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Alt 25.03.2011, 11:28
Mai62 Mai62 ist offline
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Standard AW: kommt die Psyche nun doch nach?

Hallo Stadi,
ich glaube, ich kann dein Problem sehr gut verstehen (aber leider nicht helfen) und möchte mich deinem Thema anschließen. Auch bei mir ist die Therapie schon länger her. Dennoch zweifle ich langsam an meiner geistigen Verfassung und weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich zittere zwar nicht, habe aber sehr oft Herzrasen und schreibe mir jede Kleinigkeit auf um nichts zu vergessen und das durcheinander im Kopf so einigermaßen in Griff zu kriegen. Ich wüsste auch nicht wie ich das einen Arzt erklären soll, geschweige denn, dass ich in Worte fassen kann was los ist.

Habe nun versucht aufzuschreiben, wie ich mich fühle. Vielleicht geht es anderen ja auch so oder es weiß jemand Rat.

Nach 13 Monaten Krankheit bin ich im Okt. 2010 wieder zur Arbeit. Zunächst sechs Wochen Wiedereingliederung. Das war schon sehr anstrengend, ging zu schnell und ich fühlte mich völlig überfordert. Habe dann eine Arbeitszeitreduzierung mit aufgestautem Urlaub vereinbart. Das wären 3,5 Tage die Woche, aber nicht mal diese schaffe ich. Bin unkonzentriert, kann mir nichts mehr merken, schon beim Aufstehen nur müde (schlafe sehr schlecht), Knochen wie ne 80jährige und null Motivation. Vor der Krankheit war ich leitende Angestellte mit Personalverantworten (60-70 Std. die Woche und immer 150% Vollgas und Streß und selten krank) für Konzernabschluss. Habe nun andere einfache Aufgaben ohne Verantwortung. Die Arbeit sollte dann doch leicht zu bewältigen sein! Stattdessen läuft es wie folgt:
6.00 Aufstehen, brauch Zeit um Knochen und Gelenke in Gang bringen
9.00 Arbeit (geht montags noch ganz gut, weil erholt vom WE). Ich kontrolliere die Arbeit vom Vortag um Fehler auszubügeln und das sind ganz schön viele und nur die, die ich sehe.
11.00 kann schon nicht mehr denken, bin müde, muss ja aber neue Aufgaben anfangen (die ich am nächsten Tag wieder korrigieren werde), ständiger Blick auf die Uhr, unkonzentriert, warte auf Mittagpause.
13.00 muss aufpassen, dass ich nicht einschlafe, arbeite immer langsamer, bekomme nichts wirklich fertig, kann keine Entscheidungen treffen, warte auf Feierabend, die Zeit geht nicht rum.
16.00 mache Feierabend (waren nicht mal 6,5 Arbeitsstunden, hätte 7 Std. machen müssen weil ich freitags frei habe). Eigentlich müsste ich noch Einkaufen, Eltern besuchen oder Dinge erledigen. Ich will aber nur noch nach hause und schlafen.
Den Rest des Tages ödel ich dahin, kann mich nicht mehr aufraffen, schaffe nichts mehr.
Verschludre Nachsorgetermine, sage Termine bei der Psychoonkologin ab, will keine Ärzte mehr sehen. Kann nicht mal einen Werkstatttermin für mein Auto machen oder andere banale Dinge.
Mindestens einmal die Woche nehme ich spontan zusätzlich Urlaub. Habe meist schon die Jacke an um zur Arbeit zu fahren, kann dann aber nicht, melde mich mal Krank aber meistens zusätzlich Urlaub an.
Ab 1.4. muss ich wieder voll arbeiten…. Und ich schiebe echt Panik. Mein Urlaub ist erheblich geschrumpft, so dass ich nun haushalten muss.
Bis jetzt hat (hoffentlich) noch keiner meine Fehler und (nicht) Arbeitsweise bemerkt. Habe im Moment noch ein Einzelbüro. Das ändert sich leider auch bald, dann kann ich meine Nichtleistung nicht mehr verbergen. Wie soll ich das durchhalten, habe Angst um meinen Job.

Mein Mann, meine Kinder, Familie, Freunde, Kollegen und Umfeld erwarten, das nun alles wieder gut ist. Sind ja alle Behandlungen gemacht worden. Selbst meine Psychologin sagt, ich wäre doch gesund, der Krebs ist weg. Auch ich habe den Anspruch, dass es nun gut ist. Muss doch wieder wie vorher werden, bin doch erst 48 Jahre. Wenn ich dann die Treppe hoch gehe, nach Luft schnappend überlege was ich eigentlich wollte, wieder runter gehe, ins stolpern gerate und um die Ecke noch die Bodenvase umlaufe, dann könnte ich mich nur noch heulend im Bett vergraben, weil es mir ständig so ergeht. Nichts gelingt mehr, alles ist so mühsam geworden.

Ich bin total vernarrt in meine Enkel, und wollte soviel mit ihnen unternehmen (Zoo und was Oma so macht). Aber ich wimmle sie immer öfter mit fadenscheinigen Ausreden ab….. habe die Kraft nicht mehr … und das tut so weh, kann mich für nichts mehr begeistern, will nur noch meine Ruhe.

Irgendwas hält mich gefangen, ich fühle mich im Kopf wie gelähmt, denke viel kreuz und quer, unstrukturiert und kann nichts umsetzen.

Mein Mann hat für Ende April eine Woche Urlaub gebucht. Ich gebe mir echt mühe mich darauf zu freuen und trete auch so auf, aber tatsächlich graut mir davor. Möchte am liebsten zu hause bleiben. Da fühle ich mich sicher. Auch in der AHB ging es mir so. War froh als die rum war und ich würde auch keine Zweite beantragen.

Es ist so schwer, nach außen unbeschwert zu erscheinen. Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zusammen reißen kann…..WANN HÖRT DAS AUF……..

Sorry, ist lang geworden (habe ich auch lange für gebraucht). Es tut aber gut, mal nieder zu schreiben wie es mir geht. Bei der Psychologin fehlen mir immer die Worte um auszudrücken wie ich mich fühle. Vielleicht sollte ich ihr das mal vorlegen.

Stadi, ich wünsche dir alles Gute, einen erholsamen Mittagsschlaf und das du Hilfe findest.
liebe Grüße Birgit
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