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Alt 10.08.2009, 16:29
Geske Geske ist offline
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Registriert seit: 18.10.2007
Beiträge: 87
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo an alle,
und wer diese Thematik nicht ausführlicher mitlesen mag, bitte jetzt wegklicken.


Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
Was verstehst du unter Mut? Sich blind in gewagte Abenteuer zu stürzen? Sich treiben lassen vom eigenen Schicksal und dem der anderen? Sich ohne Hirn in Gefahr zu begeben? Die Geschehnisse einfach so laufen lassen?

Diese Textpassage ist aus dem Zusammenhang heraus gerissen, aber es sind gerade diese Bedenken, die Angst bei uns begleitenden Angehörigen schüren. Was kommt auf mich zu, handle ich vielleicht fahrlässig?
Genau das glaube ich nicht, das jemand fahrlässig handelt, auch wenn das gern als Gegenargument zum selbstbestimmenden Ende benutzt wird. Kein Angehöriger wird „irgendwie drauflos handeln“, das hält die Psyche gar nicht durch, viel eher kippt man um, d.h. in der Endphase bekommt der Begleitende Angst vor der eigenen Courage (StefanS nannte es „umfallen“), denn man steht auf einmal allein da, es gilt zu erfüllen, was der Betroffene entschieden hat als er sich noch nicht in der Endphase befand. Auch ich habe dem Wunsch meines Mannes entsprochen und ihn zu Hause begleitet, aber der Hausarzt und eine weitere Ärztin waren involviert und sie haben die Entscheidung meines Mannes mit akzeptiert.

Wovor sich mein Mann sicher gefürchtet hätte, ist dieser in der Endphase bei Angehörigen immer wieder aufkommende Gedanke „wir schaffen es noch“ wider besseres Wissen, das belastet den Sterbenden mehr als es ihm nutzt, denn ich glaube die direkt betroffenen fühlen sehr klar ihre Situation – und sie wollen nicht mit Durchhalteparolen befeuert werden. Es ist für uns Laien auch schwer zu erkennen, wo der Punkt ist, an dem wir mit gutem Willen nichts mehr ausrichten können, die Kranken scheinen diesen Punkt klarer zu sehen.

Zitat StefanS: „Was mich verfolgt, ist die Nacht ein paar Tage vorher, als ich es nicht geschafft habe, meiner Frau die größte Angst zu nehmen, die sie hatte. Und ich ihr sagen musste, dass ich nicht rund um die Uhr bei ihr sein kann, weil ich doch auch mal schlafen, essen und aufs Klo gehen muss. Das nicht versprechen und leisten zu können, hat mir das Herz zerrissen. Und mit dem Versagen weiter zu leben, ist nach wie vor nicht so einfach.“

Ich bin zwischendurch auch eingeschlafen, aber ich würde das nicht als Versagen werten, wenn man 24 Stunden oder gar noch länger in einem Stück für den Sterbenden da sein muss. Wenn wir uns so hohe Maßstäbe setzen, könnten wir den Wunsch unserer Angehörigen auf Nähe überhaupt nicht erfüllen.
Zu wissen, die Freiheit zu haben, sein Ende selbst zu gestalten, würde manchem Betroffenen vielleicht das Grauen vor dem Sterben zumindest mildern.

Beste Grüße
Geske
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