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Alt 01.04.2008, 23:01
AnnaLu AnnaLu ist offline
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Standard AW: NHL-Meningeose, sekundundäres ZNS-Rezidiv

Hallo Ihr Lieben,
ich danke Euch von ganzem herzen für den schönen Kreis, ich hoffe, dass ich die kraft annehmen kann.

Mein Mann ist heute um 17.30 gestorben.

ich weiß nicht, ob ihr es ertragen könnt, wenn ich es ein wenig beschreibe, aber ich möchte es gerne.
Am Donnerstag habe ich mir morgens schon eine kleine Tasche gepackt und bin damit ins büro gefahren. Dort habe ich einen urlaubszettel ausgefüllt, nachdem mir mein Chef nocheinmal vorgehalten hat, was er schon alles für mich getan hat, mit dem Kommentar, warum ausgerechnet er immer an solche Pflegefälle gerät. Der rest meines Jahresurlaubes sind jetzt noch 6 tage und die brauch ich für Brückentage und Weihnachten. tolle situation.

ich war dann um 16 Uhr im Krankenhaus, meine Mutter und meine Schwiegermutter waren auch dort und es war eine relativ entspannte Stimmung. Ich habe meinem Mann gesagt, dass ich ab jetzt bei ihm bleibe. Mit den Schwestern haben wir uns noch eine Möglichkeit überlegt, wie wir ihn mal aus dem bett bekommen, um ein wenig an die Luft gehen zu können. Wir haben dann einen Liegestuhl mit rollen gefunden, auf dem er es leidlich bequem hatte, aber der Ausflug hat nur kurz gedauert, es war ihm einfach zu anstrengend. Nachdme er sich von den Strapazen winigermaßen erholt hatte, haben wir noch lange über alles möglich gesprochen. ich muß dazusagen, dass wir immer viel über uns gesprochen haben, es war uns immer wichtig, die gefühlslage des anderen zu wissen. Mein Mann war sehr klar und hat sich für so viele Dinge entschuldigt, er hätte so viel Energie in unwichtige Dinge gesteckt und sei traurig darüber, dass wir diese Energie nicht anders sinnvoll nutzen konnten. Am traurigsten war er darüber, dass wir kein Kind bekommen haben. ich habe ihn immer wieder in den Arm nehmen müssen. Es ist nun einmal so, man trifft entscheidungen, die in dem moment richtig sind und später denkt man einfach anders darüber. Wir haben viel geweint und auch viel gelacht an dem abend. irgendwann sind wir eingeschlafen. die nacht war sehr unruhig, immer wieder wollte er nach hause, oder aufstehen.
am Freitag kamen die ersten Besucher, es war sehr bewegend, weil ich niemanden aufgefordert hatte, zu kommen, war es wirklich schön, sich bewußt zu verabschieden. Das kann schließlich auch nicht jeder.
Am Freitag abend ist er sehr unruhig gewesen und hat Beruhigungsmittel bekommen, in der nacht wollte er aufstehen und hat sich mit übermenschlicher kraft aus dem Bett gerobbt und ist auf den Boden gefallen.
Wir haben dann ein Gitter an sein Bett montiert.
Am Samstag kamen wieder einige Leute und auch das war sehr schön. Für die Nacht wurde er sehr stark beruhigt.
Am sonntag morgen rasselte er stark beim Atmen. eine sehr erfahrene und auch sehr liebevolle Schwester erklärte mir, dass das bereits der beginnende Sterbeprozess ist. Dazu muß ich sagen, dass dieses Rasseln und die Versuche, den Schleim loszuwerden, meinen Mann sehr angestrengt haben, so dass er mit seinem flüsterton auch nicht mehr zu verstehen war. Außerdem war er sehr unruhig, und hat es fast geschafft, über das gitter aus dem Bett zu kommen, um nach hause gehen zu wollen.
Der Arzt hat mich dann gefragt, ob er ihn sedieren soll und ob wir alles besprochen hätten. Zwichen uns gab es nichts mehr zu sagen, wir waren mit uns im Reinen. Der Arzt sagte, dass ich den zeitpunkt bestimmen solle, wann er ihn schlafen schickt, denn er sollte nicht mit Panikattacken kämpfen müssen. ich habe seine Mutter bringen lassen und dann haben wir ihn schlafen geschickt. meine ganze Familie kam und wir haben gewartet, geheult, gelacht, stumm gesessen. mein mann hat geatmet, geatmet, geatmet. Er wollte ja auch nicht gehen.
Meine Schwiegermutter hat irgendwann gesagt, dass sie bleiben will, wir haben noch eine Schlafmöglichkeit ins Zimmer gestellt und zusammen die Nacht verbracht. Lutz wurde nochmal wach und hatte wieder Panik, wollte wieder aus dem Bett aussteigen, konnte aber nicht mehr reden. Die Narkosemittel wurden erhöht.
Am Montag trabte wieder die ganze Familie an, mein Bruder sagte noch, dass noch viel zu viel Kraft in im steckt. ich bin sehr unruhig gewesen, mit dem Wissen, dass er stirbt und dass viel zu erledigen sein wird, war ich sogar fast wütend, warum er denn nicht endlich einschlafen würde. hin und her gerissen, zwischen Trauer, Fassungslosigkeit, etwas wut und sehr viel unruhe und der Frage, was ich denn nun zuerst anpacken soll.
ein Freund kam vorbei und wir haben darüber geredet, daß ich mein auto verkaufen muß. ich fahre einen wunderbaren Volvo v70, aber eben leider auch schon 360.000 km lang. wir haben mit diesem auto all unsere reisen gemacht und er hat uns gute dienste erwiesen. vor 2 jahren hat sich mein mann den traum erfüllt und sich ein Cabrio geleistet, nur mit diesem auto durfte ich in der zeit hächstens 4 x fahren. Er hat immer gemeint, ich würde sein auto zu geld machen, aber ich habe ihm erklärt, dass ich wenigstens den sommer über mal spaß an dem Wagen haben möchte. Er fand es in Ordnung undhat sich entschuldigt, dass er sich mit den autos immer so pingelig angestellt hat.
ich hatte mich mit meinem freund für dienstag verabredet, er wollte mein auto waschen, und vor allem von innen mal sauber machen (ich hatte seit Oktober keine zeit dafür), fotografieren und dann inserieren. Er kam am dann heute gegen 16 Uhr und ich habe im das auto gegeben. als ich zurück ins Zimmer kam, sagte mir meine Schwiegermutter, dass Lutz vor wenigen minuten aufgehört hatte zu atmen. Er ist nicht noch einmal wach geworden.

Er hat 3 Tage lang so unglaublich um sein leben gekämpft, dass wir fast gedacht haben, dass er gleich aufsteht und uns sagt, dass alles nur ein Scherz gewesen wäre. Es ist so verdammt bitter.
ich werde nie wieder mit ihm streiten können, nie wieder sehen, wie sich dieser eitle gockel zum ausgehen zurechtmacht, nie wieder sein gejammer hören, wenn ich mit dem sauberen Auto durch eine pfütze fahre oder auf der Autobahn über 200 km/h fahre, er wird nie wieder neben mir schnarchen und mich vor bösen geitstern beschützen und kein mensche wird jemals so viele und so schöne Kosenamen für mich haben.
und ich bin so dankbar, dass ich ihn gehabt habe, wir haben 15 wunderschöne Jahre zusammen verbracht und uns sehr geliebt. ich habe ihm gesagt, dass ich sicher bin, dass wir uns irgendwann einmal wiedersehen werden.
Ich bin unsagbar traurig, ich habe meine große Liebe verloren.

Antje
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Mein Mann (48) hat am 15.10.07 den Kampf gegen den Krebs (NHL) aufgenommen und ihn am 1.4.08 verloren. er wird in Gedanken weiterhin bei mir sein.
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