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Alt 18.01.2008, 09:00
Mona66 Mona66 ist offline
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Standard AW: VORHER-NACHHER-Wie geht Ihr mit der Lebensumstellung um

Liebe Nikita,

vielleicht bekomm ich es besser erklärt, ich probier es mal...

Okay, du fühlst dich in der Gesellschaft umhegt und behütet. Gut. Aber es mag andere geben, die würden, wenn sie etwas "geschenkt" bekämen, sich evtl. nutzlos fühlen. Sie sind es gewohnt, dass sie etwas dafür bekommen, dass sie Leistung erbringen. Und nun bekommen sie etwas geschenkt, weil sie "behindert" sind darin, zu leisten. Das mag doof sein, aber für manche ist das etwas, dass sie verarbeiten müssen.

Ein anderes Beispiel sind die Reaktionen der Angehörigen: Ich glaube, du hattest geschrieben, dass Dein Sohn Panikattacken hatte? Ist ja auch egal, angenommen ein Angehöriger hätte sowas. Wenn dich das dann belasten würde, dann hätte das nichts damit zu tun, dass du Krebszellen intellektuell nicht begreifst. Es geht um die Einbettung in die Gesellschaft. Es geht um Mutter-Kind-Beziehungen. Und die Ursache der Panikattacken hat mit ziemlicher Sicherheit etwas mit der Gesellschaft, mit der Kultur in der wir leben zu tun. Es geht darum, welches Verhältnis die Gesellschaft zum Sterben hat, welches zu Krebs.

Auch Deine "Wut", dass du die Krankheit nicht verstehst, hat eine gesellschaftliche Komponente. Die aufgeklärte Gesellschaft möchte eben alles durchdringen und verstehen. Und das was nicht geht, dafür ist dann eben "Gott" da... Stell dir vor, du würdest in einer Gesellschaft leben, in der es gar nicht erstrebenswert wäre, zu verstehen. Deine Ängste sähen ganz anders aus, wenn du überhaupt noch welche hättest...

Ganz direkt finde ich, ist die Wirkung der Gesellschaft in den direkten Reaktionen der Mitmenschen zu spüren. Man bekommt einen diffusen Mix von Erklärungen und vor allem von den Ängsten der Mitmenschen vor den Latz geknallt, mit dem man erst mal klar kommen muss und den man irgendwie handhaben muss. Da gibt es ganz viele Ursachensucher, die nach "Schuldigen" für die Krankheit suchen und das alles ganz genau wissen, ohne etwas Genaues über die Kranken zu wissen. Da gibt es Theorien von Krebspersönlichkeiten usw. Da ist eben momentan immer noch der gesellschaftliche Stand des Wissens, irgendwann vor 20 Jahren gesät und bis sich so was ändert, dauert es eben... Ich fand das ziemlich nervig. Meine Erkenntnis war, dass man als Kranke in der Lage sein muss, sein Umfeld zumindest am Anfang meinungsmässig zu führen, sonst nervt das ziemlich, was die Leute aus Unwissenheit erzählen. Wenn man das kann, geht es ziemlich gut und die Gespräche mit den Mitmenschen sind eine Bereicherung, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen. War für mich aber auch erstmal eine Erkenntnis zu akzeptieren, dass ich mich um die Hilflosigkeit meiner Mitmenschen kümmern muss und nicht umgekehrt.

Das waren jetzt ein paar Beispiele... verständlicher, was ich meinte??
viele Grüße
Mona
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