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Alt 22.01.2006, 09:25
Brittavl Brittavl ist offline
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Standard AW: Hilfe, keine Chemo mehr

Danke an alle, die ihr Worte für uns findet; egal welche.
Jetzt zu den letzten Stunden meines Papas: Er war für Freitag für die OP vorgrsehen. Für ihn war es endlich so weit. Wir alle hatten wieder Hoffnung, daß er wieder richtig essen kann. Er hatte doch schon 5 Monate drauf verzichten müssen. Habe freitag morgen noch mit ihm telefoniert. Er klang sehr gut, überglücklich, daß "was" passiert. Dann mit meiner Mutter gesprochen, hoffentlich machen die alles richtig, hoffentlich klappt alles. Nein, du kannst beruhigt sein. Prof Uhl wird nichts machen, wenn es Papa nicht schaffen würde. Kann nur besser werden.
Tja, es sah auch erst so aus. Ich mache Prof Uhl und dem KH keinen Vorwurf. Papa hat es nicht geschafft. Aber eigentlich hat er es geschafft. Eigentlich hat ER die Krankheit besiegt!!!
Die Nacht von freitag auf Samstag war für mich sehr schlimm. Ich habe sehr schlecht geschlafen. Ich war auch eine Stunde auf, von 2 bis 3 Uhr, habe dann noch bis 4 Uhr im Bett wachgelegen. Um halb sieben habe ich meinen kleinen Sohn rufen hören: MAMA, MAMA. Ich bin aufgestanden, habe ihn aus dem Bett geholt, bin mit ihm ins Wohnzimmer. Da habe ich dann unser Telefon sofort gesehen, das Anrufe anzeigte. 5 Minuten, bevor ich ich auf war, hatte meine Mutter angerufen: das KH hat angerufen, Papa geht es sehr schlecht, wir müssen hin. Dann habe ich noch eine Bochumer Nummer gesehen, keine Nachricht hinterlassen. Rückruf, endlosen Bimmeln, der Arzt geht ran. In der Nacht hat er um Papa gekämpft, der Kreislauf will nicht mehr. Er ist jetzt wach und ansprechbar, bitte kommen.
Ich wollte eigentlich erst Sonntag hin, Papa nach der OP noch Zeit lassen. Meine Tochter sollte Samstag in die Schule, Tag der offenen Tür, für die kommenden 5-Klässler. Wollte sie um 10 Uhr dort abliefern. Mein Mann hat sich Samstag vormittag 4 Termine gelegt. Hätte Schwierigkeiten gehabt, es mit dem Kleinen auf die Reihe zu kriegen, weil ich meine Tochter um 13 Uhr wieder abgeholte hätte (am WE ist die Busverbindung zu unserem Dorf echt blöd). Und hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen, daß ich Papa erst am Sonntag besuchen kann.
Dann ging alles sehr schnell. Meinen Mann aus dem Bett geschmissen, Tochter geweckt, irgendwas angezogen, den Kleinen fertiggemacht. Da meine Mutter und mein Bruder mitkommen sollten, noch das Auto umgebaut (hab einen Zafira). Dann los nach Dortmund, die beiden abgeholt. Nach Bochum gerast. Auf die Intensiv. Tut uns leid, sie müssen noch etwas warten, wir haben einen Notfall (Papa?). Endlich durften wir rein. Ich war geschockt. Eigentlich quatsch, er ist auf Intensiv. Überall Geräte, Schläuche...
Papa war wach und ansprechbar. Er konnte kaum reden. Laß es, drück meine Hand, wir sind da. Mir fehlten die Worte. Mama war die ganze Zeit da, ich mit immer mit den anderen abgewechselt. Dann sagte der Pfleger, daß er Papa gleich auf das Einzelzimmer legen wird, das wäre besser für alle. Läuft seine Zeit ab? Ja, ich denke, er wird heute gehen. Wir wieder raus. Mein Mann war mit den Kindern in der Cafeteria, telefonierte sich einen Wolf, um dieTemine abzusagen. Dann ist er mit den Kindern und meinem Bruder nach Hause gefahren. Mama und ich sind dageblieben. Papa hat 11 Atemzüge in der Minute geatmet. Tief und kraftvoll. Er hatte die Sauerstoffmaske auf. Aber er war nicht mehr ansprechbar, hat nicht mehr reagiert. Der Pfleger wollte ihn auf die Seite drehen. Nein, bitte lassen sie ihn einfach so liegen. Wir haben jeder eine Hand gehalten, mitgelitten. Er hat gekämpft, wollte sein Leben nicht loslassen. Ständig kamen die Pfleger, beobachteten den Monitor, Papa. Traurige Blicke sahen uns an. Wie können wir helfen, daß er nicht mehr leidet? Der Pfleger stellte langsam die kreislaufunterstützenden Mittel runter. So grausam es klingt, ich habe ihm die Atemmaske runtergenommen, den Sauerstoff weggenommen, der ihm das Atmen erleichtert. Immer wieder tiefe, kraftvolle Atemzüge. Das Herz schlägt kräftig, das Kreislauf etwas runter. Meine Mutter mußte mal zur Toilette. Da sie mit Gehhilfen unterwegs ist, dauert es. Papa atmet langsamer, die Herzfrequenz geht runter. Nein, papa, nicht jetzt, bitte warte noch. Aber es hat noch ca. 2 Stunden gedauert. Er hatte Atempausen von ca. 2 minuten. Ich habe auch seine Halsschlagader gesehen. Der Puls wurde schwächer, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann hat er wieder tief Luft geholt, wollte sie nicht mehr aus seinem Körper lassen. Langsam, mit einem grauenvollen Stöhnen kam sie wieder raus. Das kräftige Sportlerherz wollte einfach nicht aufhören zu schlagen.
Dann endlich,um viertel vor zwei, hat er noch einmal ca. 10 bis 15 kräftige Atemzüge gemacht, aber alle Sachen auf dem Monitor gingen gegen null. Ich hab den Puls am Hals gesehen, der immer schwächer wurde. Die Geräte gaben keinen Alarm, den haben wir abstellen lassen. Ein letztes Stöhnen und um kurz vor zwei war es vorbei. Endlich konnte auch meine Mutter weinen. Ich habe Papa die Augen zugedrückt, habe das Bett raufgestellt, damit Mama ihn noch einmakl in den Arm nehmen konnte. Sie kann sich ja nicht bücken.
Die Pfleger ließen uns noch ein paar Minuten mit ihm allein.
Tschüß, Papa. Hoffentlich hast Du Deinen Frieden gefunden. Du wirst immer bei mir sein. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.
Es ist gut, daß Papa nicht mehr leidern muß, es war alles richtig, was und wie es passiert ist. Nur die Krankheit war natürlich nicht richtig. Warum sie ihn treffen mußte? Ich konnte bei Papa sein, bis zum Schluß. Aber warum mußte Papa so leiden, damit ich diese Erfahrung machen konnte? Ich fand es nicht schlimm, dem Tod zu begebnen. Vorher ja, aber in dem Moment nicht.
An dieser Stelle auch ganz herzlichen Dank an das St. Josefs-Hospital, an die Station Chirugie 2 und an die Intensiv. Für das Mitgefühl, für die Worte, für die Umarmungen, auch für den Kaffee.
Ich werde Prof Uhl eine Mail schicken mit meiner Danksagung nd die Bitte, noch mal die OP zu besprechen. Ich hatte auf der Intensiv nach der OP gefragt, sie haben mir auch viel erzählt, aber das weiß ich nicht mehr.
Jetzt ist leider die Organisation der Beerdigung angesagt. Wir haben gestern von ihm Abschied nehmen können, jetzt wollen wir allen Freunden von ihm (Sportler, ehemalige Arbeitskollegen, Nachbarn, usw.) die Gelegenheit geben.

Ich danke allen hier, die mir Infos, Worte und Trost gespendet haben. Ich umarme euch alle, danke, danke, danke,...

Es sind leider so viele, denen das gleiche wiederfahren ist,

Britta
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