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Alt 11.09.2007, 19:15
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Beate'68 Beate'68 ist offline
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Standard AW: Stationen des Lebens

Geliebte Mama

Hab‘ Dir während Deiner Krankheit Deinen Freiraum gelassen.
Hab‘ stets respektiert, wenn Du sagtest ‘Fahr endlich nach Haus‘.
Hab‘ lang‘ so getan, als hätten wir noch alle Zeit der Welt.
Wollt‘ uns nicht jeden Moment vor Augen halten den nahenden Tag X.
Und doch, im Herzen spürte ich, wie wenig Zeit uns blieb.

Bin aus reiner Liebe oft Deinen Fragen ausgewichen, hab‘ Dich manchmal ‚beschummelt‘.
Wußtest früher, wenn ich es tat und hast‘s nun ja teils auch so gewollt und still akzeptiert.
Hätt‘ ich Dir sagen müssen, daß/was ich mit dem Chefarzt so besprach?
Manchmal wolltest Du ja auch, daß ich für Dich mit den Ärzten sprach, wolltest nicht mehr alles wissen.
Und nie solltest Du erfahren, daß wir unseren Kurzurlaub abbrachen.

Viele Kilometer entfernt hatt‘ ich am Telefon gespürte, wie schlecht es Dir ging.
Spät abends war ich dann zuhaus‘ bei Dir und Du sagtest danke.
Ich verstand gar nicht wofür und fragte völlig irritiert ‚Danke wofür‘?
Du sagtest danke dafür, daß ich bei Dir war - Mama, das war selbstverständlich!

Hast Dir zuletzt so viele Gedanken gemacht, um Claudias Kinder und um mich.
Hast es nicht artikuliert, doch ich spürte, was Dich bewegte.
Konntest Dich verabschieden von manchen Freunden und von Claudias Kindern.
Von letzteren nur durch viel Glück, denn 9 Tage vorm Tag X ging K auf 9-tägige Klassenfahrt.

Am Tag von K’s Abfahrt sprach ich mit der Ärztin, sie meinte, es wär‘ besser, wenn K noch mal käm‘.
Auf mein Bitten kamen dann B und K tatsächlich ein letztes Mal zu Dir.
Dies war einer der schmerzlichsten Tage überhaupt für jeden einzelnen von uns vier.
Aber einer, der kam nicht und das schmerzt und ich versteh’s bis heute nicht.

Hast oft gefragt, was J sagt, wenn ich so lang‘ an Deiner Seite saß.
Nie hätt‘ J was gesagt, er weiß, was wir einander bedeuteten.
Und zuletzt – 4 oder 5 Tage vorm Tag X - saß ja auch er bei Dir.

Hast Dich so sehr gefreut, als er Dir einen Deiner letzten Wünsche erfüllte,
ein kleiner, kühler Schluck H.......bier.
Hattest Dir auf Deinen fernen Reisen manchmal eins als krönenden Abschluß bestellt.
Und hast‘s nun jedem noch mit so glücklicher Stimme und strahlenden Augen erzählt.

Nachmittags gegen vier kam J fortan, um mit Dir zu trinken,
ein paar Schluck des kleinen Exportbiers – erinnerte Dich das an das Reisen?
Oder sahst Du Dich längst auf Deiner Reise zur letzen Station Deines Lebens?

Ich weiß, wir beide spürten ganz genau die Nähe vom Tag X!

Semper amo te !
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