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Alt 05.12.2002, 16:23
Gast
 
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Standard Angehörige sind (fast) schlimmer dran!

Hallo Ihr Lieben,
najaaaa, die Frage nach dem "wer leidet mehr" soll ja jetzt kein Wettbewerb oder sowas sein, nicht wahr? Jeder sieht sich in seiner eigenen Situation, ob Selbstbetroffener oder Angehöriger, und für jeden ist es aus seiner Sicht her bereits schlimm genug.

Ich selber bin auch Krebsbetroffene, und bei mir war es ebenfalls so, dass ich alles alleine machen durfte. Denn meine Angehörigen wollten den "Ernst der Lage" gar nicht erst begreifen und stellten alles als "nicht so schlimm" hin. Ich habe also niemanden gehabt, welcher richtig mit mir "mit-gelitten" hat, welcher mich begleitete, und zwar genau auch aus jenem Grund, weil sie alle gar nicht in der Lage dazu waren.

Auch DAS gibt es. Da halfen selbst verzweifelt versuchte Gespräche und Wünsche von mir nichts. Selbst als ich zusammenbrach, war keiner da. Man hat mich höchstens belächelt und gesagt, ich würde übertreiben.
Meinen Angehörigen geht's also gut. Ihre Verdrängungsmechanismen funktionieren tadellos.

So sieht es jedenfalls aus. Aber ich weiss, dass es in ihnen trotzdem "brodelt". Da ist eben eine Angst da, die so gross ist, dass man gar nicht daran denken, gar nicht darüber sprechen möchte. Und am besten VERGISST man es dann.
Meinen Angehörigen geht es also wirklich SEHR gut. Weil sie vergessen können. Und dieses Vergessen gibt ihnen Kraft.

Was ich leider nicht kann.
Was mir leider nicht im geringsten etwas geholfen hat.
Es hat nur verletzt.
Es hat nur weh getan.
Alles zusätzlich zum Krebs!
Und es hat sich bis heute noch nichts geändert! So lange ich noch "funktioniere" kann man eben alles vergessen. So einfach geht es.

Da waren aber ganz wenige Leute, welche wie Engel auftauchten. Kurze Hilfen. Kleine Hilfen. Ihnen verdanke ich sehr viel, auch wenn ihre Hilfen nur etwas Kleines waren. SIE haben mir mehr geholfen, als meine eigenen Angehörigen. SIE waren wie kleine Wunder für mich.

Daher sagt bitte nicht, Angehöriger zu sein ist schlimmer. Das tut mir genau so weh, obwohl ich verstehe, was Ihr meint.
Aber als Krebspatient erst überhaupt NICHT von den Angehörigen unterstützt zu werden, ... ist noch TAUSENDMAL schlimmer. Wetten?
Ich wollte diese "Sicht" hier einfach noch aufschreiben, weil man sowas gerne mal übersieht, weil man sich nur schwer vorstellen kann, dass da ein Krebspatient völlig alleine gelassen werden könnte. VON den eigenen Angehörigen!

Nun, ich halte mich eben an meine Leute, an meine "Engel", die mir kleine Hilfen anbieten, die plötzlich mal für mich da sind. SIE sind es, die mir die Kraft geben. Und SIE sind es, die mich nicht GANZ an der "Vergesslichkeit" meiner eigenen Angehörigen verzweifeln lassen.
Ich halte mich an die glücklichen Augenblicke, an das Lächeln von neuen Freunden, und an den Austausch mit anderen Betroffenen.
Engel gibt es immer wieder. Irgendwo. - Tja, auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt in der eigenen Familie anzutreffen sind ...!

Ich wünsche Euch alles Gute, Ihr Lieben, endlos viel Kraft und auch Weisheit.
Es grüsst Euch
die "krasse" Brigitte
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