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Alt 29.11.2008, 00:40
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: ich ziehe Bilanz

Hallo, silverlady,

manchmal schaue ich mir an, was Menschen, die bei mir schreiben und lesen, selbst für Gefühle, Gedanken, Erlebnisse, Sorgen und Nöte haben und seh mir ihre sonstigen Beiträge an. Ich möchte sie dadurch besser kennenlernen. Auch heute habe ich das so gemacht und bin dabei auf deinen Thread hier gestossen. Ich hab ihn mir von Anfang an durchgelesen und lange überlegt, ob ich dir etwas schreiben soll und kann.

Wir kennen uns nicht und haben uns noch nie gelesen. Trotzdem hat mich das, was du geschrieben hast, tief berührt. Ich lese von deinen Qualen, deinen Ängsten, deiner Trauer. Ich lese von deiner Art, diese Trauer zu bewältigen und das alles tut mir weh.

Du vergräbst dich bereits jetzt. Warum? Deine Arbeit ist sicher sehr ehrenvoll und nützlich. Aber, wie du bereits gemerkt hast, kann sie dich nicht vor deiner Trauer beschützen. Du läufst weg vor deiner Trauer aber die ist schneller als du. Sie wird dich immer wieder einholen bis du irgendwann nicht mehr weglaufen kannst weil du keine Kraft mehr dazu hast. Dann hat sie dich wirklich am Wickel und es wird für dich umso schwerer, da wieder raus zu kommen. Ich kann dir nur aus eigener Erfahrung heraus den Rat geben: stell dich deiner Trauer. Biete ihr die Stirn. Du sollst ja dabei deinen Mann nicht vergessen, sondern irgendwann wieder von Herzen lachen können. Dein Leben unter Volldampf hilft dir dabei nicht. Im Gegenteil, irgendwann machen dir dein Körper und dein Kopf die Rechnung auf.

Bitte sei mir jetzt nicht böse, wenn ich dir schreibe, was ich denke. Ich möchte dir damit helfen. Ich möchte dir helfen über dich selbst klar zu werden. Wo stehst du? Was willst du? Wo läuft dein Leben hin? Ich bin kein Psychologe oder sowas ähnliches. Aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass du, unbewusst, deine Patienten benutzt. Zum Ersten, um deine Trauer zu bewältigen, zum Zweiten, um vermeintlich versäumte Dinge nachzuholen.

Jeder Mensch hat die Liebe in sich, du in besonderem Masse. Jedoch ist diese Liebe immer wieder anders, jenachdem, wem du sie gibst. Du glaubst, deinen Patienten die Liebe zu geben, die du vermeintlich an anderer Stelle zu geben versäumt hast. Das geht nicht. Das grosse Stück deiner Liebe, die ansich unendlich ist, das du deinem Mann gegeben hast, kann die Unendlichkeit der Liebe in dir nicht schmälern. Diesen Teil deiner Liebe wirst du nie mehr einer anderen Person geben können und auch ganz bestimmt nicht wollen. Dieser Teil ist nicht übertragbar. Er gehört deinem Mann ganz alleine.

Du weisst sicher aus Erfahrung und aus Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen, wie gefährlich es in deinem Beruf ist, sich zu sehr emotional mit den Patienten zu beschäftigen. Ich weiss es aus vielen Gesprächen mit PflegerInnen, Ärzten, Krankenschwestern und -pflegern. Du machst dich damit selbst kaputt und damit ist deinen Patienten am allerwenigsten geholfen. Ich finde, du solltest das aus eigenem und aus Interesse an deinen Patienten vermeiden. Was nützt es ihnen, wenn du zusammenklappst und nicht mehr für sie dasein kannst? Du lebst doch jetzt bereits hart am Limit. Wie lange noch geht das gut?

Bitte versteh mich richtig. Das sind meine Gedanken und sie müssen sich nicht mit deinen decken. Denk darüber nach. Wenn du sie gut findest, so wirst du das eine oder andere übernehmen wollen. Wenn du sie nicht gut findest, so ist das für mich auch in Ordnung. Ich bin weiss Gott nicht unfehlbar und kann mich auch irren. Jeder von uns muss seinen eigenen Weg finden. Du genauso wie ich und alle anderen hier.

Ich habe heute an anderer Stelle einen Beitrag über die Liebe in uns in der speziellen Situation eines Hinterbliebenen (auch ich bin einer) geschrieben. Da ich nicht weiss, ob du ihn akzeptieren kannst, habe ich bewusst hier keinen Link hineingestellt. Wenn du ihn lesen willst, er ist nur 4 Mausklicks entfernt. Du weisst, wie du ihn ganz leicht finden kannst. Aber wundere dich nicht, er wiederspricht dir in vielen Dingen.

Der Weg, den du letztlich einschlagen wirst, ist dein Weg und ist richtig für dich.

Diesen Satz kannst du dir jedenfalls schon mal einprägen. Niemand kann dir das wirklich streitig machen.


Ich wünsche dir viel Kraft und Liebe für deine Mitmenschen

Helmut
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