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Alt 18.07.2004, 02:19
Gast
 
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Standard Vulvakarzinom--Suche junge Betroffene

Liebe Helga,
und ich finde es schade, daß ich offenbar meine Meinung zu Deinen Beiträgen nicht verständlich genug formuliert habe. Ich verharmlose nicht, ich habe nur versucht Deine angstmachende "Verstümmelungstheorie" zu relativieren.

Zuersteinmal: Du fühlst Dich offenbar sehr angegriffen, das war nicht meine Absicht eine sooo heftige Reaktion hervorzurufen. Ich schließe das auf Deine sehr verständliche Angst zurück. Mit Deinen Aussagen in Bezug auf die Vulvektomie = Verstümmelung und als Krönung nun noch "Fakt ist, daß das Sexualleben damit beendet ist" gibst Du allen betroffenen Frauen EINE OHRFEIGE. Hallo???
Du KANNST das einfach nicht beurteilen, da Du eben selbst glücklicherweise keine V. hattest, das meinte ich mit "blind sein".
Vielleicht hast Du nur Kontakte zu Frauen bei denen dies so ist, auch ich kenne einige die mit ihrer Sexualität dananch Probleme haben, aber ebenso einige, mich eingeschlossen, bei denen es durchaus funktioniert. Sicher ist es "anders" und erst einmal schwierig, aber es geht und es kann möglich sein. Du tust ja gerade so, als wäre man dann keine Frau mehr. Es gibt Fälle - ja , insbesondere bei denen eine Bestrahlung notwendig war, wo es massive Probleme gibt. Aber ich kann niemanden ins Schlafzimmer gucken, und ich glaube wenn die innere Einstellung nicht stimmt, kann es eh nicht funktionieren. Was habe ich denn für eine andere Wahl als diesen Zustand anzunehmen und das Beste daraus zu machen??

Ich hatte im übrigen eine wunderbare und erfahrene Ärztin- also auch eine Frau (!), der ich vollkommen vertraue. Ich wurde in der Frauenklinik Uni Frankfurt behandelt, betreut, umfassend und ausreichend untersucht und informiert und eben auch operiert. Ich finde es etwas anmaßend deren Fähigkeit unbekannterweise in Frage zu stellen.
Zum besseren Verständnis für Dich ganz grob umrissen:Bei mir fing es ja ganz harmlos mit einer, wie sich erst später herausstellte, schweren Dysplasie an, (auch an der Uni gibt es nämlich eine solche Sprechstunde). Nach diversen Untersuchungen und den bereits erwähnten Biopsien wurde ich entsprechend gelasert und teilweise wurde auch die Skinningmethode angewandt. Alles also noch relativ harmlos (die Wundheilung ist natürlich der Horror gewesen...) Ich kann heute von Glück sagen, daß damals die Ränder AN EINER WINZIGEN Stelle nicht okay waren, bzw. der Sicherheitsabstand war EIN WENIG ZU GERING!!! Es wurde daher eine Nachresektion EMPFOHLEN!! Ich hätte das nicht machen brauchen, meine Ärzte haben es mir lediglich ans Herz gelegt um ganz sicher zu gehen und ich habe mich dafür entschieden, weil ich einfach Ruhe haben wollte und nicht vielleicht irgendwann wegen dem selben Mist nochmal unters Messer zu müssen, wieder ewig lang Wundheilung, kein Sex etc. ... nee, darauf hatte ich keine Lust. Die Wunden waren noch gar nicht ganz verheilt, da wurde diese OP auf meinen Wunsch hin schon durchgeführt. Hierbei verlor ich schon zum größten Teil meine beiden inneren Schamlippen, was im übrigen für das Sexualleben auch keinen superschlimmen Verlust bedeutet hat... :-)

Die Ränder hätten diesmal eigentlich okay sein MÜSSEN. Als nach 2 Tagen der Pathologie-Befund da war, erhielt ich die vorläufige Diagnose Vulva-Ca. Es folgten mehrere INTENSIVE Aufklärungsgespräche. Desweiteren hatte ich Gespräche mit einer Psycho-Onkologin. Bei fast jedem Gespräch war mein Mann dabei (vier Ohren hören mehr als zwei!) und ich MUSSTE einsehen: Ich habe keine andere Wahl als die Vulvektomie!! (Bei mir waren alle Labien beidseitig betroffen und sehr weit gestreut.) Ebenso daß die Lymphknoten raus müssen, in meinem Stadium liegt die Wahrscheinlichkeit, daß bereits Lymphknoten befallen sind immerhin bei 34%!!! Ich habe intensiv recherchiert, ALLES was ich zu diesem Thema und Krebs im Allgemeinen finden konnte VERSCHLUNGEN, ich habe mit Betroffenen Frauen Kontakt aufgenommen, viele Gespräche geführt mit den engsten Freunden und der Familie. Ich wurde von den Ärzten zu keiner Zeit unter Druck gesetzt und habe den OP-Termin selbst bestimmt. Ich habe mich offensiv mit meiner Erkrankung und den Möglichkeiten und Alternativen auseinandergesetzt. Sicher... ich hatte furchtbare Angst vor der OP, das Leben danach und den Sex abgehakt! Ich dachte, ich werde in meinem ganzen Leben nie mehr Gefühle haben, geschweige denn einen Orgasmus und überhaupt werde ich meines Lebens nicht mehr froh... Ich wußte es halt nicht besser. Aber heute sieht die Welt schon ganz anders aus!! Und was wäre wohl gewesen, wäre ich dem Rat meiner Ärztin nicht gefolgt? Munter wäre mein Krebs weitergewachsen, metastiert wohin auch immer...
Soviel zur Fähigkeit meiner Ärzte...

Wie soll ich Dich nun vom Gegenteil überzeugen? Helga, was bringt Dich eigentlich zu Deiner Annahme, daß nach einer V. kein Sexualleben mehr möglich ist??? Ich kann auch ja nur von mir reden, und bei mir war entscheidend, daß ich meinen veränderten Körper akzeptiert habe, mich mit ihm angefreundet habe. Ich komme immer wieder zu der Frage nach der Alternative?? Es ist jetzt nun mal so! Ich liebe Sex und "Liebe machen", also wenn ich es weiterhin will, muß ich was dafür tun, darf es nicht ablehnen oder leugnen. Also ich würde "sie" DIR sogar wirklich gerne zeigen... meine neue "Muschi" :-), Du würdest erstaunt sein, wie harmlos sie aussieht. Ich muß Dir z.B. ehrlich sagen: ich finde es gar nicht soooo unangenehm ohne Schamlippen, es ist viel sauberer und einfacher zu pflegen :-) Mein Scheideneingang ist sehr, sehr eng und das macht mir, ich gebe es zu, auch zu schaffen, aber auch das ist lösbar mit viel Dehnen, d.h. üben, üben, üben... :-) Das ist auch echt kein Weltuntergang und zur Not muß ich vielleicht operativ nochmal ran, aber im Vergleich zu dem was ich hinter mir habe, ist das ein Klacks. Ich habe ja meine Klitoris noch behalten dürfen, obwohl dort leider auch ein winziger Befund war. Vielleicht werde ich sie auch noch verlieren irgendwann. Sie ist also noch da, aber eigentlich quasi nicht vorhanden, da genau dort alles noch etwas taub ist. Es werden ja einige Nerven in Mitleidenschaft gezogen und vielleicht wird sie nie mehr wie früher fühlen... ... na und?? Wichtig ist doch: ICH habe noch Gefühle und Lust, Verlangen und Bedürfnisse... Leidenschaft! DAS wird ja nicht weg operiert! Das kommt vom Kopf und von der Einstellung dazu. Desweiteren wird man ja nicht IN der Scheide operiert und JA: ich KANN einen Orgasmus haben!! Es ist NATÜRLICH alles anders als früher, aber es ist da und mit der richtigen Einstellung kann man sich auch das "Andere" wunderschön machen, garantiert!! Denke mal an die Frauen mit Gebärmutter/hals- oder Eierstockkrebs, an Frauen die dort Bestrahlungen haben müssen oder die große Wertheim-Op. Teilweise höre ich von verkürzten Scheiden, die haben dann vielleicht noch eine schöne Vulva rein äußerlich, können aber überhaupt keinen Verkehr mehr haben. Das sind dann auch Dinge die ich mir vor Augen führe, wenn ich mal einen Durchhänger habe. Der Vulvakrebs ist einer der Wenigen der rein operativ relativ gut heilbar ist, Bestrahlungen nach OP sind selten, Chemos noch weniger. Und er ist meist ein sehr fieser Krebs, denn ICH hatte fast gar keine Beschwerden, ich kann also meinen Ärzten nicht vorwerfen, Zeit vergeudet zu haben.

Ich soll Dich davon überzeugen, daß das Leben nach einer V. noch lebenswert ist??? Diesen Satz finde ich echt den Hammer... Natürlich ist ein Leben nach einer V. noch lebenswert!!!! Mein Leben spielt sich ja nicht nur unter der Gürtellinie ab! Oder sollen wir operierten Frauen uns jetzt alle das Leben nehmen? Ich habe diese Operation gemacht, WEIL ich leben will. Dank und mit Hilfe meiner Ärzte habe ich den KREBS BESIEGT, der mir unbehandelt zwangsläufig ein wahrscheinlich sehr unschönes Ableben beschert. Du würdest einer solchen OP niemals zustimmen?
Sollte Deine Frau Doktor, der Du ja auch sehr vertraust, aber plötzlich mitteilen, daß es sein muß, entscheidest Du Dich also GEGEN DEIN LEBEN, weil es dann für Dich vermeintlich ohne Sexualität keins mehr ist??? Sorry, dann hat Sex bei Dir offenbar einen extrem hohen Stellenwert? Ist auch okay... Für mich ist er auch sehr wichtig und ich hatte natürlich diese Ängst auch, genauso kann es aber sein, daß mein Mann morgen impotent wird und da ich ihn sehr liebe, würde ich mich wohl mit einem Leben ohne oder eingeschränkte Sexualität abfinden, weil es dann eben einfach so ist! Niemand, auch nicht Deine Ärzte können es verhindern, wenn Du VulvaKrebs bekommen sollst, dann kriegst Du ihn und Fertig!

Liebe Helga, wenn Du bisher mit dem Lasern gut ausgekommen bist, dann kannst Du dafür sehr dankbar sein. Du hast Glück!!! Andere haben das nicht, es ist Schicksal oder ich betrachte es sogar mehr als eine Prüfung. Du hast große Angst, daß auch auf Dich doch noch eine Vulvektomie zukommen könnte. Aber Du wehrst Dich dagegen und hast dabei, meiner Meinung nach ohne es zu merken, bereits betroffenen Frauen ganz schön auf die Füße getreten... zumindestens mir!

Ich unterstütze Deine Forderung nach mehr Aufklärung und nicht zu vergessen: FORSCHUNG. Aber momentan müssen wir noch alle mit dem leben was möglich ist.

Ich habe meine Antwort öffentlich geschrieben, (auch wenn sie jetzt sehr lang geworden ist) in der Hoffnung, daß sich vielleicht noch weitere Frauen an der Diskussion beteiligen und positive und negative Erfahrungen beitragen oder sich einfach trauen können darüber zu schreiben oder Fragen zu stellen.

Lieben Gruß
Tanja
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