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Alt 05.12.2001, 14:06
Gast
 
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Standard Was tun wenn sich jemand aufgibt? HILFE

Hallo Anja - Sabine!
Da ich die letzte war, die hier vor deinem Beitrag geschrieben hat, gehe ich davon aus, daß sich dein Beitrag auch (vielleicht hauptsächlich) auf mich bezieht. Versteh mich nicht falsch, aber auch ich kann nicht nachvollzeihen, wieso du das hier schreibst.

Deine Meinung, du hoffst, daß die Erkrankten das hier nie erfahren werden, hat mich tief getroffen. Du sagst, wir "prügeln" die Betroffenen durch die Therapien, ob sie wollen oder nicht. Ich glaube, du hast leider nichts von dem verstanden, was unsere Sorgen sind. Ich prügel meine Mutter duch keine Therapie. DAs einzige, was ich versuche, ist, daß sie ihren Lebenswillen nicht verliert. Was bitte, ist daran falsch? Meine Mutter will nicht sterben, daß sagt sie immer wieder, manchmal nicht so direkt, aber alles deutet darauf hin. Was bitte ist falsch daran, wenn ich versuche, ihr Infos zukommen zu lassen, die vielleicht eine positive Prognose bewirken können? Sie sagt, sie will nicht sterben, aber versucht auch nicht, dieses Gefühl umzusetzen. Sie läßt sich hängen, nimmt es doch einfach nur hin. Und da kannst du nicht nachvollziehen, daß mich das belastet? Du kannst nicht nachvollziehen, daß ich sie schütteln möchte und ihr sagen will "Gib dich nicht auf. Wenn du leben willst, dann gib dich bitte nicht auf. Tu etwas!!!" Das ist ein "durch die Therapien prügeln"???

Du hattest mit deinem Mann noch drei gemeinsame Jahre. Dafür kannst du dankbar sein. Meine Sorge ist, daß wir nicht einmal mehr ein gemeinsames Jahr haben werden, wenn sich meine Mutter weiterhin so verhält. Wie beschrieben, ich glaube an so etwas wie Selbstheilungskräfte oder an den Zusammenhang zwischen Psyche und Prognose. Die Thesen von Simonton haben mich überzeugt. Ich weiß, sie müssen nicht mich, sondern meine Mutter überzeugen. Was ist so falsch daran, wenn ich ihr das Buch gebe, sie bitte es zu lesen? Ich sehe, daß sie leidet, daß sie Angst hat. Wenn ich der Überzeugung bin, daß die Inhalte des Buches meiner Mutter vielleicht etwas Hoffnung, die sie verloren hat, machen kann, warum bitte soll ich ihr das Buch nicht geben???? Du redest davon, daß man das letzte Stück des Lebens gemeinsam gehen soll, aufrichtig und in Würde... du weißt anscheinend doch nicht, wie es ist, "das letzte Stück in Würde zu gehen", wenn sich jemand aufgibt. Dann kann man diesen Weg nicht in Würde gehen.

Mein Verhalten ist egoistisch??? Das hat mich schwer getroffen. Ich verstehe unter Egoismus etwas anderes. Und die meisten in diesem Forum sicherlich auch. Es ist also egoistisch, wenn meine Mutter sagt "Der Krebs ist unheilbar" und ich antworte "Mama, die Chancen sind nicht gut, das stimmt. Aber es gibt sie. Bitte glaube mir das. Glaube daran." Wenn ich versuche, ihr Hoffnung zu machen. Das ist Egoismus? Ich bitte dich. Überdenke doch noch mal das, was du geschrieben hast.

Wenn der Tag kommt, an dem die Ärzte sagen, daß sie nichts, aber gar nichts mehr für meine Mutter tun können (und ich bin egoistisch, denn ich hoffe und bete, daß dieser Tag nicht kommen wird), dann werde ich das akzeptieren. Und dann werde ich alles dafür tun, daß auch meine Mutter es akzeptiert. Ich werde versuchen, es ihr so schön wie möglich zu machen. Aber noch akzeptiere ich das nicht. Das wäre egoistisch in meinen Augen. "Sie stirbt ja eh, was soll ich noch groß reden, was soll ich mich noch groß informieren?" Ich werde alles dafür tun, daß meine Mutter die Hoffnung nicht aufgibt, noch nicht. Und dann nenn es meinetwegen Egoismus.

Daß ich der Birgit geraten habe, sich noch einen Rat bei dem Prof zu holen, hat auch nichts damit zu tun, daß ich will, daß sie ihren Paps durch irgendwelche Therapien prügelt. Ich selber habe erfahren müssen, daß z.B. die Wahl des Krankenhauses bzw. des Arztes einen unwahrscheinlichen Einfluß auf die Therapie hat. Es gibt Ärzte, die gben sich Mühe und es gibt Ärzte, die geben sich absolut gar keine Mühe. In meinen Augen ist es sinnvoll, eine zweite Meinung ainzuholen. Es gibt Ärzte (und vielleicht war das bei Birgits Vater der Fall), die sagen "Ups, er hat die Chemo nicht vertragen, naja, da kann man wohl nix mehr machen..."- Und es gibt Ärzte, die sagen "Ok, die hat er nicht vertragen, aber das andere Medikament, das wird ihm helfen. Wir probieren es einfach noch mal. Wir geben diesen Menschen noch nicht auf." Das ist in meinen Augen wichtig, auch wenn es keine kurative Therapie ist, sondern sie zB nur gemacht wird, um Beschwerden klein zu halten. Und im übrigen spielt es sehr wohl eine Rolle, ob jemand noch drei Monate hat oder durch eine Therapie vielleicht 6, 9 oder 12 Monate. Natürlich nicht wenn er schwer körperlich leidet. Das meine ich nicht.

So, und noch etwas. Du gibst uns hier den Rat, Bücher wie "Vom Umgang mit dem Sterbenden" zu lesen.... Ganz ehrlich? Ich weigere mich zu diesem Zeitpunkt, soclh ein Buch zu lesen. Meine Mutter ist noch nicht am sterben. Sie lebt. Ich weigere mich, sie als Sterbende zu bezeichnen. Das tue ich nicht. Gerade der Kleinzeller ist ein scheiss Krebs, mit einer fürchterlich schlechten Prognose. Aber noch ist sie nicht am sterben. Noch können wir Hoffnung haben. Und die werde ich nicht aufgeben, noch nicht. Sie ist noch keine Sterbende.

Ganz deutlich gesagt; würde ich deinen Rat befolgen und mir zu diesem Zeitpunkt soclh ein Buch besorgen, dann hoffe ich, nein, dann bete ich zum lieben Gott, daß meine Mutter nie erfahren wird, daß ich solch ein Buch lese...... Sie dürfte alle meine Beiträge lesen, aber DAS, das dürfte sie nie erfahren.

Wie soll sie Hoffnung haben, wenn ich sie aufgebe? Wenn du aufmerksam gelesen hast, weißt du, das ich es akzeptieren werde, wenn es soweit ist. Aber es ist noch nicht so weit. Das ist das einzige, was ich meiner Mutter vermitteln möchte. Was bitte, ist so falsch daran?
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