Einzelnen Beitrag anzeigen
  #104  
Alt 24.10.2006, 04:04
Benutzerbild von marjana
marjana marjana ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 10.07.2006
Ort: Frankreich
Beiträge: 84
Standard AW: Aufgeben gibts nicht . . . . . . Oder ?

"Nur, ganz ehrlich, was nützt die Diskussion "hätte, waäre wenn, ....etc", Martina und vielen anderen gar nichts.
Nicht falsch verstehen, KEINE Kritik an Deinen Worten,..."


Lieber Frank,

mir geht’s wirklich nicht um „hätteste“, „Wenn …“ „Wäre …“ oder ähnliches. Das Warum ich den Krebs gekriegt habe, ist für mich heute höchstens insoweit wichtig, als frau sich schon besser fühlt, wenn frau sich wenigstens nicht schuldig fühlen muß, zumindest nicht alleinverantwortlich. Das hilft der Seele schon ungemein ! Macht also, wie Du es ausdrückst, mental durchaus Sinn.

Für viele andere und für die, die nach mir kommen, hat es aber einen hohen Stellenwert, denn wenn saubere Statistiken wirklich Zusammenhänge oder gar Ursachen nachweisen können, dann kann anderen unser Leid vielleicht erspart bleiben. Meine Krankheit dominiert zwar arg mein Leben, aber das hindert mich nicht daran weiter auch die Gesamtheit, die Gegenwart und die Zukunft aller im Auge zu haben. Aus der Verantwortung will ich mich nicht rausstehlen, auch wenn ich keinen Sieg mehr über meinen Krebs erringen kann und mir Fortschritte diesbezüglich nichts mehr nützen.

Und was die Ärztefehler oder Krankenkassengeizigkeit angeht, so betrifft mich das noch bis zum bitteren Ende. Ich weiß wovon ich rede – ich habe meinen Mann bis zu seiner letzten Sekunde begleitet. Ich weiß, was mir bevorsteht, habe es als Angehörige hautnah erlebt. Es wird nicht dasselbe sein, schon deshalb nicht, weil ich es allein durchstehen muß.

Ich kann nur hoffen, daß durch Berichte darüber die Wachsamkeit anderer geschärft wird. Es kann ja nicht angehen, daß Frauen heutzutage wichtige Untersuchungen nicht bezahlt kriegen, bzw. nur wenn sie sie vorfinanzieren und der Befund für die Betroffene schlecht ist. (So passiert bei einer Freundin von mir in meinem ehemaligen Heimatort !)
Für mich heißt das auch, den Ärzten bzw. den Krankenschwestern auf die Finger zu schauen, obwohl ich (nach meinem Kenntnisstand) die optimale Behandlung bekomme, jedenfalls, was die Produkte angeht. Da gings mir doch letzte Woche schon während des 2. Chemotages und danach äußerst beschissen, weil die Krankenschwester einen Tropf zu schnell hat durchlaufen lassen. Ich war abgelenkt durch Gespräche mit den anderen Patientinnen und hab es zu spät gemerkt, um noch korrigierend einzugreifen, was ich sonst immer mache. Seitdem ich diesen Zusammenhang in einem Internetforum gefunden habe, weiß ich, warum es mir in manchen Zyklen so grottenschlecht ging und in anderen nur geringfügig. Das hat was mit meiner Lebensqualität zu tun für die Zeit, die mir noch zu leben bleibt.

Das gilt auch für Ignoranz von Hausärzten – und es gibt ja auch noch viele andere Krankheiten wo die für uns PatientInnen schwerwiegende Fehler machen können, wenn der mir nicht die notwendigen Medikamente verschreibt, weil er meint alles besser zu wissen. Und da ich die Leber- und Nierenwerte mit meiner Phytotherapie immer wieder bis zur nächsten Chemo so einigermaßen hinkriege – aus reinem Selbstschutz – glaubt er mir nicht. Irgendwann bezahl ich mal eine komplette Blutuntersuchung eine Woche nach der Chemo. (Das Labor stellt mir als Privatperson übrigens höhere Preise in Rechnung)

Ich weiß auch im Moment nicht, was meine letzte, so harte Therapie gebracht hat, weil die Überprüfung im August mit einer unsensibleren Methode durchgeführt wurde, wegen der Kosten. Nun, zumindest weiß ich so viel, daß die Knochenmetastasen nicht so erheblich gewachsen sein können, daß sie mit dieser Methode sichtbar zu machen waren. Immerhin. Mehr ist im Moment nicht so wichtig.

Ob mein Beitrag Martina nutzt, das kann nur sie beurteilen, aber vielleicht nutzt er, wenn nicht ihr doch irgendwem … irgendwann. So wie mein Rat an die Freundin, die Untersuchung vorzufinanzieren, was sie sich zum Glück leisten konnte … ich hätte ihr gewünscht, daß die Kasse es nicht hätte bezahlen müssen, aber so wurde Schlimmeres vereitelt. Sie hat ihr Geld zurückgekriegt. So was regt mich auf ! Da spart die Krankenkasse auf Kosten der PatientInnen. Wie bei mir. Nur hatte mir der Arzt das erst gesagt, daß die Krankenkasse die Untersuchung nicht finanziert hätte, als es schon zu spät war. Wenn ich das Geld nicht gehabt hätte, ich wäre in der Familie und bei Freunden hausieren gegangen …

Und wenn ich meinen Krankheits- bzw. Behandlungsverlauf der letzten Jahre ansehe … wahrscheinlich hätte ich doch eine Chance gehabt, wenn ich nicht trotz all meiner Wachsamkeit durch mangelnde Kenntnis so viele Fehler ärztlicherseits nicht verhindern konnte. Andererseits wäre ich schon tot oder zumindest im Hospiz, wenn ich mir nicht so viel Sachkenntnis angeeignet hätte und auf meine Berufsausübung weitestgehend verzichtet hätte und so sachkundig, zumindest mutig eingegriffen habe. Ich habe das getan, was ich konnte. Wenn es trotzdem nicht zum Sieg geführt hat … nun ja, dann eben nicht. Ich habe in den Jahren trotzdem viel, relativ gut und intensiv gelebt und weiß, daß ich mein Möglichstes gegeben habe. Dieses Wissen gibt mir eine gewisse, wenn auch wehmütige Genugtuung. Insofern ist der Blick in die Vergangenheit schon auch wichtig, weil und wenn er mein Verhalten in der Gegenwart und Zukunft beeinflusst.

Wer kämpft macht Fehler, wer nicht kämpft hat schon verloren. Nun, ich kämpfe nicht (mehr) um den Sieg über meine Krankheit, aber ich kämpfe um jeden Tag, jede Woche, jeden Monat um zu leben, um so gut wie möglich zu leben. Jede( r) muß seinen eigenen Weg finden. Da gibt es keine Regeln, weil jede Situation verschieden ist.

Tut mir leid, offensichtlich kann ich mich nicht kurz fassen.
Nichts für ungut, lieber Frank, und sag nicht „keine Kritik“, wenn Du mich kritisieren möchtest. Es ist gut so, wenn Du sagst, was Du denkst. Nur so kann ein Austausch stattfinden. Du hast meinen Beitrag, teilweise, in Frage gestellt und ich hab, mit (viel zu) vielen Sätzen geantwortet. Kritik ist ein Motor, sie bringt Bewegung, Veränderung. Das ist gut.

Ich wünsch Dir alles Gute, Euch allen


Marjana


P.S. Ab Samstag hab ich einen jungen Labrador (per Zufall). Er wird mir sicherlich helfen in so unheimlichen Nächten wie dieser mit Sturm und Gewitter auf diesem alten Gehöft mich nicht mehr so allein zu fühlen. Hoffentlich schaff ich es. Hab keine Ahnung von Hunden. Da ist wenigstens mal ein Vorteil dieses riesigen, für mich viel zu großen Anwesens: Ich kann ihn, wenn es mir nicht gut geht, einfach im Hof rumtollen lassen. Freu mich schon darauf.
Mit Zitat antworten