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Alt 03.10.2007, 16:07
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Verweigerung der Behandlung?

Hallo Monika und alle,

(ich wusste, dass ich damit in ein Fettnäpfchen trete...)

Zitat:
Zitat von Monika15 Beitrag anzeigen
Wie kann man sich weigern, etwas zu tun, wenn man überhaupt noch nicht weiß, welche Möglichkeiten, etwas zu tun, bestehen?
Vielleicht genau deshalb. Ich habe bei meiner Frau und meiner Schwägerin das Procedere beim Brustkrebs (BK) mitbekommen: Knoten in der Brust erstastet, dann zur Sono-/Mammographie. 5 Tage später stationär in der Klinik. Weitere 5 Tage später aufwachen und feststellen, dass die Brust amputiert wurde...

Das ging dermaßen schnell, dass meine Frau in dieser Krise überhaupt keine Zeit hatte, sich Wissen über die Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten anzueignen. Sie war im Schock-Zustand (Das kann nicht sein! Sowas passiert mir doch nicht!) und wurde von der Medizin-Maschinerie völlig überfahren. Und als sie Zeit hatte, darüber nachzudenken, ob / was sie an Behandlung will... da war es dafür zu spät, weil schon Tatsachen geschaffen wurden.

Nun weiss ich auch, dass BK nicht so zeitkritisch ist wie LK. Ich weiss aber auch, dass es eine beträchtliche Anzahl von Frauen gibt, die sich beim BK trotzdem Zeit zum Nachdenken lassen - und sich der Chemotherapie verweigern.

Zitat:
...und ob jetzt ein nicht behandelter Krebs soviel Lebensqualität bietet? Ich bin mir auch da nicht sehr sicher.
Ich doch auch nicht. Und ich weiss sehr wohl, dass man elendig am Leben hängt, wenn es soweit ist. Und dass niemand aus der Theorie heraus sagen kann, wie er sich da verhalten würde. Und dass niemand auf die blödsinnige Idee kommt, nach so einer Diagnose sein Geld auf den Kopf zu hauen und erstmal eine Weltreise zu machen. So naiv bin ich nicht.

Zitat:
bei allem gebotenen Respekt, kannst Du mir bitte erklären, was Du hier eigentlich wissen willst?
Das schrieb ich schon: ob es hier jemanden gibt, der sich angesichts der Diagnose einer sehr wahrscheinlich tödlichen Krankheit der (schulmedizinischen) Behandlung verweigert hat. Und wie er damit leben kann, wenn er noch lebt.

Zitat:
viel Erfolg bei deiner Entscheidung - die ja vielleicht gar nicht ansteht.
Ich bin mir der Unmöglichkeit einer "Entscheidung" sehr wohl bewusst. Ich habe keine Angst vor'm Lungenkrebs. Ich habe nur eine chronisch obstruktive Bronchitis, deren Behandlung ich vor vielen Jahren abgelehnt habe. Statt Cortison und 2 anderen Medikamenten täglich müßte ich nur aufhören zu rauchen. Und weil ich das nicht tue, macht IMHO auch die Symptombehandlung keinen Sinn.

Wie soll ich mich verständlich machen? Wahrscheinlich gehört meine Frage gar nicht genau in dieses Forum. Weil sie natürlich theoretisch ist. Aber: ich habe (nicht nur beim BK meiner Frau und Schwägerin) schon oft miterlebt, dass diese Frage, wenn sie mal nicht mehr theoretisch ist, sondern wegen persönlicher Betroffenheit praktisch und akut... dass dann den Betroffenen kaum noch Zeit und Raum bleibt, sich mit dieser Frage zu befassen. Weil dann Schock, Unglauben, Verzweiflung, Diagnosen, Termine, Therapien, Verwandte, Ratschläge, x Ärzte, Infusionen, Nebenwirkungen usw. regieren. Und weil ein Mensch, wenn er in diesem Apparat gefangen und mit Valium, Haldol und evtl. Morphium vollgepumpt ist, ohnehin keiner Überlegung mehr fähig ist.

Ich habe z.B. die Schwester meines Schwagers an Krebs sterben sehen. Mit gerade mal 27 - und keine 6 Monate nach der Diagnose - war sie tot. Nur, was mir zu denken gibt: sie hat diese letzten 6 Monate nicht Zuhause im Kreise der Familie verbracht, sondern in einem Klinikbett. Und ich frage mich, ob für sie nicht 4 Monate in Unkenntnis (und ohne die Last der Diagnose und Behandlung) Zuhause besser gewesen wären als 6 Monate im Krankenhaus...

Aber wiegesagt: vielleicht gehört das alles gar nicht hier hin, weil es nicht direkt was mit LK zu tun hat. Sondern damit, wie Mensch mit einer sehr wahrscheinlich tödlichen Krankheit umgeht. Bzw. Nein: nicht mit der Krankheit, sondern mit dem Wissen darum. Und mit der Varantwortung (oder Überforderung), die "richtige" Entscheidung zu treffen.

Ich kann das schlecht erklären, weil das für mich natürlich theoretisch ist, und weil es dazu in meinem Kopf ziemlich wirr zugeht. Vielleicht ein Beispiel aus eigener Erfahrung: wenn Frau schwanger ist, weiss sie, dass es die Möglichkeit der Pränatal-Diagnostik per Fruchtwasseranalyse gibt. Und jeder Arzt wird ihr dazu raten. Weil man dabei u.a. diagnostizieren kann, ob das Kind Trisomie 21 / Down-Syndrom hat. Mal ganz davon abgesehen, dass bei dieser Fruchtwasseruntersuchung als "Nebenwirkung" x-mal mehr Ungeborene sterben als ohne diese Untersuchung mit Trisomie 21 zur Welt kämen... Ganz abgesehen davon, gibt es bei einem positiven Befund ein massives Gewissensproblem für die Eltern: die müssen nämlich eine Entscheidung treffen, die IMHO kein Mensch treffen kann - die Entscheidung über Leben und Tod. Lasse ich das Kind abtreiben, oder bekomme ich es. Und so oder so - wie kann ich mit dieser Entscheidung später leben. Wie oft bereue ich, dass ich dieses Kind habe abtreiben lassen? Und wie oft bereue ich andernfalls, dass ich es nicht habe abtreiben lassen?

Nun, wir haben uns (trotz massiven Drucks von Seiten der "Fachleute" - der studierten Mediziner) gegen diese Diagnostik entschieden - sondern beschlossen, lieber nicht-wissen-zu-wollen, und die Entscheidung als "schicksalhaft" hinzunehmen.

Natürlich hinkt dieser Vergleich in Sachen Krebs o.a. tödliche Krankheit ganz beträchtlich. Weil es da ein anderes Leben ist, über das man entscheidet, nicht das eigene. Und weil Trisomie nicht tödlich ist. Vielleicht versteht trotzdem jemand, wo die Parallelen sind. Darin, dass Mensch heutzutage (unter z.T. massivem Druck der Medizin-Maschinerie) dazu gezwungen wird, Entscheidungen zu treffen, die dem Menschen IMHO nicht zustehen. Und dass evtl. "gesünder" ist, nichts wissen zu wollen und diese Entscheidung nicht treffen zu müssen.

Denn, wenn Mensch zu dieser Entscheidung gezwungen wird (und da komme ich wieder auf den Krebs), entscheiden sich bei Pränataldiagnostik wie bei Krebsdiagnostik > 95% der Betroffenen unter Zeit- und psychologischem Druck zu dem, was die (ebenfalls nicht betroffenen) Mediziner raten. Und natürlich mit ihrer persönlichen Hoffnung, dass schon irgendwie alles gut werden wird.

Nur ist diese Hoffnung (zumindest bei LK) statistisch gesehen ebenso irrational wie die Vogel-Strauss-Taktik. Und vielleicht suche ich deshalb nach den < 5% der Patienten, die die Irrationalität des Strauss' der Irrationalität des Medizinwesens vrogezogen haben...

Viele Grüße,
Stefan