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Alt 13.09.2016, 10:59
Nichtaufgeben! Nichtaufgeben! ist offline
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Standard nichts ist wie vorher

Hallo ihr Lieben,
Achtung, ich muss gleich warnen. Mein Beitrag ist für viele vielleicht "Jammern auf hohem Niveau". Für alle, denen es viel schlimmer geht möchte ich mich im Vorfeld entschuldigen. Aber ich brauche irgendwie ein Ventil, in dem im meinem Kummer mal Luft machen kann und vielleicht kann mich der ein oder andere auch verstehen? Dann wäre es sehr lieb, wenn ihr mir eure Strategien einmal mitteilen könntet.

Es geht um die Erkrankung meines Mannes.
Ehrlich, ich habe nicht mehr die Kraft jede Einzelheit der Tumorerkrankung aufzuschreiben. Denn jedesmal tut es verdammt weh und die Aufzählung alleine nimmt mir manchmal die Luft zum Atmen.
Kurzfassung ist: Darmkrebs, T3 Tumor, lokaler Befall des Bauchfells, N2b aber L0 und V0 und am wichtigsten ist nach HIPEC R0 und bis zum heutigen Datum tumorfrei seit dem 02.03.15.
Die Ärzte haben ihm gute Chancen ausgerechnet gesund zu werden und alle Therapien waren kurativ ausgerichtet.

Nun kommt aber mein Problem.
Alles hat sich geändert. Die Lebensfreude ist weg, gewichen einer Grundangst.
Ich habe als Ehefrau durch die Erkrankung eine Depression bekommen und war lange Zeit arbeitsunfähig. Stecke gerade in der Wiedereingliederung und merke schon jetzt in der 3.Woche, wie sehr meine Kräfte wieder aufgebraucht sind.
Mein Mann und ich haben und hatten während der Krebserkrankung Phasen, in denen wir trotzig das Leben genossen hatten. Das gelingt uns also schon. Aber immer wieder holt uns eine tiefgreifende Traurigkeit ein. Und die Angst...
Beispielsweise hat eine Kollegin von mir zwei gutartige Lebertumore gehabt. Natürlich hat sie auch ein Dreivierteljahr noch Schmerzen und Verdauungsprobleme. Das ist für sie schwierig, aber nie lebensbedrohend. Für uns bedeutet jeder Bauchschmerz, jede Anomalie der Verdauung: Ist der Krebs zurück? Und leider lebt er seine Sorgen auch über den Bauch aus.
Einen Darmverschluss gab es im April auch schon einmal, der mich dann völlig aus der Bahn geworfen hat. Zu dem Zeitpunkt wurde er komplett auf den Kopf gestellt, der Verschluss konnte jedoch durch einen einfachen Einlauf gelöst werden- Schuld war höchstwahrscheinlich eine Sauerkrautmahlzeit am Abend zuvor.
Wie lernt man nun mit der Angst umzugehen?
Gestern hat er beispielsweise den Port herausbekommen. Da er jetzt ein Jahr nicht benutzt worden ist und er auch nie besonders gut funktioniert hat, haben die Ärzte dazu geraten.
Nun ist ihm gestern und heute morgen leicht übel gewesen (ohne Übergeben einfach nur ein komisches Gefühl) und sofort sind meine Alarmglocken wieder an.
Im November/Dezember soll ein letztes PET-CT gemacht werden. Wenn dieses auch wieder ohne Befund ausfällt, dann geht die Nachsorge in halbjährigen Rhythmus und Ultraschalluntersuchungen über.
Er arbeitet wieder komplett seit Ende der Chemo und baut seinen kleinen Einzelhandel weiter auf. Seine Diagnose erreichte ihn nämlich drei Monate nachdem er einen Fachhandel aufgemacht hatte.
Ich möchte so gerne daran glauben, das alles wieder gut wird. Auf der anderen Seite haben wir -wie ihr alle- in den Abgrund geschaut und wir wissen was noch kommen kann.
Wie macht man das? Die Balance schaffen, sich der Endlichkeit so sehr bewusst zu sein und trotzdem weitermachen und Lebensfreude zu haben?
Ich will und kann nicht naiv glauben, er ist geheilt. Aber ich kann auf der anderen Seite auch nicht die ganze Zeit mit dem Entsetzen leben. Wie macht ihr das? Habt ihr Lösungen?
Ich merke dazu noch, dass ich wirklich erkrankt bin an der Depression. Eigentlich sollte ich in die Reha, aber ich wollte ihn nicht allein lassen. Vielleicht gelingt mir das später einmal.
Ich war immer gesund und fit. Aber zuerst ist mein Vater so qualvoll an Alsheimer gestorben und ein halbes Jahr später erhalten wir die schlimme Diagnose.
Mein Mann geht auch nicht zum Psychologen. Er will es mit sich ausmachen. Aber bin ich diejenige, die ihn aufbaut. Das ging auch im ersten Jahr der Erkrankung. Ich war immer für ihn da. Im Krankenhaus, bei jeder Chemo und Nachsorge. Nur nun merke ich, es ist absolut keine Kraft mehr in mir. Völlig ausgesaugt und leer.
In mir ist Wut, Traurigkeit, Angst... Aber keine Lust auf Leben mehr.
Könnte schon wieder weinen, aber ich reiße mich immer zusammen, weil ich die Starke bin. Deshalb brenne ich so aus.
Ich habe schon professionelle Unterstützung geholt. Meine wirklich tolle Hausärztin hat mich an eine sehr gute Psychologin überwiesen. Schon während der Pflege meines Vaters. Das war gut, dass sie mich deshalb schon länger kennt. Und weil ich nicht in die Reha wollte, musste ich hier ein Programm für mich starten. Das ging mit Sport und hat mir total geholfen, so dassich wieder so stabil wurde, das ich mir das Arbeiten zugetraut habe.
Aber nun habe ich seit einem Monat eine Sportverletzung und kann nicht laufen. Es wirft mich richtig zurück, weil ich meine Ängste nicht ablaufen kann.
Es geht also nicht immer nur schlecht, aber momentan schon.

Jetzt habe ich viel geschrieben- danke euch fürs Lesen.
Nina