintreten kann. Sie kann nicht mehr gesund werden. Ich habe gestern nochmals mit der Ärztin gesprochen und erklärte ihr den inneren Widerspruch und auch, dass man tief innen drin doch noch auf die letzte, kleine, verbliebene theoretische Chance hofft, dass die Wunden sich irgendwie doch von alleine verschliessen. Sie sagte, dass sie heute den Wundverband gewechselt haben und dass in dem Bauch die Säfte aus Magen und Leber stehen. Diese letzte Chance sschließt sie danach aus. Zudem zeigt ihr Röntgenbild eine Lungenentzündung, die ihr eigentlich kein annähernd akzeptables Atmen ermöglichen sollte. Die Ärzte wundern sich über ihre Werte. Ich mittlerweile nicht mehr. Meine Mum ist die größte Kämpferin die ich kenne. Sie hat den Willen zu leben nicht verloren und zwingt ihren geschundenen Körper zu kämpfen mit dem Ziel wieder bei uns zu sein. So wie ich meine Mum kenne, will sie das aber nicht für sich, sondern für uns. So wie sie immer alles zuerst für ihre Familie wollte.
Wahrscheinlich liegt es jetzt an uns, ihr zu sagen, dass sie loslassen kann...
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